Nach etwa 20 Jahren seit der Erstsichtung, die mich damals sehr beeindruckte und zur Höchstnote greifen ließ, sah ich mir jetzt den Film in wenigen Tagen zweimal hintereinander an, wobei ich nach der ersten der beiden Sichtungen viele Fragezeichen über dem Kopf hatte. Zusätzlich recherchierte ich noch im Internet und las einiges über den Film inkl. möglicher Interpretationen.
Am verständlichsten – auch wenn man den Film zum ersten Mal sieht – dürfte die Tatsache sein, dass man an einem bestimmten – im Film verhältnismäßig späten Zeitpunkt - erkennt, dass alles bis dahin Gesehene eine Traumwelt darstellte, in der sich die Hauptakteurin, hervorragend gespielt von Naomi Watts, verloren hatte.
In ihrem Traum erlebte sie („Betty“ ) einen schönen Einstieg in Hollywood, mit guten Chancen, im Filmgeschäft zu landen bis hin zu einer Liebesgeschichte mit einer dunkelhaarigen Frau („Rita“), die sich in „ihre“ Wohnung verirrte, nachdem sie einen Unfall erlitten hatte, durch den sie aber auch einem Mordanschlag entkam.
In der zweiten realen Hälfte zeigt sich, dass es „Betty“ (jetzt: „Diane“) gar nicht so gut erging, wie erträumt. In Hollywood war ihr kein großer Erfolg beschieden. Ihre Liebe zu der Dunkelhaarigen, die jetzt „Camilla“ heißt, wurde letztendlich nicht erwidert, und „Camilla“ neigt sich Anderen zu. Außerdem ist „Camilla“ für „Diane“ eine Rivalin, wenn es um die Vergabe von Filmrollen geht, denn beide sind Schauspielerinnen. In ihrer Verärgerung beauftragt „Diane“ einen Mörder, „Camille“ umzubringen, was er letztendlich auch umsetzt und durch ein vereinbartes Zeichen (blauer Schlüssel) bestätigt.
Am Ende erkennt „Diane“ ihr Scheitern und erschießt sich.
Soweit der „leicht verständliche“ Teil – kurz zusammengefasst.
Im relativ kurzen realen 2. Filmabschnitt werden viele Punkte deutlich und schlüssig, die auch in der Traumwelt auftauchten. Man trifft auf Personen und Namen, die man dort schon sah, wenngleich z.T. in anderen Rollen.
Was bleibt sind aber einige Vorkommnisse und die für Regisseur Lynch typische Art und Weise, manches in Szene zu setzen, was surreal wirkt und Rätsel aufzeigt, die nicht einwandfrei entschlüsselt werden können, wenn man sich nicht akribisch damit befasst und noch weitere Sichtungen des Films draufsetzt. Am Ende werden m.E. immer noch offene Rätsel bleiben, weil man sicher nicht alles nachvollziehen und deuten kann, was Lynch hier in seinem Kopf hatte. Ein paar
Beispiele:
- Der Cowboy
- Der im Sessel sitzende Mann, der einem Casting-Gespräch zuhört, welches selbst auch schon sehr speziell ist.
- Die Szenerie im Theater („Silencio“) *
- Der Mann hinter „Winkie’s Diner“ und die Szene mit dem leblos zusammenbrechenden Mann, der Angst vor dem Gesicht des „Monsters“ hatte.
Hier im Thread wurde ja schon zu manchen dieser Punkte etwas geschrieben ….
* In der Theaterszene fand ich übrigens faszinierend, dass ich während des Gesangsvortrages des spanisches Liedes gar nicht mehr daran dachte, dass es eine Playback-Aufnahme sein soll, da der Vortrag in Großaufnahme so aussah, als würde die Dame live singen. Insofern wirkte ihr Umfallen bei weiter hörbarem Gesang sehr intensiv.
Bei meinen Internet- Recherchen stieß ich auf zwei interessante Beiträge, die ich hier verlinke. Wer sich für den Film interessiert, sollte da mal reinschauen. Dort findet man viele Erklärungen. Der zweite Beitrag hat schon einen akademischen Touch, sehr interessant!
https://screenheroes.net/mulholland-drive-interpretation-theorie/
http://www.norbertschultheis.de/Interessen.php?id=34
Auch gibt es ein
Taschenbuch, mit rd. 80 Seiten wohl eher eine Broschüre, dem ich mich aber nicht widmete.
Auch wenn sicherlich nicht alle Fragezeichen geklärt werden können, vermittelt der Film eine hohe Faszination und tolle Atmosphäre (vor allem auch in den Szenen, die durch Angelo Badalamenti musikalisch umrahmt werden. Nebenbei: Der Komponist spielt ja übrigens in einer kleinen Rolle im Film mit --> Mafiosi, der den Espresso ausspuckt.)
Dass am Ende noch Lücken bleiben, stört mich in diesem Falle nicht. Vielmehr hinterlassen diese einen mystischen Eindruck, der Spielraum für weitere Beschäftigung mit dem Werk lässt, wenn man denn will.
10/10
Hinweis: hinsichtlich Prostitution von „Diane“ bzw. von einem Auftreten der Großeltern von Betty/Diane – zwei Punkte, die hier im Thread angesprochen werden - konnte ich nichts ausmachen.