Berlinale - Part 1
Die zehn Tage auf der Berlinale haben mir einige interessante Filmerfahrungen bereitet. Die Rezeption von Film innerhalb eines so großen Festivals hat große Auswirkungen auf die jeweiligen Filme und wie Film wahrgenommen werden kann. Auch die Masse an Filmen (45 Langfilme in zehn Tagen) und die unterschiedlichen Sprache verlangen sehr viel Aufmerksamkeit und Konzentration. So habe ich in den ersten beiden Tagen nicht einen Film auf Deutsch oder Englisch gesehen und während des gesamten Festivals habe ich Filme in 17 verschiedene Sprachen gesehen: Griechisch, Georgisch, Russisch, Indonesisch, Arabisch, Französisch, Spanisch, Mandarin, Polnisch, Deutsch (darunter noch Filme auf Schwäbisch und Österreichisch), Englisch, Russisch, Rumänisch, Indisch, Japanisch, Kasachisch, und Koreanisch.
Neben dieser „Babylonischen Sprachverwirrung" wird es auch zunehmend schwerer sich auf immer neue Geschichten, Charaktere, Momentaufnahme, Mikroskopen einzulassen und so ist es auch durchaus vorgekommen, dass ich keine Informationen mehr aufnehmen konnte, was vielleicht auch am mangelnden Schlaf und dem fehlenden Tageslicht geschuldet war. Zum Glück ist das nur bei nur ganz wenigen Filmen der Fall gewesen.
Nachfolgend jetzt eine chronologische Aufbereitung meiner Filmsichtungen.
Donnerstag, 07.02.2013
The Daughter (OmeU)
Mein persönlicher Eröffnungsfilm der Berlinale war der griechische Film „I Kóri" von Thanos Anastopoulos, der viele Bedingungen eines klassischen „Berlinale-Films" erfüllte. Die simple Handlung über ein Mädchen, die ihren Bruder entführt, um damit ihren Vater zu erpressen, wird im Film unnötig verkompliziert dargestellt und stellt eine deskriptive Milieuschilderung in Griechenland dar. Politisch gefärbt und mit zahlreichen Metaphern ausgestattet, hat mich der Film zu Beginn sehr imponiert, da trotz seiner realistische Inszenierung durch Handkameraaufnahmen der Tongestaltung noch genug Raum gegeben worden ist. Außerdem teile mit dem Film seine Affinität zum Material Holz. Erst in der Nachbetrachtung ist der Film in seiner Gunst bei mir noch deutlich gesunken, da ich in an den folgenden Tagen noch einige Filme dieser Machart gesehen habe, die zudem noch intensiver gestaltet waren. Knappe 6/10
A Fold in My Blanket (OmeU)
Der zweite und letzte Film des Tages kam aus Georgien und hat mir wahnsinnig gut in seiner audiovisuellen Inszenierung gefallen. Teile der Soundgestaltung und der Bilder entstammen beinahe aus dem Kosmos eines David Lynchs und auch das Verständnis der Geschichte war für mich ähnlich erschwerend. Der Unterschied besteht nur darin, dass Lynch lieber intuitiv arbeitet und Regisseur Zaza Rusadze seinen Film sehr bewusst konstruierte. Genau das könnte auch das größte Problem des Films darstellen. Der Zugang zum Film wird auch dadurch erschwert, dass es eigentlich keine Narrative gibt und für mich der Film in meinen Augen nur aus einer Exposition besteht. Bei einer erneuten Sichtung, mit eingeschränkten Sprachbarriere und mehr Kenntnis über die politischen Hintergründe in Georgien, um die Metaphern besser nachzuvollziehen, könnte der Film bei mir noch deutlich gewinnen. So steht er aktuell nur bei 5/10.
Freitag, 08.02.2013
The Act of Killing (OmeU)
Wie bei die Mehrzahl der Filme auf der Berlinale wusste ich auch bei diesem Film überhaupt nicht, was mich erwarten würde. Die Dokumentation von Joshua Oppenheimer, die u.a. von Werner Herzog produziert worden ist, zeigt indonesische Killer, die Massenmorde an vermeintliche Kommunisten verübt haben und daraus einen Spielfilm inszenieren. Als Zuschauer möchte man sich kaum seinen Augen glauben, wie bizarr die ganze Geschichte ist. Gangster, die sich den Stil von Hollywoodgangsterfilmen abgeschaut haben, nach dessen Vorbild selbst Menschen gefoltert und getötet haben und daraus anschließend selbst ihren eigenen Spielfilm inszenieren, ist ziemlich harter Tobak. Vor allem in Anbetracht, dass Massenmörder frei herumlaufen können und selbst im indonesischen Fernsehen über ihre Taten berichten und keiner scheint eine Notiz davon zu nehmen. Die Dokumentation hatte ein guten Anfang, verliert sich nur ein wenig im Mittelteil, aber präsentiert ein starkes Ende. Bleibt noch lange in Erinnerung. 7/10
La maison de la radio (OmeU)
Als nächstes folgte eine weitere Dokumentation und zwar über ein bilderloses Medium – das Radio. Nicolar Philibert schaut hinter die Kulissen eines französischen Radiosenders und zeigt uns deren Alltag, mit allem Vorgängen bei der Recherche, der Produktion und der Aufnahme. Die Protagonisten sind natürlich nicht gewohnt während ihrer Arbeit gefilmt zu werden und allein das offenbart tolle Momentaufnahmen und ein amüsantes Spiel mit der Mimik. Interessant und entspannend zugleich. 7/10
Kurzfilm: Pro Primera Vez – Zum ersten Mal (OmeU und deutschem Voice-Over)
Der Kurzfilm schildert die erste Vorführung eines Films in einem mobilen Kino in Kuba in den 1960er Jahren. Unglaublich spannend, wie dokumentiert wird, wie Menschen zum ersten Mal bewegte Bilder im Kino sehen und zwar in diesem Fall „Moderne Zeiten" von Charlie Chaplin.
Anschließend gewährte das Arsenal-Kino noch kurze Ausschnitte aus ihren Archivfilmen.
When I saw you (OmeU)
Der Film erzählt die Geschichte des jungen Tarek, der sich im Jordanien des Jahres 1967 auf der Suche nach seinem Vater an eine PLO-Kämpfern anschließt. Trotz der politischen Hintergrund des Films, bleibt der Fokus auf den kleinen jungen und seiner Beziehung zu seiner Mutter. Emotional sehr packend inszeniert und zuweilen mit lakonischen Humor ausgestattet, hat mir der Film eindrucksvoll gezeigt, dass Filme mit einem palästinischen Hintergrund nicht durchweg mit den gleichen politischen Mitteln arbeiten. 8/10
The Grandmaster (OmeU)
Am Abschluss des zweites Tages folgte der erste große A-Titel des Festivals. Wong Kar-Wai versteht es vortrefflich Martial-Arts-Kämpfe optisch und visuell brillant zu inszenieren. Bei einigen Kämpfen habe ich mich sehr stark an die Kämpfe innerhalb der Matrix-Trilogie erinnert gefühlt. Mit dem Unterschied, dass „The Grandmaster" die Eleganz und des Pathos der asiatischen Kampfkunstfilme besitzt. Leider war ich von den visuellen Opulenz manchmal so fasziniert, dass ich vergessen habe die englischen Untertitel zu folgen, was für mich für einige Verwirrung in der Handlung sorgte. Demnach kann ich zwar nicht behaupten, dass ich den Film vollständig verstanden habe, aber nach zwei Stunden eines audiovisuellen Rausches schneidet der Film bei mir äußerst gut ab. 8/10 mit deutlicher Tendenz nach oben.
Klare Empfehlung für alle Kampfkunst-Freude!
Fortsetzung folgt...