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Nach dem Cinestrange-Filmfestival ging die Reise weiter nach Berlin und die Hauptstadt hat auch ein vielfältiges Kinoangebot, sodass man schnell den Überblick verlieren kann. Neben einem aktuellen Film („Spuren“) habe ich mich größtenteils der Kinogeschichte auf der Kinoleinwand gewidmet und hier vor allem auf die Pre-Code-Filme der 1930er Jahre.
Orlac's Hände
Zunächst ging es in die Stummfilmvorführung von „Orlac's Hände“ im Babylon-Kino, wo der Filme live von Anna Vavilkina an der Orgel begleitet worden ist. Regisseur Robert Wiene ist vor allem für „Das Cabinet des Dr. Caligari“ bekannt und so passiert es leicht, dass die anderen Film von Wiene in den Hintergrund gedrängt werden. Nur leider vollkommen zu Unrecht. Die schaurig schöne Atmosphäre von „Orlac's Hände“ ist bei den expressionistischen Bildern stets spürbar und auch wenn einige Handlungsfäden zunächst verwirrend erscheinen, wird die Geschichte am Ende sehr gut abgeschlossen. 8/10
Dr. Jekyll und Mr. Hyde (OV)
Die Verfilmung des berühmten Werks aus der Feder von Robert Louis Stevenson mit Frederic March und Miriam Hopkins in den Hauptrollen wirkt zwar aufgrund der Verwandlungsszenen heutzutage mehr kurios-bizarr als furchteinflößend-atmosphärisch, aber ansonsten besticht der Film durch eine herausragende Inszenierung, wo vor allem die subjektive Kamera-Sequenzen des Films einfach absolut großartig sind. Gute 6/10
Spuren
Mein erster OpenAir-Kinobesuch und es war eine tolle Erfahrung, auch wenn es zur späten Uhrzeit doch schon ein wenig kühl wurde. Dennoch ziehe ich ein geschlossenes Kino – nicht nur des Tons wegen – vor.
Der Film bietet großartige, warme Bilder von Australien und die lange Reise von Robyn Davidson (gespielt von Mia Wasikowska) zeigt mit die schönsten Bilder aus Australien. Leider gelingt es Regisseur John Curran nicht die Ästhetik der National-Geographic-Fotos mit einer gelungenen filmischen Dramatik oder Dramaturgie auszustatten, sodass er schlussendlich ebenfalls (wie bereits National Geographic) ein romantisierendes Bild dieser Reise entwirft, was die ursprünglichen Gedanken Robyn Davidsons, eine persönliche Reise anzutreten, in der sie Abstand von der Zivilisation gewinnen möchte, um ihr eigenes Leben zu ordnen, zuwiderlaufen würde. 6/10
Blonde Crazy! (OV)
Ein weiterer Vertreter der Pre-Code-Filme, die innerhalb einer Programmreihe im Arsenal-Kino in Berlin gezeigt werden. Leider besaß der Film keine deutschen Untertitel und beim schnellen Sprechen von James Cagney u. Joan Blondell hab ich leider nicht alles mitbekommen und so auch viele Wortwitze und Anzüglichkeiten nicht verstanden. Da die Dialoge im Vordergrund bei dieser temperamentvollen Komödie stehen, kann ich leider auch kein endgültiges Urteil fällen.
Three on a Match (OmU)
Anders als bei „Blonde Crazy!“ gab es dieses Mal Untertitel, sodass ich diesem extrem temporeichen Drama mit viel Witz aus den frühen 1930er Jahren problemlos folgen konnte. Wieder mit von der Partie war Joan Blondell und darüber hinaus Bette Davis und in einer kleinen Rolle Humphrey Bogart, der in diesem Film zum ersten Mal die Rolle des Tough-Guys spielte. Ausgehend von drei Schulfreundinnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, werden die einzelnen Lebensentwürfe der Schulfreundinnen ordentlich durch gewirbelt, als sie einander als erwachsene Frauen wiedersehen. Durch die sehr kurze Laufzeit des Films (63 Minuten) wird die Handlung sehr flott erzählt, sodass zu keiner Zeit Langeweile aufkommt. Vor allem die große Spielfreude des gesamten Ensembles ist fantastisch und unterhält ungemein. Schade, dass es diesen Klassiker noch nicht auf DVD gibt. 8/10
Der kleine Caesar (OmU)
Charakteristisch für viele Pre-Code-Filme ist neben Anzüglichkeiten, Erotik und Gewalt auch die kurze Laufzeit der Filme und dem damit resultierenden hohen Tempo. Im Fall von „Der kleine Caesar“ wirkt der Aufstieg des Kleingangsters zum großen Gangster (gespielt von Edward G. Robinson) schon ein wenig zu übereilt, aber wegen des Tempos vergisst man auch das schnell wieder. Viel mehr bleibt die Präsenz von Edward G. Robinson in Erinnerung. Trotz der Freiheiten bei der Produktion ist sehr schön zu erkennen, welche moralische Implikaturen im Film noch vorhanden sind. 8/10
Zwei Sekunden (OmU)
Direkt im Anschluss gab es einen weiteren Film mit Edward G. Robinson in der Hauptrolle, der dieses Mal vollkommen aus seinem Archetypen fällt und einen scheinbar grundanständigen Mann spielt. Der Titel des Films spielt auf die zwei Sekunden auf dem elektrischen Stuhl an, wo das Opfer noch etwas spürt. Genau hier beginnt der Film. Was folgt ist ein Rückblick auf das bisherige Leben vom Bauarbeiter John (Edward G. Robinson) und wie es zu seiner Verurteilung zum Tode kam. Für mich war dieser Film nicht nur mein Abschluss meiner Kinowoche in Berlin, sondern auch gleichzeitig mein filmischer Höhepunkt. Ein wirklich intensives Drama, mit großartig aufspielenden Schauspielern und Edward G. Robinson als einem Mann, der an die Anforderungen, die die Gesellschaft an einen Mann stellt, zerbricht. 9/10