Spectre
Die Erwartungen waren hoch. Sehr hoch. Nach dem brachialen Erfolg von „Skyfall“, der passend zum 50-jährigen Jubiläum 2012 in die Kinos kam und weltweit über eine Milliarde US-Dollar einspielte und damit zum Abstand erfolgreichsten Film der kompletten Filmreihe avancierte, wurde Sam Mendes erneut als Regisseur verpflichtet und mit ihm zahlreiche renommierte Schauspielerinnen und Schauspieler.
Bereits der Titel „Spectre“ weist daraufhin hin, dass Mendes ein weiteres populäres Symbol des Bond-Franchise reaktiviert, nachdem er bereits bei „Skyfall“ sowohl Q und Miss Moneypenny zurückholte. Obwohl mir „Skyfall“ bei der ersten Sichtung gefallen, mich aber nicht begeistert hat, habe ich erst bei der zweiten Sichtung und mit Kenntnis aller vorherigen offiziellen James-Bond-Filmen, die Qualität von „Skyfall“ schätzten gelernt, was vor allem an Javier Bardems manisch-verrückter Performance liegt. Er bekommt als Raoul Silva so viel Spielraum um einen facettenreichen und höchst interessanten Antagonist von James Bond darzustellen. In „Spectre“ tritt nun der charismatische
Christoph Waltz in Erscheinung, um sich als Schurke gegen Bond zu profilieren und wie es bereits der Trailer angedeutet hat, führt Waltz Charakter alle Fäden der vorherigen Bond-Filme und -schurken zusammen. Leider bietet dieses Unterfangen auch den größten Kritikpunkt an „Spectre“, denn erstens bekommt Walz für seine Performance nicht genug Präsenz im Film und zweitens ist sowohl das Motiv für seine bösen Absichten als auch seine Verbindungen zu den vorherigen Schurken Le Chiffre, Dominic Greene und Raoul Silva mehr als schleierhaft. Vielmehr wiederholt Waltz bzw. der Film selbst immer nur, dass sie in Verbindung stehen, aber es wird keinesfalls erläutert, wie genau Waltz hinter all den Plänen der anderen Schurken stand. Die Drehbuchautoren versuchen die Craig-Bonds mithilfe von dem Charakter des Oberhauser stringent miteinander in Verbindung zu setzten und eine Plot übergreifende Verflechtung innerhalb der letzten Bond-Filme zu erzeugen, aber das Resultat ist überwiegend heiße Luft. Vielmehr wirkt es wie ein billiger Versuch eine ähnliche Verbindung zu schaffen, wie es aktuell in Marvels Cinematic-Universe vollzogen wird, wo die Filme und Schurken tatsächlich in Verbindung stehen. Der Unterschied besteht darin, dass in „Specre“ die Aussagen von Oberhauser überhaupt nicht mit Fakten unterfüttert werden. Eine Aufschlüsselung im Stile der Serie „Sherlock“ wird natürlich keiner von einem Bond-Film erwarten können, aber ein bisschen mehr als die Nennung der Namen und das Aufstellen von Fotos der vorherigen Schurken sollte doch schon im Rahmen des Möglichen liegen.
Viele Ansätze von dem Charakter des Oberhauser wirken interessant, vor allem in Bezug auf die Wechselwirkung mit James Bonds eigener Vergangenheit, aber selbst Christoph Waltz kann das verschenke Potenzial des Drehbuchs nicht wett machen. So wirkt die typische Folterung von James Bond in seiner Inszenierung mehr als antiquiert und passt keinesfalls zur harten, körperlichen Bond-Darstellung der Craig-Ära und auch die Pläne von Waltz, die vollkommene Überwachung der Welt, ist im aktuellen Hollywoodkino keinesfalls neu. Nach
Christopher Nolans mit Metaebenen versehenen
„Batman-Trilogie" haben im selben Jahr wie „Spectre“ bereits „
Fast and Furious 7“ und „
Avengers: Age of Ultron“ mit diesem Topoi gearbeitet. Obwohl sich das James-Bond-Franchise immer wieder vom Hollywoodkino hat inspirieren lassen, haben die James-Bond-Filme stets den Vorteil auf eine etabliertes Arsenal von Charakteren, Motiven und typischen Bond-Zutaten zurückgreifen zu können. Der Grund, wieso die Marke Bond auch nach über 50 Jahre noch erfolgreich in den Kinos läuft, liegt in dem intelligenten Umgang, die klassischen Zutaten eines Bond-Films immer mit anderen aktuellen Trend des Kinos zu verquicken, um dadurch die gleiche Geschichte immer wieder anders zu erzählen.
Dass gerade nach „Skyfall“ so viele Fehler begangen worden sind, stimmt einem vor allem im Hinblick auf das tolle Ensemble des aktuellen Films traurig. Auf der einen Seite schafft es Ralph Fiennes souverän das Erbe von Judi Dench als M zu tragen, Naomie Harris als Miss Moneypenny ist wirklich erfrischend und schlagfertig, Ben Whishaw als eine Neuinterpretation von Q hätte gar nicht besser ausfallen können und den Ausbau seiner Rolle in „Spectre“ ist die logische Fortführung. Und auch Daniel Craig brilliert ein weiteres Mal als James Bond, der einfach viel mehr Facetten des Charakters offen legen kann, wie zuvor kein anderer Schauspieler vor ihm überhaupt die Möglichkeit gehabt hätte (vor allem „Ein Quantum Trost“ wird in dieser Hinsicht massiv unterschätzt). Auf der anderen Seite haben die Macher mit der Besetzung von Monica Bellucci und Léa Seydoux zwei hervorragende Schauspielerinnen als Bond-Girls verpflichten können, die vollkommen unterfordert waren. Belluccis Charakter ist vollkommen verschenkt und fällt quasi komplett unter den Tisch und Léa Seydoux kann nicht einmal im Ansatz zeigen, zu welcher schauspielerischen Wucht sie fähig ist. Dass gerade in diesem Bereich „Spectre“ Rückschritte macht, hat sich bereits in der Titelsequenz des Films angedeutet, wo zwei Mal James Bond mit nacktem Oberkörper in den Fokus gesetzt wird und zahlreiche Frauen um ihn buhlen. Man erinnert sich bei dieser Titelsequenz direkt an frühere James-Bond-Zeiten, aber als bei „Casino Royale“ ein neues Bond-Zeitalter einsetzte, im Vorspann keine nackte, sich räkelnde Frauen zu sehen waren, sondern der Vorspann vielmehr Bond selbst und das spätere Setting des Films in den Fokus rückten, war ein Hoffnungsschimmer zu erkennen, dass sich selbst eine alte Filmreihe, wie es bei „James Bond“ eben der Fall ist, weiterentwickelt und nicht mehr so massiv die alten Rollenbilder von Mann und Frau bedient. Die Chance, weitere, neue Schritte zu gehen. Bei Monica Bellucci und Léa Seydoux handelt es sich um zwei hervorragende Schauspielerinnen, die dazu fähig gewesen wären, facettenreiche Frauenfiguren darzustellen. Leider konnten sich die Drehbuchautoren in diesem Punkt nicht von George Millers „
Mad Max: Fury Road“ bedienen, der eindrucksvoll zeigt, dass eine Schauspielerin dem titelgebenden Helden ein wenig die Show stehlen kann.
Mit einem Ausbau für die Rollen von Monica Bellucci, Léa Seydoux und Christoph Waltz und weniger Rückgriffe auf klassische Bond-Muster (u.a. eben die besagte Foltersequenz) hätte „Spectre“ tatsächlich aus entwicklungstechnischer Sicht einen Abschluss bilden können. Stattdessen bleibt am Ende des Films die Ernüchterung, dass die nächsten Filme vermehrt in alte Muster vergangener Jahrzehnte fallen könnten.