Nina erscheint als super-ehrgeizige, in der geistigen Entwicklung zurückgebliebene Ballett-Tänzerin. Sie lebt als Mittzwanzigerin immer noch in einem rosa-weißen Kinderzimmer in der Wohnung ihrer allein erziehenden Mutter, die allabendlich ihre Spieluhr aufzieht (natürlich wird ein Thema aus "Schwanensee" gegeben) inmitten von weißen Plüschtieren und einer Tapete mit rosa Schmetterlingen. Sie gilt als frigide und verkrampft, ist noch Jungfrau (Ist ja klar, bei so einer!) und schläft noch immer in ihrem Kinderbettchen. Außerdem ist sie wegen ihres schlimmen Daseins psychisch so gestört, dass sie sich die Schulterblätter blutig kratzt und schleichend wahnsinnig wird. (Ist all das nicht genau das, was wir uns unter einer solchen karrieregeilen Tänzerin gerne vorstellen? Frei nach dem Motto: Irgendeinen Defekt müssen die doch haben, mit ihrer Karrieresucht, ihrem Perfektionswahn und ihrer grenzenlosen Strebsamkeit!) Ihre Mutter ist sogar noch ehrgeiziger, denn sie war (natürlich) selbst früher eine Ballett-Tänzerin, die aber ihre Karriere aufgrund einer Affäre mit dem "Boss" aufgeben musste. (Natürlich entstand aus dieser Affäre die arme kleine Tochter: Das kennt man ja!) Und jetzt triezt diese böse Mutter (natürlich) ihre kleine Tochter in eine Profikarriere hinein, nur damit das Kind einmal das erreicht, was seiner Mutter verwehrt blieb. Sie beherrscht das arme Kind, versucht, es von bösen, fremden Einflüssen fernzuhalten, backt ihm riesige rosa Ballett-Torten, schließt es in der Wohnung ein und hilft ihm gar beim Ausziehen. (Ist das nicht die Sorte Stories aus der man Groschenromane und öde Vorabendserien strickt?) Und erst dieser Ensemble-Chef, dieser Thomas! Was ist das nur für ein schlimmer Kerl! Okay, er hat einen gewissen Charme. Aber er geilt doch bloß auf die Tänzerinnen und versucht sie allesamt (wahrscheinlich gleichzeitig - einfach unerhört!) ins Bett zu kriegen. (Man kennt das ja: Da wird nicht die beste Tänzerin die Primaballerina, sonder die, na Sie wissen schon...)Aber es naht Rettung, denn es erscheint gerade rechtzeitig die schöne Lily, ebenfalls Tänzerin, die alle im Ensemble verzaubert, obwohl sie mit der Technik des Balletts auf Kriegsfuß steht. (Aber man muss ja nicht gut tanzen können in einem hochrangigen New Yorker Ballett. Sowas denken ja bekanntermaßen nur die, die von Ballett keine Ahnung haben!) Ihre mangelnde Perfektion verzeiht das Ensemble ihr, denn sie ist ja hübsch und lebendig, nicht verkrampft, nicht frigide und überaus sexy und kokett. Und sie hat ja ein riesiges Tattoo in Form schwarzer Flügel auf dem Rücken. (Auch wenn es so scheinen mag: Das Tattoo ist natürlich kein Hindernis für eine Karriere als Top-Balletteuse! Sieht doch schön aus, wie es durch das weiße Trikot scheint und so einen schönen Kontrast zum weißen Tütü abgibt.) Jedenfalls - wie in einer billigen Komödie - kloppen sich die beiden Mädels um die Hauptrolle in Schwanensee. (Diesmal sollen beide Schwäne von nur einer Tänzerin getanzt werden. Wozu das gut sein soll, weiß außer dem Boss wohl niemand!) Und diese Konkurrenz zwischen den beiden Tänzerinnen macht ja schließlich erst die tolle Action möglich. Und das ist keine normale Konkurrenz (nein-nein!), die Mädels balgen sich richtig (mit Blut!) und die eine mördert die andere sogar! Am Ende kriegt Nina jedenfalls doch die Rolle, tanzt beide Schwäne und alle beugen sich stolz und glücklich über sie, als sie mit einer großen Bauchwunde blutend auf der Matte liegt. Natürlich haben die Tänzerinnen und Tänzer und auch Thomas bei der Premiere nichts Besseres zu tun, als sich hinter der Kulisse über Nina zu beugen und sie zu fragen, wie es ihr denn so geht. Das Premierenpublikum stört’s auch nicht. Sollen die sich doch kümmern, wo die Primaballerina doch eine so unschöne tiefe Bauchwunde hat und blutbesudelt von der Rampe taumelt. (Die Show muss weitergehen - das kennt man ja - auch wenn die Hauptrolle eigentlich ins Krankenhaus gehört. So ist das halt bei Premieren.)