Resident Evil: Welcome to Raccoon City (2021 - Johannes Roberts)
RE:WTRC erzählt die grobe Story der ersten zwei RE Spiele. Um so viel Inhalt erfolgreich in 100 Minuten unterzubringen nimmt sich Johannes Roberts natürlich auch die ein oder andere erzählerische/künstlerische Freiheit raus. Meistens stört das nicht weiter und fügt sich ganz gut ins Gesamtbild ein. In seiner ganzen Machart ist der Film sehr retro. Das lässt ihn widerum sehr frisch wirken imo. Viele old school Filmtechniken/Stilmittel finden hier Verwendung. Man spürt, dass John Carpenter eine große Inspirationsquelle für Roberts war. Inhaltlich, aber auch optisch, lassen sich viele Parallellen erkennen. Das ist auch der Aspekt, der mir am meisten gefallen hat. Fanservice und Easter Eggs gibt es am laufenden Band. Egal, wo man hinsieht, der eingefleischte Fan wird immer eine Anspielung entdecken. Der enorme Fanservice fügt sich imo überwiegend organisch ein und hat mir ein Dauergrinsen aufs Gesicht gezaubert. Sogar der RE Schriftzug wurde 1:1 aus dem original PS1 Spiel übernommen. Es sind solche kleinen, liebevollen Details, die mein Fanherz höher schlagen lassen.
Die Polizeistation und die Spencer Mansion sind die bekanntesten Schauplätze aus dem RE Universum. Die Haupthallen dieser Orte wurden akurat und detailreich für den Film reproduziert. Immerhin stellte Capcom dafür ihre Blaupausen zur Verfügung. Die Kamera fängt diese tollen Sets mit wundervollen dunklen Bildern ein. Es gibt auch einige gut gefilmte Licht- und Schattenspiele. Manchmal fühlen sich die Sets durch das Framing regelrecht klaustrophobisch an. Ich würde den Film schon als atmosphärisch gelungen bezeichnen. Die großen Spannungsmomente bleiben zwar aus, aber ich finde es einfach klasse, dass man hier versucht hat einen waschechten Horrorfilm auf die Beine zu stellen. Die Musik könnte direkt aus einem der aktuellen RE Spiele stammen. Passt sehr gut. Mir hat der langsame Aufbau und das ruhige Erzähltempo ebenfalls gefallen. Das Ende kommt zwar etwas abrupt, dafür aber in echter RE Fashion. Action gibt es relativ wenig. Das ist aber sicherlich auch die Intention von Roberts gewesen, um den Survival Horror Aspekt der Spiele zu huldigen, wo es darum geht, den Kampf möglichst zu vermeiden und so wenig Gegner wie möglich zu töten. Munition sparen und Ressourcenmanagement gehen vor. Hat mir gefallen. Mit den CGI Effekten konnte ich gut leben.
Im Grunde ist mein einzig relevanter Kritikpunk, dass alle Charaktere gänzlich anders angelegt sind als ihre Videospielvorlage. Sei es nun in ihrem Verhalten, ihren Charaktereigenschaften oder auch in ihrem Aussehen. Außerdem sind sie allesamt ziemlich flach geschrieben und machen keinerlei Entwicklung durch. Der Grund für diese Entscheidung erschließt sich mir leider nicht. Besonders ärgerlich fand ich was man aus Leon, Wesker und Chief Irons gemacht hat. In einigen Szenen konnte ich nur noch den Kopf schütteln. Leider ein doch schwerwiegender Kritikpunkt. Etwas blutiger hätte der Film auch ausfallen dürfen.
Insgesamt kommt der Film wie ein kleines, charmantes B-Movie mit heftigem Retro-Vibe rüber, der von Fans für Fans gemacht wurde. Man spürt, dass Johannes Roberts die Vorlage liebt und hier sehr viel Herzblut reingesteckt hat. Allerdings ist er nicht der talentierteste Autor und Regisseur, was man dem Film auch anmerkt. Dennoch lebe ich lieber mit einem technisch nicht ganz so runden Passionsprojekt, als mit einem technisch perfekten, dafür aber seelenlosen Hochglanzkino. In Sachen Inhalt, Optik und Atmosphäre ist RE:WTRC ohne Zweifel die Verfilmung, die der Vorlage am meisten ähnelt. Nur bei der Charakterzeichnung versagt er leider. Als riesiger Resident Evil Fan bin ich insgesamt zufrieden mit der Adaption von Johannes Roberts.
7/10