Doctor Who – Staffel 9
- Spoiler inklusive -
„Den Doktor gibt es nicht mehr. Jetzt habt ihr es mit mir zu tun.“
Auch im neunten Jahr seit seiner TV-Wiederbelebung ist der Doktor, in mittlerweile Ausführung Nr. 12, unterwegs, um in seiner blauen Notrufschachtel schräge Abenteuer zu erleben. Begleitet wird er von der Partnerin, die ihm von allem wohl am nächsten stehen dürfte: Clara Oswald, die ihm mit Rat, Tat und Bewunderung zur Seite steht.
So weit, so gut bzw. schlecht, denn Staffel 9 hat hier und da mit deutlichen Problemen zu kämpfen, die nicht mal so sehr mit dem eigentlichen Inhalt zu tun haben, sondern auf Entscheidungen basieren, die hinter den Kulissen getroffen wurden. Der Leidtragende ist der Zuschauer, doch dazu später im Text.
Kommen wir zunächst zum Besten, was Staffel 9 ausmacht. Und das kann man klar mit zwei Worten zum Ausdruck bringen – Wort 1: Peter. Wort 2: Capaldi. Auch wenn er seinen Charakter im Vergleich zu S8 um 180 Grad wendet (der Doktor ist nun kein arroganter, menschenhassender alter Sack mehr, sondern ein cooler Rock’n’Roller mit Sonic-Ray Ban, der öfter mal auf seiner Klampfe zupft), ohne dafür besondere Gründe auszuführen, dreht Capaldi als Doktor in seinem zweiten Jahr richtig auf. Er ist deutlich zurückhaltender, wenn es darum geht, seinem Umfeld dessen Unterlegenheit in allen Belangen auf’s Brot zu schmieren, was mit einer merklich düsteren Gesamtwahrnehmung der Welt gegenüber seinerseits einhergeht. Fast schon Eccleston-Niveau, nur das Capaldi neuerdings auch gerne mal knuddelt. Das funktioniert erstaunlich gut. Capaldi punktet hier auf ganzer Linie und gibt einen richtig, richtig guten Doktor ab. Zu meckern gibt’s da nicht viel.
Clara ist da. Irgendwie ist sie einfach da. Einen charakterlichen Hintergrund bekommt sie nicht mehr, jedes Privatleben hat sie offenbar auch aufgegeben und ist nun nur noch ganz und gar für den Doktor und die gemeinsamen Reisen da. Die Chemie zwischen Jenna Coleman und Peter Capaldi bzw. ihren Rollen ist eindeutig stimmiger als noch in S8 (hier hab ich mich manchmal gefragt, warum sie überhaupt noch bei ihm bleibt, so wie er mit ihr umspringt). Die deftigen Auseinandersetzungen, die sie früher hatten (und die letzten Endes allesamt ohne irgendwelche Konsequenzen geblieben sind), gehören nunmehr der Vergangenheit an, was das Spiel der beiden zwar harmonischer macht, aber gleichzeitig auch bedeutet, dass es keine Reibungspunkte mehr gibt und Clara mehr oder weniger kommentarlos alles akzeptiert, was der Doktor so vom Stapel lässt. Nun ja, man kann wohl nicht ewig miteinander streiten und trotzdem gemeinsam durch das Universum jagen.
Missy schaut mal wieder vorbei und ist für ein paar makabere Gags und wirklich fiese Sprüche zuständig. Sie hat mir deutlich besser als in S8 gefallen, wo sie teilweise ziemlich genervt hat; mich zumindest.
Fazit Pluspunkte:
Capaldi – großartig.
Coleman – okay.
Missy – richtiger Weg.
Das ganz, ganz große Problem von S9 liegt an anderer Stelle. Hierfür können weder Moffat, noch seine Autoren, noch sein Team, noch die Darsteller etwas. Schuld hat die BBC, denn die hat 2015 einen Sparkurs verordnet, was im Endeffekt bei „Doctor Who“ darauf hinausläuft, dass es bis auf zwei Ausnahmen lediglich Zweiteiler zu sehen gibt. Für Doppelepisoden gibt es seit jeher zwei Gründe: künstlerische, weil man das Geschehen nicht in einer Folge unterbringen kann (der Aufbau dieser Episoden fällt dramaturgisch entsprechend völlig anders aus) oder eben Sparmaßnahmen, die manchmal nötig sind, um das Budget einer Staffel niedrig zu halten, da man mit einem Zweiteiler quasi zwei Episoden zum Preis von einer bekommt. Ist ja auch legitim, sollte aber dann doch die Ausnahme bilden und nicht zur Regel werden. Rod Sterling ist seinerzeit mit der vierten „Twilight Zone“-Staffel auf die Nase gefallen (hier wurde mal eben die Spielzeit der Episoden von knackigen 25 Minuten auf unsägliche 50 aufgestockt, ohne dass die Autoren in der Lage gewesen sind, mit der Mehrzeit praktisch etwas anfangen zu können), und Moffat erlebt nun mit dieser „Doctor Who“-Staffel dasselbe: die Folgen sind schlicht doppelt zu lang, wie sie sein sollten, und haben einfach nicht genug Handlung, um ihre über neunzig Minuten zu füllen. Das bedeutet Gelaber, sinnlose Szenen, die für den Fortgang der Ereignisse keinerlei Bedeutung haben, und noch mehr Gelaber und sinnlose Szenen, die für den Fortgang der Ereignisse keinerlei Bedeutung haben plus noch mehr Gelaber etc. pp. Das zieht die Staffel ordentlich nach unten, das ist langweilig, das ist frustrierend.
Vor allem aber macht es S9 unglaublich durchwachsen (S8 war wenigstens konsequent durchschnittlich), so dass man bei einer Insgesamtbewertung auch noch aufpassen muss, die echten Highlights zu berücksichtigen, die es endlich wieder gibt (in S8 glänzten die ja noch durch Abwesenheit). Und wie es die gibt: „Das Schattenquartier“ ist die Einleitung des Finales, faktisch die Eröffnung eines Dreiteilers, praktisch eine Einzelepisode, die richtig reinhaut. Eben weil das Pacing hier stimmt und man nicht bloß Kohle sparen musste. Clara Oswald wird ein emotionaler Abgang spendiert, der zwar nicht ganz so herzergreifend wie der Abschied der Ponds gerät (sorry, aber bei Amys letzten Worten – ihrem eigentlichen „Raggedy Man… Good bye“, nicht dem späteren Brief – musste ich mir seinerzeit ein kleines Tränchen wegdrücken – verdammter Murray Gold, der hier gemein manipuliert hat!), aber seine Wirkung dennoch nicht verfehlt. Nahtlos geht es dann gleich mit „Die Angst des Doktors“ weiter, eine weitere absolute Hammerepisode, die Peter Capaldi nahezu komplett im Alleingang beschreitet und die einem, wenn klar wird, was da eigentlich abgeht, durchaus die Kinnlade runterklappen lässt (meine Freundin fand diese Episode übrigens öde, ich hingegen war einfach nur begeistert), ehe es dann zum eigentlichen Finish geht.
Okay, hier bin ich dann doch etwas gespalten: Claras Rückkehr ist einerseits so unnötig wie ein Kropf (womit man noch leben könnte), dann führt es jedoch zusätzlich noch ihren Heldentod komplett ad absurdum. Seit Jahrzehnten ist kein Companion mehr gestorben, das wäre hier eine sehr gute Möglichkeit gewesen, einen wirklich emotionalen Schlusspunkt unter die Akte Clara Oswald zu setzen. AAAABER (hier muss nun natürlich ein Aber kommen): wie ihre Rückkehr gestaltet wird und dass sie nun einen zweiten Abgang aus der Serie machen darf, ist wirklich schön gelungen, so dass ich Steven Moffats Inskonsequenz mal wohlmeinend übersehe.
So bleibt unterm Strich eine extrem durchwachsene Staffel zurück, die zu ¾ gar nichts taugt und erst im dreiteiligen Finale die Kurve kriegt, für mich die bis dato schwächste Staffel der ganzen Serie, durch deren zähe Episoden sich man einzig und allein wegen Peter Capaldi quälen mag, ehe man dann mit einem schönen Abschluss beschenkt wird – falls man bis dahin durchgehalten hat.
Hoffentlich geht es im zehnten Jahr wieder aufwärts. Es ist vielleicht auch gar nicht schlecht, dass Moffat aussteigen wird. Nur Peter Capaldi muss uns noch etwas erhalten bleiben.