Berlinale - Part 3
Montag, 11.02.2013
Workers (OmeU)
Im Alltag kennt man es vielleicht, denn dort kann das Zuschauen, wie andere arbeiten, durchaus seine Freude bringen. (
) Aber wie verhält es sich mit einem Film mit einer Laufzeit von 120 Minuten, der fast ohne Dialoge auskommt und im Verlauf nur zwei unterschiedliche Arbeitsbereiche zeigt, in denen Menschen arbeiten? Auf dem Papier klingt es äußerst langweilig und im Kinosaal sind auch einige Zuschauer eingeschlafen, aber irgendwie übte die ruhige Aura des Films eine kleine Faszination aus, die ich nicht genauer erörtern kann. Kleine Höhepunkte waren dann die kleinen Entwicklungen und Pointen im Film. 6/10
Before Midnight (OmU)
Ein wenig skeptisch war ich schon, da für mich die ersten beiden Filme alle relevanten Aspekte der Beziehung der Charaktere abgedeckt haben. Aber schon nach den ersten Minuten fühlte man sich als Zuschauer, als ob man alte Bekannte nach Jahren wieder trifft. Wieder unterhalten sich Julie Delpy und Ethan Hawk während des gesamten Films und es ist einfach eine Wonne ihnen zuzuhören. Regisseur Richard Linklater gelang famoser ein Abschluss der Before-Trilogie. 10/10
Die Kirche bleibt im Dorf
Komödien in Mundart erfreuen sich in Deutschland zunehmender Beliebtheit, aber bislang waren es vornehmlich Komödien mit bayrischen Akzent. Das wollte Ulrike Grote ändern und so entwickelte sie eine Dorfkomödie auf Schwäbisch. Nachbarortsfehde und die Besucher aus der Ferne sind die Angelpunkte der Geschichte und sorgen für eine nette und amüsante Komödie, die schnell konsumiert ist, aber keinen langen Nachhaltigkeitswert besitzt. 6/10
Frances Ha (O-Ton)
Noah Baumbach entwirft einen Mikrokosmos, in der Hauptdarstellerin Gerta Gerwing (großartig gespielt) beinahe ein nomadenhaftes Leben führt, dass nur selten aus Routine besteht, sondern viel mehr durch Abwechslung und Flexibilität gekennzeichnet ist. Eine wunderbare Komödie mit einigen dramatischen Momenten. Aufgrund der Sprachbarriere konnte ich nicht alle Witze vollkommen verstehen und daher sehe ich für mich noch Potenzial nach oben. Derzeit steht er bei 8/10
Klare Empfehlung an: Crizzero und Eclipsed
Die Nonne (OmU)
Basierend auf den Roman von Denis Diderot verfilmte Regisseur Guillaume Nicloux die Geschichte einer Nonne, die sich den Reglements und Konventionen ihrer vorgeschriebenen Lebensweise zu entziehen versucht und gegen jene auch rebelliert. Mit Pauline Etienne, Isabelle Huppert, Louise Bourgoin und Martina Gedeck ist dieser Historienverfilmung hochkarätig besetzt und schafft auf eine sehr intensive Weise das Leiden, die Gefühle und die Intrigen abzubilden. Für mich war es ein persönliche Favorit für den Goldenen Bären. 9/10
Empfehlung für 2moulins und deadly.
Vic + Flo haben einen Bären gesehen (OmU)
Der sechste Film des Tages, womit ich gleichzeitig meinen persönlichen Rekord von fünf Filmen an einem paar Tag eingestellt habe. Trotz Müdigkeit konnte mich die ruhige Geschichte zwischen zwei Frauen, die nach ihrer Haftentlassung ein isoliertes Leben von der Außenwelt in einer Waldhütte führen, sehr enthusiasmieren. Die Motive der Einsamkeit, der Liebe mit einem besonderen Augenmerk auf das Ein- und Loslassen derselben, haben für mich einen interessanten Mikrokosmos entstehen lassen, dem ich gerne beiwohnte. Einzig das Lied am Abspann, wollte sich nicht homogen zum Rest des Films einfügen. 8/10
Dienstag, 12.02.2013
Child's Pose (OmeU)
Das Drama schildert der Verkehrsunfall eines jungen Mannes, der ein Kind überfährt. Fort an versucht der Film akribisch das Gefühlsleben der Mutter des Täters, und die Eltern des Opfers offen darzulegen. Eine emotionale Bestandsaufnahme, die so hoch emotional aufgeladen ist, die aber auf mich überhaupt keine Wirkung gezeigt hatte. Die Exposition der Charaktere haben für mich kein Identifikationspotenzial geliefert, sodass ich während der Laufzeit nur ein stiller und kaum mitfühlender Beobachter war. Da narrativ auch fast vollkommener Stillstand herrschte, erlag ich zuweilen den Schlafanforderungen meines Körpers, sodass mich häufiger einen Sekundenschlaf befiel. Bis dato war der Film für mich die größte Enttäuschung des Festivals und nachdem am Samstag dieser Film mit der Goldenen Bären auszeichnet worden ist, bin ich kurzzeitig fast vom Glauben gefallen. Aktuell gebe ich noch 4/10, aber eine Zweitsichtung wird nach dieser Auszeichnung definitiv noch erfolgen müssen.
Ebony Society (O-Ton)
Als nächstes folgte ein Kurzfilm vom neuseeländischen Regisseur Tammy Davies, der in seinem Film den nicht ganz glatt verlaufenen Einbruch zweier Jugendliche zeigt, die sich auf einmal genötigt fühlen den Weihnachtsmann darzustellen. Der Film tendiert in die Richtung amüsant, aber belanglos, aber viel interessanter war nach dem Film das sehr kurze Interview mit dem Regisseur, der wohl den Abend zuvor ausgiebig das Berliner Nachtleben kennen gelernt hatte und wohl die Nahct seines Lebens hatte (
). 5/10
Saving Grace (O-Ton)
Nach einem schwachen Tagesanfang näherte sich der Tag der Talsohle, denn die Dokumentation „Saving Grace“ über die Maori in Neuseeland war visuell so interessant wie eine Dokumentation auf N24 oder n-tv. Da das Englisch der zu Wort kommenden Menschen zum Teil sehr stark von ihrem Dialekt gefärbt war, habe ich nur Bruchstücke verstanden, aber die haben schon ausgereicht, um zu sehen, dass der Film die Probleme eines Ureinwohnervolkes sehr oberflächlich behandelt. Ich war zwischenzeitlich so gelangweilt, dass ich mir überlegte zum ersten Mal in meinem Leben das Kino vorzeitig zu verlassen. Bei mir war es nur der Gedanke, aber viele andere Kinobesucher haben es auch in die Tat umgesetzt und den Saal frühzeitig verlassen.
Nicht bewertbar
Layla Fourie (OmU)
Die deutsch-südafrikanische-französische-niederländische Koproduktion über eine Alleinerziehende Mutter, die in ihrem Beruf Menschen nach ihrer Glaubwürdigkeit mithilfe eines Lügendetektors bewertet, gerät selbst ein Lügengerüst, dem sie nur noch schwer entkommen kann. Ein gutes Zusammenspiel Rayna Campbell und August Diehl und einige stark inszenierte Szenen sind die Pluspunkt des Films. Auf der anderen Seite krankt der Film ein wenig an seiner Konstruiertheit. Knappe 7/10
Bei Anruf Mord (O-Ton) (3-D)
Zweitsichtung
Ich hatte das große Glück in der Europapremiere der restaurierten Filmversion in 4K und mit digitalen 3-D-Effekt zu sitzen. Mir blieb vollkommen die Spucke weg, als ich die ersten Bilder des Films gesehen habe. Die Restauration ist perfekt und der 3-D-Tiefeneffekt gehört mit zu dem besten, den ich jemals gesehen habe! Ich habe mich förmlich in den Bildern verloren und konnte beinahe gar nicht mehr der Handlung folgen, da ich so sehr von der Optik fasziniert war. Minutenlang habe ich meine Augen einfach nur über die Ausstattung, deren Anordnung und den Schauspielern gleiten lassen und war schlichtweg beeindruckt von der Qualität des Filmbildes. Das sehr intelligente Spiel mit den Requisiten und der Architektur des Raumes kann demnach auch für einen Film, dessen Handlung im Vergleich zu „Avatar“ und „Die Legende von Beowulf“ nicht von Effekten beherrscht wird, auch von einer intensiven Tiefenwirkung profitieren.
Der gute 3-D-Effekt des Films führe ich nicht nur auf die Restauration des Films oder Hitchcocks brillanter Bildkomposition zurück, sondern auch an der Tatsache, dass ich erneut einen Film mit der Shutter-Technologie gesehen habe, dass auch bei den Menschen die bei den üblichen 3-D (mit Polarisationsbrillen) unter Kopfschmerzen leiden, hier ungetrübt und ohne Kopfschmerzen den Effekt genießen können.
Film: 9/10
Kinobesuch: 10/10
Viktor und Viktoria
Der Abschluss des Tages bildet die Retrospektive, der sich dieses Jahr dem Weimarer-Kino und dessen Einflüsse auf die Filmwelt gewidmet hat. Die Komödie „Viktor und Viktoria“ aus dem Jahre 1933 von Regisseur Reinhold Schünzel gehört zur traditionellen Gender-Komödie, in den Frauen in Männerkostüme schlüpfen und/oder umkehrt, die in Deutschland zur damaligen Zeit äußerst populär waren. Durch seine zahlreichen Liedern und dem gut aufgelegten Spiel der Schauspieler sorgte der Film für einen großartigen Unterhaltungswert. 8/10
Fortsetzung folgt...