Urteil zu US-Medienzensur
Let's say fuck again!
Es darf wieder geflucht werden: In den USA hat ein Gericht die Vorschriften gegen Schimpfwörter in Radio und Fernsehen gekippt. Die in der Verfassung garantierte Meinungsfreiheit gehe vor, urteilten die Richter. Die Sender wird's freuen - ihnen drohten bisher horrende Geldstrafen.
Washington/Hamburg - Niederlage für die prüde US-Medienaufsicht Federal Communications Commission (FCC): Die US-Justiz hat Vorschriften gegen Fluchen und andere unanständige Inhalte in Radio und Fernsehen gekippt - und damit ein Urteil bestätigt, gegen das die Zensurbehörde vorgegangen war. Die von der FCC eingeführten Regeln seien "von einer gegen die Verfassung verstoßenden Unbestimmtheit" und verstießen gegen die Freiheit der Meinungsäußerung, entschied ein Berufungsgericht am Dienstag in New York.
Ein Gericht hatte 2006
in erster Instanz festgestellt, dass die geltenden Zensurregeln "eine lähmende Wirkung" auf die Gestaltung von Rundfunkprogrammen hätten, die weit über die anvisierten Obszönitäten hinausgingen. Ausgerechnet Rupert Murdochs als erzkonservativ geltende US-Senderkette Fox war gegen die FCC-Regeln vorgegangen.
Die Vorschriften stammen zu weiten Teilen aus den siebziger Jahren und verbannen eine ganze Reihe von Ausdrücken aus Radio und Fernsehen. Allen Medien, die diese Worte nicht durch einen elektronischen Piepton überlagern, drohen hohe Geldbußen, bis zu 325.000 Dollar. Schon ein einfaches "fuck" zwischen 6 und 22 Uhr reichte für eine saftige Strafe aus - und über Sex sollte man besser gar nicht erst reden (
siehe Fotostrecke).
Der Radiomoderator Howard Stern hat es in einer Karriere mit derben Späßen und deutlichen Worten sogar auf 2,5 Millionen Dollar Strafe gebracht. Deswegen verlegte er seine populäre Sendung 2005 ins Satellitenprogramm - für das die FCC, im Gegensatz zu UKW-Frequenzen, nicht zuständig ist.
"Jeden Tag neue Schimpfworte"
Die FCC machte einen Unterschied zwischen Fiktion wie Kriegsfilmen und anderen Programmen. Demnach waren Schauspielern in Filmen Flüche wie "fuck" erlaubt, Musikern bei einer übertragenen Preisverleihung aber nicht. Nachdem U2-Sänger Bono bei den Golden Globes 2003 "This is really, really, fucking brilliant" sagte, watschten die Aufseher den Sender ab. Und nicht nur Schimpfworte werden bestraft: Weil bei der Übertragung des Super Bowls 2004 für kurze Zeit
die entblößte Brust der Sängerin Janet Jackson zu sehen gewesen war, musste der Sender CBS eine halbe Million Dollar zahlen.
Will die FCC an ihren Zensurregeln festhalten, bleibt ihr jetzt nur noch der Gang vor den Supreme Court. Die Behörde werde die Entscheidung des Gerichts im Lichte ihrer "Aufgabe, Kinder zu schützen" und die Meinungsfreiheit zu verteidigen, prüfen, erklärte der Chef der Medienaufsicht, Julius Genachowski, der durch den demokratischen US-Präsidenten Barack Obama ernannt wurde. Die Organisation Media Access Project, die sich für die Interessen von Zuschauern und für Meinungsvielfalt in den Massenmedien einsetzt, begrüßte die Entscheidung: "Der Spielstand ist jetzt eins (für die Meinungsfreiheit) und null für die Zensur."
Das New Yorker Berufungsgericht betonte allerdings, es halte nur die aktuellen Regeln der FCC für unzulässig. Man habe aber die Arbeit und Zuständigkeit der FCC nicht grundsätzlich in Frage gestellt. "Die englische Sprache enthält viele kreative Arten, Sexualorgane und sexuelle Aktivitäten oder eine Erektion zu beschreiben", erklärte das Gericht. Selbst wenn die FCC eine genaue Liste solcher Worte erstellen wollte, um diese zu verbieten, würden "jeden Tag neue Schimpfworte und unanständige Ausdrücke erfunden".