"The Painted Bird"
Nach dem kaum verdaulichen "Komm und sieh" haut Bildstörung ein weiteres filmisches Schwerstgewicht raus.
Wieviel Missbrauch und Misshandlung kann ein Mensch (ein Kind) ertragen, bis er emotional so abstumpft, daß er kaum noch ein Mensch ist? Diese Frage beantwortet "The Painted Bird" in eindringlichen Bilder. Fantastisch gespielt, hervorragend fotografiert (der Vergleich mit Bela Tarrs Ausnahmewerk "The Turin Horse" drängt sich im ersten Akt auf, auch wenn die Trostlosigkeit dort auf anderer Ebene funktioniert). Auffallend sind der fast völlige Verzicht von Musik und die spärlichen Dialoge, die auf den knapp 3 Stunden Laufzeit kaum ins Gewicht fallen: hier wird wirklich nur gesprochen, wenn es nötig ist (eine Kunst, die Hollywood längst verlernt hat: lass die Bilder sprechen). Hier und da huscht etwas Filmprominenz durchs Bild: Udo Kier, Harvey Keitel, Stellan Skarsgård, Barry Pepper, Julian Sands (schön, den mal wieder zu sehen) in einer mega widerlichen Dreckschweinrolle. Unglaubliches leistet Hauptdarsteller Pert Kotlár, der zu Beginn der Dreharbeiten bestenfalls 10 Jahre alt gewesen sein dürfte, und seine Rolle überwiegend wortlos bewältigt. Hammer, was der kleine Scheißer da abliefert.
Bisweilen trägt der Film etwas zu dick auf, denn die Erfahrungen, die Joska sammelt, sind mehr oder weniger ausnahmslos von Hass, Bösartigkeit und generell von den niedersten menschlichen Trieben bestimmt. Hier wäre weniger vielleicht mehr gewesen. Doch das ist das berühmte Meckern auf hohem Niveau.
"The Painted Bird" ist ein echter Brocken, den man nicht mal soeben nebenbei anschaut. Er nimmt den Zuschauer nicht behutsam an der Hand (es dauert über eine Stunde, ehe man sich den Luxus erlaubt, die Handlung zeittechnisch zu verorten), sondern wirft ihn ins kalte Wasser, so daß er leidet, friert, schwitzt und Schmerzen empfinden. Ganz wie seine bis zur letzten Szene namenlose Hauptfigur.
Großartiges Werk! Danke, Bildstörung.