A Nightmare on Elm Street (1984 - Wes Craven)
10/10
Wes Craven hat den mutigen Schritt gewagt den Terror und die Angst auf eine neue Ebene zu bringen. Diesmal gibt es kein verfluchtes Camp, eine einsame Waldhütte, oder eine Einöde in Texas, wo es nur so von Kannibalen wimmelt. Nein, Wes Craven spielt mit unseren Urängsten und unserem Unterbewusstsein. Und darauf haben wir einfach keinen Einfluss, egal was wir auch tun. Deshalb spielt sein Film in der Traumwelt. In unseren Träumen sind wir verwundbar und hilflos ausgesetzt. Wir können unser Handeln nicht bestimmen. Jeder Schritt den wir machen, ist der falsche. Man kann einfach nicht logisch nachvollziehbar handeln in seinen (Alb)träumen. Und Wes Craven nutzt diese Tatsache gnadenlos aus.
Sein Killer erscheint nur wenn seine Opfer träumen. Nun könnte man sagen: ist doch egal, da er nicht real ist. Aber genau hier liegt der Knackpunkt. Denn wenn du im Schlaf stirbst, stirbst du auch in der realen Welt. Und man MUSS schlafen. Man kann sich dem Killer also nicht entziehen. Dazu kommt noch, dass Wes Cravens Traumwelt äußerst surreal und dadurch auch gleichzeit real erscheint. Wenn Nancy z.B. im Heizungskeller von der Treppe fällt und dann plötzlich in ihren Garten landet, kann ich mich damit sehr gut identifizieren. In meinen Träumen wechselt der Ort auch manchmal schlagartig, obwohl es dafür eigentlich keinen rationalen Grund gibt. Ich habe es auch oft, dass ich plötzlich Personen oder andere Sachen sehe, die vorher definitiv nicht da waren bzw. gar nicht da sein konnten.
Dafür hat Craven auch ein Beispiel und zwar schon gleich in der Eröffnungsszene. Was zum Teufel macht ein Schaf (oder war es eine Ziege?) bitte in einem Heizungskeller??? Daher finde ich es auch gleichzeitig realistisch dargestellt von Wes Craven. Er hat sich offensichtlich mit dem Thema "Träume" sehr beschäftigt.
Craven macht gleich zu Beginn klar, dass der Killer Freddy Krueger, sadistisch und brutal ist. Tinas Mordszene ist anders als alles zuvor gesehene (damals jedenfalls). Sie wirkt unglaublich verstörend, hecktisch, brutal und schonungslos. Spätestens ab dieser Stelle ist man komplett im Film und weiß, dass es noch schlimmer kommen wird und das man den Film auf jeden Fall ernst nehmen sollte.
Sehr effektiv ist auch, dass man Freddy kaum zu Gesicht bekommt. Man sieht ihn nicht gerade oft und wenn doch, dann ist er entweder im Schatten oder man sieht nur einen Teil von ihm. Wenn Freddy z.B. vor Nancy im Heizungskeller steht (in einer Totalen) ist das Licht so sehr gedämmt, dass man den Eindruck bekommt, nur einen Schatten von Freddy zu sehen. Hier lässt Craven wieder einmal unserer Fantasie freien Lauf. Wir sehen nicht wirklich etwas, malen uns aber die schlimmsten Bilder aus. Dieser Effekt wird auch in der Szene genutzt, in der Nancy von ihrer Mutter erfährt wer Freddy Krueger in Wirklichkeit war/ist. Man bekommt keine Flashbacks zu sehen, sondern malt sich die Bilder selbst aus. Daher ist Freddys ganzes Erscheinungsbild auch viel unheimlicher und mystischer, da man eigentlich nichts von ihm weiß, aber trotzdem das Gefühl hat ständig seine Präsenz zu spüren. Wenn man mal sein verbranntes Gesicht sieht, so ist es immer nur von Schatten oder der Dunkelheit bedeckt. Man kann keine genaueren Details erkennen. Auch hier wieder eine Parallele zu unseren eigenen Träumen. Oftmals ist es so, dass man Details nur schlecht erkennen kann, da sie entweder verzerrt, verschwommen oder zu dunkel sind.
Ganz toll finde ich auch, dass Freddy einen rot/grün gestreiften Pullover trägt, denn diese Farbkombination ist für das menschliche Auge am schwersten zu ertragen! Ein weiterer psychologischer Aspekt, den der Zuschauer nicht wirklich aktiv wahrnimmt und wohl gerade deshalb so effektiv wirkt!
Wes Craven hat auch bei der Wahl der Schauspieler ein glückliches Händchen bewiesen. Nancy ist die Protagonisten und ganz klar der Sympathieträger des Films. Sie ist keine typische 08/15 Tussi mit dicken Hupen und einer nervigen Stimme und auch nicht das nette Mädchen von nebenan. Nein, sie ist viel mehr! Heather Langenkamp (die ich übrigens sehr mag) verleiht ihrer Figur einfach ein gewisses Etwas. Sie ist nicht besonders hübsch, aber auch nicht das typische Mauerblümlichen. Sie ist eine Person, die es im realen Leben geben könnte. Ihr Charakter ist so angelegt, dass man sie nicht einfach in eine Schublade stecken kann. Das gibt es wirklich nur ganz selten. Sie ist eine der wenigen, bei denen ich wirklich mitgefiebert habe, wenn sie vom Killer verfolgt wird. Bei den meisten anderen Horrorfilmen sind mir die Protagonisten eigentlich ziemlich egal. Das ist hier aber zum Glück anders. Auch Johnny Depp macht hier eine recht ordentliche Figur. Da ich ihn sehr gerne mag bekommt er nochmal einen kleinen extra Bonus. John Saxon ist ein bekanntes Gesicht und gefällt mir in seiner Rolle auch ganz gut. Er hat zwar etwas wenig Screentime, aber er ist ja auch nur eine Nebenfigur, die erst am Ende etwas relevant wird. Von daher ist das schon zu verkraften.
Der Score zum Film ist phänomenal! Ich habe selten so einen unheimlichen Score gehört. Er untermalt die Szenen perfekt und sorgt für eine einmalige Atmosphäre. Da kann man wirklich richtig Angst bekommen. Und das passiert mir bei Horrorfilmen doch recht selten. Wenn ich einen Film das zweite mal gucke, ist er meisten ganz und gar nicht mehr unheimlich oder spannend. Hier sieht das aber anders aus. Ich habe den Film das erste mal mit 10 Jahren oder so im TV gesehen und werde nie vergessen wie viel Angst ich hatte. Ich konnte echt nicht einschlafen. Auch nachdem ich den Film später das 3. oder 4. Mal gesehen hatte, hatte ich immer noch Angst. Das muss ein Film erstmal schaffen!
Erwähnen möchte ich an dieser Stelle auch die mehr als gelungene Kameraführung. Der ganze Look des Films wirkt einfach nur (alb)traumhaft und deshalb fühlt man sich die ganze Zeit über wie in einem dunklen Sog, aus dem man nicht mehr rauskommt. Die ein oder andere Einstellung sorgt bei mir echt für Gänsehaut und lässt mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen.
Im ganzen Film sterben nur 4 Leute. Das sind doch recht wenig. Doch irgendwie stört mich das kein bisschen. In anderen Horrorfilmen warte ich immer nur geradzu zu darauf, dass der Killer endlich auftaucht und die Leute niedermetztelt. Doch hier fürchte ich mich so sehr vor dem Killer, dass ich wirklich froh bin, wenn er mal nicht da ist! Das zeigt doch ganz deutlich, dass der Film auch ohne einen hohen Bodycount auskommt und in Sachen Horror voll ins Schwarze trifft. Zum Glück gibt es auch überraschend wenig Nacktszenen. Hier wird nicht unnötig rumgepimpert wie in den späteren Fortsetzungen wie z.B. von Friday the 13th. Das lässt den Film realer wirken, obwohl es um einen Traumkiller geht. Diese Tatsache finde ich doch sehr faszinierend.
Eine Szene möchte ich besonders hervorheben. Sie kommt ohne jeglichen Gore aus und setzt bloß auf die typischen Symptome eines Albtraums. Freddy springt aus einem Busch und verfolgt Nancy. Sie kann sich noch gerade eben ins Haus retten und die Tür abschließen. Doch dann kommt das, was wohl jeder schonmal in seinen Albträumen erlebt hat. Nancy will die Treppe hochlaufen doch plötzlich tritt sie nur noch in eigenartige Löcher, die ihr es nicht erlauben weiterzulaufen, da ihre Füße darin feststecken. Es sieht so aus als seien ihre Füße festgeklebt. Man kann in seinen Albträumen oftmals einfach nicht schnell genug weglaufen und bekommt Panik. Man hat das Gefühl als seien die Beine unendlich schwer. Dieses Gefühl wurde absolut authentisch und perfekt in dieser Szene wiedergespiegelt und löst bei mir ein sehr unangenehmes und beklemmendes Gefühl aus. Respekt, Herr Craven!
Somit gibt es eigentlich auch keinen wirklich herausragenden Kritikpunkt meinerseits, lediglich eine kleine Sache, die mir immer wieder etwas sauer aufstößt. Und zwar das Ende. Es ist zwar sehr spannend gemacht und fällt nicht wirklich ab im Vergleich zum Rest des Films, doch trotzdem stört mich jedes Mal wieder diese "MacGyver Szene", in der Nancy unzählige Fallen aufstellt, ihrer Mutter gute Nacht sagt und sich dann ins Bett legt um einzuschlafen. Als diese Montage beginnt hat sie noch 20 Minuten Zeit, doch als sie sich dann ins Bett legt, hat sie immer noch 10 Minuten übrig! Das passt einfach überhaupt nicht. Man hat als Zuschauer (ich jedenfalls) das Gefühl als sei viel mehr Zeit dazwischen vergangen. Daher wirkt das leider etwas künstlich und reingequetscht. Ich denke aber, dass Wes Craven diese Szene aus einem bestimmten Grund in den Film gesteckt hat. Nancy baut die Fallen mit solch einer Präzision und Geduld auf, dass man diese Szene eigentlich nur als extrem starken Kontrast zum vorherigen Geschehen sehen kann. Wie ich schon sagte, ist man in der Traumwelt ausgesetzt und kann nicht logisch handeln bzw. man hat keine Kontrolle. Doch nun will Nancy Freddy in die reale Welt bringen und dort hat sie endlich Kontrolle und nur so kann sie Freddy die Stirn bieten. Deshalb hat Craven diese Szene wohl ins Drehbuch geschrieben, um beide auf eine Ebene zu setzten. Erst hatte Freddy die Oberhand, doch nun kann Nancy die Kontrolle an sich reißen. Imo ein cleverer Gedanke, der leider nur etwas nachlässig behandelt/umgesetzt wurde. Aber noch was zum Ende selber: Es ist eigentlich recht unspektakulär aber zugleich Nancy's schwerste Entscheidung. Sie vertraut auf Glenn's Worte und kehrt Freddy einfach den Rücken zu als er sie aufschlitzen will. Ich habe das oft in Albträumen versucht und es ist mir nie gelungen! Also um das zu tun muss Nancy wirklich einen riesen Schritt wagen und sich komplett fallen lassen (und das in so einer Situation)! Das finde ich wirklich sehr clever von Craven und es wurde super umgesetzt.
Insgesamt ist "Nightmare" ohne Zweifel einer der besten Horrorfilme aller Zeiten und genießt zu Recht solch einen hohen Kultstatus. Die Klamotten und Frisuren mögen zwar stark nach den 80ern aussehen und daher veraltet wirken, aber der Film hat bis heute nichts von seiner Intensität verloren und steckt die meisten neueren Horrorfilme immer noch locker in die Tasche! Von mir gibt es für dieses geniale Meisterwerk 10/10 Punkte!