Mit „Die 39 Stufen“ erreicht auch Hitchcock die nächste Stufe, denn dies ist ein Prototyp für sein weiteres Schaffen. Der zu Unrecht beschuldigte, der auf eigene Faust ermittelt ist hier in seiner Reinform zu sehen.
Auf jeden Fall. Ein super spannender Anfang als Hannay durch Zufall auf die Spionin Annabell Smith, übrigens auch sehr gut gespielt von
Lucie Mannheim, trifft und obwohl erstmal nicht viel passiert eine unheimliche Spannung aufgebaut wird, weil man direkt merkt das diese Frau etwas mysteriöses an sich hat. Was mir besonders in seinen älteren Filmen jetzt auffällt, das Hitchcock zwar immer auch sehr hübsche Frauen in seinen Filmen hatte, sie aber nie nur "hübsches" Beiwerk waren und die eigentliche Story nur von der männlichen Rolle getragen wurde, sondern sie auch sehr häufig zur Handlung beigetragen haben und sie teilweise sogar maßgeblich beeinflusst haben. Ein Aspekt der sicherlich in dieser filmischen Epoche nicht selbstverständlich war. Es gibt viele starke Frauenrollen in seinen Filmen, natürlich auch immer in Hinblick auf die Entstehungszeit zu sehen, aber alleine auch diese Figur der Annabell ist es mir wieder sehr aufgefallen. Im Roman war die Rolle männlich, in Hitchcock´s Fassung eine Frau und es hat hervorragende funktioniert!
Zusätzlich haben wir einen „MacGuffin“ und eine abenteuerliche Romanze plus humorige Einlagen.
Auch hier zeigte Hitchcock wieder, dass er es definitiv meisterlich beherschte die Genres zu mixen und aus jedem das Beste für seinen Film herauszu holen. Natürlich hätte der Film sicherlich auch als ernster Thriller funktioniert, aber alleine die Tatsache wieder Humor mit einzubauen und dazu sogar noch eine Romanze, ohne das diese zuviel Raum des Filmes einnimmt, fand ich sehr gut.
Man spürt auch immer sehr, dass er wirklich eine große Freude daran hatte spitzbübisch die Grenzen auszuloten und Dinge an der Zensur vorbei, oder wie in diesem Fall sogar bewusst zu zeigen das er sich darüber sehr bewusst ist das er sich in "Grauzonen" bewegte. Ich spiele dabei auf die Szene der beiden Vertreter im Zug an die schwärmerisch sich über die neusten Dessous aus der aktuellen Kollektion unterhielten und sie sich auch zeigten. Alleine die Aussage, dass es schöner wäre sie angezogen an Damen zu sehen, erzeugte natürlich ein Bild im inneren Auge des Zuschauers. Aber natürlich, hätte Hitchcock dies gezeigt, wäre das für 1935 definitiv zu viel des Guten gewesen. Aber dennoch hat er mit diesem Dialog und der offenen zur schau Stellung der Dessous definitiv die Phantasie des Zuschauers angeregt. Aber gegen diese Szene konnte die Zensur nichts machen, da man ja keine halbnackten Damen sah, zumindest nicht auf dem Filmmaterial.
Auch die immer wieder verwendete Zugfahrt ist hier zugegen und allein deshalb ist der Film für jeden Hitchcock-Interessierten Pflichtprogramm.
Die komplette Sequenz im Zug hat mir sehr gut gefallen. Wie gewitzt Hannay hier vor der Polizei immer flüchtete und natürlich auch das tolle erste Treffen mit Pamela.Auch hier wieder eine starke Frauenrolle. Anstatt sie seinem Charme erliegt und ihn gegenüber der Polizei deckt, verrät sie ihn weil sie sich natürlich von seinem Kuss und dem plumpen Überfall total überrumpelt und natürlich auch angewiedert fühlte. Das änderte sich dann ja noch im Laufe des Films, aber auch hier wieder ein toller RomCom Moment wo der/die männliche und weibliche Hauptperson aufeinandertreffen und es nicht sofort Liebe auf den ersten Blick war.
Das, was „BIP“ mit ihren Auftragsarbeiten nur teilweise geglückt ist, schaffte „Gaumont Pictures“ hier im zweiten Versuch. Den absoluten Durchbruch auf dem internationalen Markt!
Für mich liegt das darin begründet, das man ihn hier einfach machen lassen hat und zusätzlich, weil er diesen Film auch wollte. Die literarische Vorlage, beindruckte Hitch bereits in seiner Jugend, denn um den Protagonisten John Hannay, gab es eine ganze Reihe. Hitchcock trug auch immer den Gedanken mit sich, eine weitere Verfilmung, um diese Figur zu inszenieren, aber dazu kam es nie. Er schrieb mit seinem Drehbuchautor Charles Bennett, die Geschichte um und erweiterte sie um Humor und Romantik.
Das sehe ich auch so und dies spürte man ja auch bereits bei
Der Mann, der zuviel wusste das Hitchcock hier sich viel mehr austoben konnte und sich nicht mit einer handvoll Ideen begnügen musste die er irgendwie versuchte in den Film einzubauen, aber im Grunde der Film eine andere Sprache sprechen sollte. Der Wechsel zu Gaumant Pictures war also wirlklich für Hitchcock ein absoluter Glücksgriff, da er hier genau die Filme machen durfte die er auch wirklich machen wollte und nicht immer in seinem kreativen Schaffen durch irgendwelche Auftragsarbeiten unterbrochen wurde.
Die komplette Narrative des Films ist fantastisch und es macht mir immer große Freude ihn zu sehen, da mir auch die komplette Mischung gefällt. Dazu liefert er tolle Ideen mit der Kamera und obendrein einige technische Kabinettstückchen. Auch wenn es natürlich zuvor bereits großartige Arbeiten von ihm gab, ist dies möglicherweise die Geburt des „Hitchcock-Films“.
Mir hat der Film auch sehr gut gefallen. Natürlich hat er mich unweigerlich an
Der unsichtbare Dritte erinnert, den ich wirklich über alles Liebe! man spürt aber einfach schon das vieles, was er später noch verfeinert hat, bereits in
Die 39 Stufen erfolgreich umgesetzt wurde!
Was die Geburt des Hitchcock Films angeht so bin ich da nur bedingt bei Dir, da er für mich dies bereits mit
The Lodger und
Blackmail definitiv geschaft hatte. Zwei wahnsinnig starke Filme! Aber natürlich gehören auch
Die 39 Stufen zum absoluten Pflichtprogramm. Mir hat er damals bei meiner Erstsichtung schon gefallen aber ich spüre einfach, jetzt wo ich mich mitten drin in einer Sichtung aus dieser Epoche seiner Schaffenszeit befinde, wie viel intensiver ich diesen Film erlebt habe. Der ist bei meiner jetztigen Sichtung definitiv gewachsen!
In meinen Büchern wird auch ausführlich beschrieben das Hitchcock bei dem Film mehr wert darauf gelegt hat ihn
"am laufen" zu halten und sich der Tatsache bewusst war, das es eigentlich keine große Story gab und anstatt mehr über die mysteriösen Hintergründe der Organisation zu erfahren, man als Zuschaue nur sieht wie Hannay von Location zu Location auf der Flucht vor den Behörden und der Geheimorganisation sich befindet. Aber genau das macht den Reiz dieses Filmes aus und lässt ihn auch sehr groß und abenteuerlich wirken. Auch hier musste ich an viele unzählige modernere Filme denken die nach genau diesem Muster aufgebaut sind.
Übrigens würde ich gerne, neben Annabell und Pamela eine dritte starke Frauenrolle in dem Film erwähnen und zwar Margaret Crofter, auch wunderbar gespielt von
Peggy Ashcroft. Natürlich verkörpert sie nicht die Powerfrau schlechtin, aber ich fand es dennoch sehr beeindruckend das Hitchcock ihren Charakter so anlegte, das sie Hannay geholfen hat, in dem Wissen das es ihrem Mann missfallen wird. Genrell eine sehr starke Sequenz. In meinem Hitchcock Buch wird diese Sequenz auch sehr gelobt, was ich so auch unterschreiben kann. Es wird davon gesprochen das es eine sehr starke Szene ist, die auch als Stummfilm sehr gut funktioniert hätte. Dem kann ich auch nur zustimmen. Ich lese die Kapitel immer erst nachdem ich den Film gesehen habe, da ich mich natürlich nicht spoilern will. Tatsächlich kam mir bei meiner Sichtung ein ähnlicher Gedanke, weil sie sehr gut ohne Worte funktioniert. Der Zuschauer weiß warum es geht, das sie ihn auf Grund des Zeitungsartikels erkannt hat und sie über etwas ganz anderes reden als das, was der eifersüchtige Ehemann von draußen durch das Fenster meint zu sehen. Wenn man das nicht wüsste, sieht es natürlich auch wie eine Annäherung aus in der Beide kurz davor sind sich zu küssen.
Bei der letzten Frau - Pamela - gespielt von der wundervollen
Madeleine Carroll funkt es dann gewaltig zwischen ihr und Hannay, obwohl die Lovestory nicht im Mittelpunkt steht. Dennoch spürt man die Chemie zwischen den Beiden. Was mir aber auch aufgefallen ist, dass ich noch nicht mal sagen kann das ich sie hier als weiblichen Konterpart unbedingt meilenweit vorne gesehen habe. Keine Frage ihre Rolle und Darbietung war super, aber ich glaube es wäre auch gut geworden wenn Hannay und Annabell oder Hannay und Margret den Film über auf der Suche nach der Wahrheit gewesen wären. Natürlich hätte es dann ein paar Drehbuch Änderungen geben müssen, aber denkbar wäre es für mich gewesen. Was natürlich zum einen für die gute Inszenierung spricht, aber auch das tolle Spiel der
Darsteller*Innen spricht, aber auch für die Qualität von
Robert Donat der mir auch ausgesprochen gut gefallen hat.
Ich fand auch die Idee mit Mr. Memory sehr gut. Nicht nur weil es ein Element war welches Hitchcock aus einem so ähnlich erlebten privaten Erlebnis mit eingebaut hat, sondern weil es auch ein toller Kniff war wie er zum Schluss hin recht schnell und dennoch erklärend aufdecken konnte was
Die 39 Stufen sind und was sie genau so gefährlich für England gemacht hätten, wären diese geheimen Informationen außer Landes gegangen. Natürlich hatte man den ganzen Film über die Hoffnung das man hier noch mehr über diese Organisation erfährt, aber das hätte zum einen den Rahmen gesprengt und vielleicht sogar etwas von dieser tollen Dynamik, die Hitchcock mit der sehr episodenreichen Darstellung der Geschichte erzeugt hat. Übrigens hatte ich auch hier genau dieselbe Einschätzung, die dann später beim Lesen der Bücher bestätigt wurde, das Hitchcock bewusst gewisse Dinge der Dynamik wegen nicht zeigte sondern dem Zuschauer überlassen hat sich dieses vorzustellen.
Mir hat der Film also auch sehr gut gefallen, wobei ich
Der Mann, der zuviel wusste, minimal stärker fand.