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Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, Teil 2
Endlich kracht es mal bei den Potters. Die Endzeit war spätestens mit dem Halbblutprinzen angebrochen und wurde anschließend aufs Äußerste ausgedehnt. Was jetzt nach der relativ langatmigen 7.1-Kiste passiert, ist der befreiende Urknall, da fliegen in bester „Star Wars“-Manier die Funken und man wird endlich mal wieder aus seinem Halbschlaf gerissen. Fiennes überzieht köstlich und ist endlich der fiese Sack, der er sein sollte, diverse Nebenfiguren machen teils eklatante Wandlungen durch und wenn es mal Ruhepausen gibt, werden diese hervorragend zur weiteren Spannungsschürung genutzt. Der zweite Teil der „Heiligtümer“ ist vielleicht der beste Potter, ein zwar immer oberflächliches, aber durchaus befriedigendes Spektakel, eine würdige Spitze für ein Epos, das vom Kindermärchen zur Erwachsenen-Fantasy gereift ist und in dieser Entwicklung ihren größten Reiz besitzt.
Adam Chaplin
Ein ekliger Wust wächst dem zombiegleichen Rächer seiner Frau aus dem Rücken und bringt ein bisschen „Basket Case“-Flair aus Italien mit. „Adam Chaplin“, ein Film, der schon als neue kleine Splattersensation gehypt wird, unter dem Strich abgesehen von der üblichen Liebe zur Tricktechnik aber nichts von Belang transportiert. Die Mittel, mit denen Köpfe zu Brei geschlagen und Körper zum Zerbersten gebracht werden, erinnern in ihrer Hysterie nicht umsonst an asiatische Funsplatterkanonen wie „Tokyo Gore Police“, während die mit grellen Farbfiltern bedeckte Optik mehrfach an die „Feast“-Filme denken lässt. Dem unmittelbaren, organischen, sehr direkten und nahbaren Splatterfeeling einer Referenz wie „Braindead“ kommt „Adam Chaplin“ aber niemals nahe, und so bleibt die Frage, was denn jetzt daran so besonders sein soll, dass man ihn derart über andere Filme seines Fachs stellen muss.
The Blues Brothers
Wegen Tanz und Gesang jahrelang gemieden (oder zu meiden versucht; tatsächlich hat die Sichtung viele Szenen wieder in Erinnerung berufen, die man doch irgendwie schon gesehen hat), jetzt aufgrund gestiegender Gesang-und-Tanz-Toleranz nachgeholt und prächtig unterhalten worden. Um so absurder wirkt der Versuch, das Flair Jahre später mit „Blues Brothers 2000“ wiederholen zu wollen; „Blues Brothers“ lebt davon, ein Zeitdokument zu sein. Von der übertriebenen Euphorie in der Gospelkirche, vom Mief in der Countrybar, von der Spontaneität der Band, vom ganz eigenen Look des 80er-Jahre-New-Yorks. Der Plot nur ein fadenscheiniger Vorwand (Der Nonnenbesuch zu Filmbeginn stellt nochmal unter Beweis, wie ungebunden der Film ans Drehbuch ist und um wie viel konventioneller der in der Anlage ähnliche „Sister Act“ gestrickt ist), die Hauptfiguren von Coolness durchzogen. An den vielen Gastauftritten erkennt man zwar den Eventcharakter, der eine gewisse Oberflächlichkeit ausdrückt, aber der Drive ist einfach zu mitreißend, als dass „Blues Brothers“ bloß ein plakatives Liebesgeständnis an die Musik wäre.
Tetsuo - The Bullet Man
Was in “The Iron Man” noch eine bizarre Transformation ins Unmenschliche war, erreicht in “The Bullet Man” nur noch Faschingsniveau. Papa verwandelt sich nach dem Verlust seines Kindes also in den Kugelmann und rächt sich an den Peinigern – na herzlichen Glückwunsch. Abgesehen von eher peinlichen Parallelziehungen, die das Original immer für sich gewinnt, fällt Tsukamoto nichts mehr ein, obwohl er doch in seinem Experimentalfilm von 1989 alle Register zog und die abstrakte Darstellung von Sexualität durchaus ähnliche Ebenen erreichte wie Gigers Alien-Design. „The Bullet Man“ ist leider flach, wirkt optisch billig und versteht es nicht, Kniffe einzubauen, um den Zuschauer ernsthaft bei der Stange zu halten.
Tumbleweeds
Regisseur und Hauptdarsteller William S. Hart wird vor Filmbeginn gezeigt, wie er Jahre später und mit vielen Falten im Gesicht über den Wilden Westen und die Liebe um Filmemachen sinniert. Hart behandelt in seinem Stummfilm „Tumbleweeds“ von 1925 die Heimatlosigkeit und den Entdeckerdrang der Cowboys, die wie streunende Grasbüschel durch die Prärie zogen, um neues Land zu erschließen. Die Stimmung des Aufbruchs und Fortschritts bestimmt auch das Treiben in den Kleinstädten, und eine Romanze wird exemplarisch gezeigt, an der deutlich wird, was dieses Leben für die Zwischenmenschlichkeit zu bedeuten hat. Die Eindrücke fasst er immer wieder in kleinen Limericks zusammen, die in Form von Gesang mit Texttafeln zum Ausdruck gebracht werden. Unter dem Strich ein interessantes zeitgeschichtliches Dokument.
Biutiful
Iñárritus legendäre bleierne Schwere nimmt auch „Buitiful“ wieder in Besitz, ein düsteres Portrait eines todkranken Mannes, der in seinen Versuchen, die zerrütteten Familienverhältnisse vor seinem Tod zu korrigieren, in eine Spirale des Verderbens rennt. Die Familienstruktur, die Iñárritu zeichnet, schreit geradezu vor Trostlosigkeit – im Zentrum eine vermüllte, karg eingerichtete Wohnung, in der sich der Familienvater mit seinen beiden Kindern zurechtfinden muss, davon ausgehend ein Netz aus Komplikationen, von der depressiven Ehefrau über den Bruder, mit dem sie ihn betrügt zu persönlichen Schicksalsschlägen. Wenn die Hauptfigur schließlich mit ihrem eigenen Ende konfrontiert wird, eröffnen sich Parallelen zu jenen Ingmar-Bergman-Filmen, die sich ebenfalls mit dem Tod auseinandergesetzt haben; „Wilde Erdbeeren“ etwa oder „Fanny und Alexander“. Javier Bardem spielt das herausragend, die Oscar-Nominierung hatte er sich verdient.
Der Glückspilz
Kapitelweise, jeweils mit sarkastisch wirkenden Überschriften, setzt Billy Wilder seine Komödie auf und suggeriert damit eine teils vom Chaos, teils vom verqueren Geschäftssinn der Walter-Matthau-Figur in Gang gesetzte Abfolge von schrägen Ereignissen, die zunehmend die Unterschiede zwischen den beiden Hauptfiguren herausstellt. Matthau und Lemmon begründen hier auf eindrucksvolle Weise ihre ertragreiche Zusammenarbeit, die noch neun weitere gemeinsame Projekte zur Folge haben würde. Beide ergänzen sich ideal; Wilder spannt sie in ein Netz aus Hinterlist, Argwohn und Tücke, das einerseits die menschliche Gier entlarvt, gleichzeitig aber am Ende ein wunderbares Freundschaftsportrait entstehen lässt.
Monster Brawl
Werwolf. Zombie. Vampir. Frankenstein. Hexe. Mumie. Das Ding aus dem Sumpf. Zyklop. Ikonen des Monsterfilms werden aus ihrer natülichen Umgebung gerissen und müssen sich im Wrestling-Ring um ihr Leben prügeln. Funktioniert so was? Jein; einerseits gelingt es Writer-Director Jesse T. Cook im Rahmen seiner Mittel, die Monsterfilmgeschichte mit deutlichem Augenzwinkern zu plündern und setzt gelungen kostümierte Trashmonster in den Ring, die ohne Sinn und Verstand (und ohne erkennbare Choreografie, dafür aber mit netten Spezialtricks) auf sich einprügeln. Dabei pflegt er jeder Figur einen eigenen Prolog zu widmen, der – reich an Zitaten – ihre Herkunft erklärt und es umso verrückter erscheinen lässt, sie plötzlich in einer Wrestlingshow als Protagonisten wiederzufinden. Der Ring selbst ist atmsophärisch gestaltet (d.h. ganz ohne Zuschauer und umringt von Waldhütten, Totengräbern und Bäumen) und wird mit flapsigen Kommentatoren, die dreist bei „Celebrity Deathmatch“ abgekupfert sind, geschmückt.
Soweit funktioniert die Zusammenkunft der acht Monster. Leider fällt der Film in seiner Struktur komplett in sich zusammen, als deutlich wird, dass abgesehen von den Prologen und den Kämpfen nichts weiter zu erwarten ist. „Monster Brawl“ ist mit Sicherheit der sinnloseste Film seit langer Zeit und selbst in seinen 80 Minuten fast schon zu lang – hat wohl auch Cook gemerkt, der aus sonst unerfindlichen Gründen nur zwei der Gewinner aus den ersten vier Matches gegeneinander zum Finalkampf antreten lässt und die beiden anderen Sieger einfach ind er Versenkung verschwinden lässt. Und man ist sogar froh darüber, denn spätestens nach drei Kämpfen ermüdet die ewig gleiche Abfolge enorm. Letztendlich doch irgendwo verschenktes Potenzial; ein Sequel mit richtigem Drehbuch wäre aber eine interessante Angelegenheit.
The Raven
Wohl ein typischer Konsensfilm, über den man irgendwie kein schlechtes Wort, aber auch nicht unbedingt euphorische Worte verlieren kann. James McTeigue bewegt sich stilsicher durch „From Hell“-Pfade und legt darin ein spannendes Puzzlespiel mit einem herzhaft aufspielenden John Cusack an, der sichtbar Freude an seiner Rolle hat. Ich fühlte mich mehrmals an den „Masters Of Horror“-Beitrag „The Black Cat“ erinnert, ebenfalls eine Poe-Verfilmung, bei der Poe in seine eigene Geschichte gesogen wurde.
Klute
Als Thriller per se nicht unbedingt effektiv, versteht „Klute“ es aber, über sehr geschmackvolle mise-en-cadres und eine packende Soundkulisse sogartig in die Handlung zu ziehen. Oft werden nur Bildausschnitte im dominierenden (in diesem Kontext ungewöhnlich modern und fast schon futuristisch wirkenden) Braun gezeigt, der Rest ist durch Überbelichtung oder im Weg stehende Gegenstände und Personen komplett in Schwarz getaucht, was immer den Eindruck zur Folge hat, dass man es nicht mit einem gewöhnlichen Cinemascope-Format zu tun hat, sondern mit einem organischen Ausschnitt aus dem Gesamten. Dort wird man von einer Jane Fonda empfangen, die verborgen unter einer relativ hässlichen, toupierten Frisur als biestiges, verletzbares und unberechenbares Call Girl emotionale Verwirrung stiftet, was auch auf Donald Sutherland abfärbt, der ähnlich wie in „Die Nadel“ oder „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ kalt wie ein Stein bleibt. In der Folge wandelt „Klute“ auf einem schmalen Grat zwischen dem Bedürfnis des Zuschauers, sich emotional in die Geschichte zu involvieren und seiner Unfähigkeit dazu. Das verleiht dem Film eine ganz besondere Atmosphäre, mit der er über seine gesamte Laufzeit zu bannen versteht.
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The Wire - Season 3
Die Serie ist wieder zu den Drogenrevieren zurückgekehrt, und sollten am Ende nicht noch deutliche Bezüge auftauchen, muss sich „The Wire“ jetzt schon die Frage gefallen lassen, welchen Zweck die am Hafen Baltimores angesiedelte zweite Staffel nun für das Gesamtkonzept hatte, da sämtliche Protagonisten dieser Staffel diesmal nur noch in Nebensätzen erwähnt werden oder auch mal auf Plakaten bei Kamerafahrten durch die Stadtgebiete auffallen.
Inzwischen hat sich aber viel getan, und am Ende steht ein waschechter Skandal,e ine fast unwirklich erscheinende Szenerie, die aber im Verlauf der 13 Folgen so schlüssig erzählt wird, dass man sie gar nicht in Frage stellt. Als die Oberen der Polizei schließlich darüber unterrichtet werden, welche Entwicklungen sich in Baltimores Drogenrevieren entwickelt haben, wird man mit deren ungläubigen Gesichtern konfrontiert und beginnt erstmals zu realisieren, welches Paradox hinter dem Mikrokosmos „Hamsterdam“ steckt, der die Handlung von Staffel 3 bestimmt.
Doch nicht nur das, auch die zunehmende Erkenntnis, dass „The Wire“ tatsächlich keinerlei Protagonisten kennt (anfangs hatte ich noch Dominic West für einen solchen gehalten), sondern von einer Hauptfigur zur nächsten pendelt, ohne auf die Gegnerseiten zu achten, wodurch „The Wire“ eher das Portrait einer Stadt und nicht etwa einer Abhöreinheit ist, macht die dritte Staffel zur bis dato besten der Serie. Allerdings versprechen die ersten drei Folgen der vierten Staffel, die ich bislang gesehen habe, eine nochmalige Steigerung…
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