AW: Zuletzt gesehen
Eine total, total, total verrückte Welt
Fast schon wie ein überdimensionales Theaterstück (inklusive Ouvertüre und allem drum und dran) mit Setpieces von Open-World-Ausmaßen wirkt dieses Roadmovie-Ensemblestück, das eine ebenso schräge wie einfache Idee anfangs an hysterische Situationskomik zu verschenken scheint, dann aber irgendwann in der Mitte seiner überlangen Laufzeit den Ton trifft. Letztendlich gipfelt der dargestellte Egoismus unterschiedlichster Arten von Menschen in einem schier absurden Grande Finale, das ebenso wie der gesamte Verlauf mit unübersehbarer Tragikomik versehen ist, die angesichts der übersteigerten Darstellung der Ereignisse aber nur mit einem fröhlichen Schulterzucken quittiert werden kann – that’s life.
7.5/10
Ödipussi
Die Lindenstraßenoptik muss man als Verächter des modernen deutschen Films zunächst mal überwinden, dann fällt der Blick auf Loriots Humor, und der ist natürlich über jedes Daily-Soap-Flair erhaben; mit punktgenauem Timing arrangiert Loriot Szenen, in denen er als vertüddelter Träumer rüberkommt, der sich vom Zufall und den Reaktionen seiner Mitmenschen treiben lässt. Das Thema „Mutterliebe“ ist ein klassisches, im Aufbau des Inhalts ähneln sich beispielsweise „Ödipussi“ und „Braindead“ stark, verwenden aber natürlich jeweils unterschiedliche Mittel, den Komplex zu veranschaulichen.
7/10
Die Schlümpfe
Einige wenige gute Gags hat’s ja sogar, und mit Wohlwollen könnte man sagen, dass Hank Azaria als Gargamel so grottig ist, dass man wiederum Spaß an seiner grotesken Spielweise haben muss, aber die Frage, was die Schlümpfe auf der großen Leinwand verloren haben, bleibt dennoch im Raum. Insbesondere, als New York, die überfilmteste Stadt der Welt, schon wieder als Schauplatz herhalten muss – und das, wo sich der Wald mehr als nur aufdrängt, Hauptschauplatz zu sein. Aber das wäre ja nicht hip genug. Also mischen die blauen Winzlinge wieder einen „HIMYM“-Star im HIMYM-Modus auf, so wie es kürzlich auch schon die Muppets taten.
4/10
Die Piraten
freeman, bitte weghören: Seltsam bemüht wirken die Gags, für die auch schon mal ein Wal direkt in die Eingangspforte einer Kneipe springen muss, um Lacher zu provozieren. Die gegenseitigen Übertrumpfungsversuche der Piraten wirken teilweise fremdschämelnd-angeberisch, kaum mal leichtfüßig oder wortgewandt. Bunt und reichhaltig ist die Knetanimation und schon das besorgt den unbedingten Ansehwert, aber die begleitende Comedy kommt extrem schwer in die Pötte. Eigentlich generiert sie sich bloß hin und wieder von selbst durch gelungen modellierte Fratzen, die wegen ihrer handgemachten Art immer noch einen ganz anderen Zauber ausstrahlen als jeder CGI-Film.
6/10
Jazzclub
Die Kneipe, in der „Jazzclub“ gedreht wurde, war mal die Stammkneipe eines Freundes, mit dem ich regelmäßig Filmabende veranstalte, und er war auch zum Drehzeitpunkt als Zuschauer anwesend. So blieb natürlich nicht aus, dass ich mich irgendwann mal mit diesem Film auseinandersetzen würde, obwohl ich nach dem zweiten Film aus der Schneider-Box damals aufgegeben hatte, zu anstrengend schien mir Helge im Rahmen einer Filmhandlung. „Jazzclub“ allerdings ist ein hervorragend getroffenes, tragikomisches Portrait des Ruhrpotts: Der Fisch, die vielen Minijobs, Wäscheleinen zwischen Hochhäusern, brotlose Kunst, hässliche Frisuren, Unterhemden und viel Regen und Matsch. Der Film pendelt – typisch für Helge – zwischen Kunst und Klamauk hin und her, lässt Kalauer wie „Zwei Meter zwei Mark“ auf hohe Jazz-Kunst stoßen. Auch viel Improvisation fließt in den Film ein, der Ruhrpott wird als Darsteller direkt mit einbezogen und kann sich genau so präsentieren wie er ist. Der beste unter den vier Filmen, sag ich mal so, obwohl ich den dritten noch nicht gesehen habe.
8/10
Take Shelter
Atmosphärisch dichter Apokalypse-Thriller mit einem wiederum extrem überzeugenden Michael Shannon, der direkt an seine Leistungen aus „Bug“ und „My Son, My Son, What Have Ye Done“ anknüpft. Der oft nahtlose Übergang von Visionen und Realität lässt den Film zwar nicht direkt unberechenbar scheinen, verleiht ihm aber eine gewisse Unruhe. Die Szenenwechsel sind ansprechend arrangiert; mitunter setzt der Schnitt ganz starke Akzente, wenn zB. die Höhepunkte der Alpträume kunstvoll mit dem Moment des Aufwachens zusammengeschnitten werden. Die Frage, ob die von nahendem Unheil überzeugte Hauptfigur am Ende Recht hat oder nur ein Opfer von Schizophrenie ist, steht zwar im Raum, sollte aber nicht überbewertet werden, da die Bilder – ähnlich wie bei „Shutter Island“ auch unabhängig davon genug Substanz bieten. Visuell in bedrückenden Grau-, Blau- und Türkistönen gehalten, erinnert „Take Shelter“ auch etwas an „The Happening“, ist aber der inhaltlich deutlich rundere Film.
7.5/10
Wer die Nachtigall stört
Mit Recht ein Klassiker des Justizfilms. Halb aus Perspektive der Kinder erlebt man zunächst eine Atmosphäre, die derjenigen vieler Jugendfilme („Stand By Me“ etc.) ähnelt – das Böse der Welt wird registriert, allerdings von der eigenen Phantasie in ein Gut-Böse-Spiel verwandelt. Je mehr Einblick die Kinder jedoch in den Fall des Vaters bekommen, desto weiter eröffnen sich ihnen die Dimensionen der Erwachsenenwelt: Sie lernen das irrationale Handeln der Gesellschaft kennen, Normen und Regeln, die keinen Sinn ergeben, Unrecht, das vor dem Gericht als Recht verkauft wird. So gesehen handelt es sich auch um einen Film über das Erwachsenwerden und die damit verbundene Erkenntnis, dass das Böse keine greifbare Form hat und deswegen auch nicht immer effektiv bekämpft werden kann. Gregory Peck verkörpert diese Ohnmacht vor dem Justizsystem herausragend, indem er immer sein Wissen über die Welt vermittelt und die Intelligenz, wo er einschreiten kann und wo er sich der Sinnlosigkeit ergeben muss.
9/10
The Man With The Iron Fists
RZA mag das Kung Fu Kino lieben, das nimmt man ihm durchaus ab, doch Liebe und einflussreiche Freunde im Filmgeschäft allein reichen nicht aus für einen guten Film. „The Man With The Iron Fists“ ist der gescheiterte Versuch, aus den Lehrstunden am Set von „Kill Bill“ eine eigenes Werk zu machen. In einem Wust aus Post-Post-Zitaten, Splatterexzessen, Ausstattung und Kostümen geht RZA gnadenlos unter, in seiner Doppeltätigkeit als Regisseur und Hauptdarsteller umso mehr; selten hat sich jemand selbst so blass und uninteressant inszeniert wie er. Da auch der Hauptgegner weit unter allen noch so niedrigen Ansprüchen bleibt, kann RZA von Glück sagen, dass er auf eine beachtliche Nebendarstellerriege blicken kann; vor allem Russell Crowe legt eine saubere Show hin. Er rockt die Hütte gerade deswegen, weil er unübersehbar ein genrefremdes Element darstellt, während Lucy Liu letztlich bloß ihre „Kill Bill“-Routine wiederholt, dies aber wieder sehr ansprechend.
So leer, wie die Szenen aber alle wirken, ist es schier unvorstellbar, dass RZA angeblich sogar einen 4-Stunden-Cut im Sinn gehabt haben soll; gut, dass man Freunde hat, die einem so was wieder ausreden.
3.5/10
Weitere Sichtungen:
Atemlos
Cabin In The Woods
Underworld Awakening
This Night I'll Possess Your Soul
Dredd
Silent Hill 2[/quote]