AW: Zuletzt gesehen
The Wire - Season 2
Neue Staffel, neuer Fall: Die Antagonisten der ersten Staffel sieht man nun mitunter im Gefängnis, die Abhörspezialisten der Polizei konzentrieren sich nun vielmehr auf den illegalen Transporthandel an Baltimores Hafen. Entsprechend geraten viele neue Charaktere in die Handlung. Viele von ihnen werden sehr charismatisch gezeichnet und hinterlassen deswegen tiefere Eindrücke als manche Figuren der Vorgängerstaffel, wirken deswegen aber auch eine Spur überzeichnet und lassen die Handlung etwas vorhersehbar erscheinen; dass jemand wie Chester Sobotka (James Ransone) irgendwann in ein Desaster rennen würde, war beispielsweise abzusehen. Der Handlungsstrang ums Gefängnis nimmt nur sehr wenig Raum ein und lässt den Eindruck aufkommen, dass er nur irgendwie nebenbei abgehandelt wird, um die Figuren im Spiel zu halten, zumal sich nur wenige Kreuzpunkte mit dem Hafenplot ergeben. Dennoch bleibt „The Wire“ die packende Serie, die eher auf Understatement setzt und die Höhepunkte umso präziser setzt.
8/10
30 Rock - Season 4
Keine Verschleißerscheinungen am 30 Rockefeller Plaza. Das Konzept dosenpublikumsfreier Sitcom wirkt immer noch frisch und unverbraucht, ebenso wie die nach wie vor sehr spielfreudige Stammcrew, in deren Mitte Tina Fey wie die überforderte Kindergartenmama wirkt. Auf eine immer wieder unvermittelte, trockene, plötzliche Art und Weise ist „30 Rock“ saukomisch, diesmal auch mit ausgeweiteten Gastauftritten von Leuten wie Matt Damon (verspricht aufgrund der Schlussfolge, auch in Season 5 wieder dabei zu sein) oder Julianne Moore, die auch etwas Kontinuität einbringen und die sehr slapstickhaften und unzusammenhängenden Einzelepisoden etwas verknüpfen.
8.5/10
Permanent Vacation
Autobiografisch angehauchtes Debütwerk der Indie-Legende Jim Jarmusch. Mit Off-Kommentar der Hauptfigur untermalt zeigt Jarmusch Insidereindrücke seiner Stadt New York. Der Film beginnt mit raschen Wechseln einer überfüllten Metropole und den ruhigen, menschenleeren Seitengassen hinter den hohen Bauwerken, um letztlich auf der ruhigen Seite zu bleiben und in einem versifften Apartment auf den Protagonisten zu treffen, der sich wie in einem wandelnden Traum wähnt, der niemals zu enden scheint; als Erlösung winkt für den Sohn eines unbekannten Vaters und einer verrückt gewordenen Mutter nur die Auswanderung in ein anderes Land.
Jarmusch gelingt es noch nicht ganz, die bereits sehr episodenhaft wirkenden Einzelszenen (dass es Jarmusch später häufig zum Episodenfilm zog, schlägt sich hier bereits nieder) harmonisch zu arrangieren; oft verharrt er zu lange in einer Sequenz, so dass er Langeweile provoziert, oder schneidet interessante Momente nur kurz an, was wiederum Unbefriedigung erzeugt. Andererseits gelingt es ihm durchaus, verschiedene Fragen aufzuwerfen, und eine gewisse Poesie geht den Bildern der New Yorker Hinterhöfe auch nicht ab. „Permanent Vacation“ ist Jarmuschs mit Abstand am wenigsten ausgereifter Film, aber das Potenzial für die späteren Meisterwerke gibt er immerhin schon zu erkennen.
6/10
Mystery Train
Die wohl schönste Liebeserklärung, seit es Memphis gibt. Jim Jarmusch verknüpft die Einzelschicksale dreier Personengruppen – eines chinesischen Touristenpärchens, einer italienischen Frau, die sich von ihrem Freund trennen möchte und jenes Freundes, der gemeinsam mit seinem beiden Kumpels durch die Nacht zieht und Scheiße baut – im Episodenstil miteinander, und doch wirkt „Mystery Train“ nicht wie gestückeltes Episodenwerk, sondern dem Titel gemäß wie eine fließende Verbindung von Einzelteilen, die in Elvis’ Stadt zusammenkommen. Die entweder im Zwielicht oder bei Nacht eingefangenen Aufnahmen der Stadt sehen einfach nur brillant aus – ein zerfallenes Kino, ein fast menschenleerer Platz und ein heruntergekommenes Hotel, alles im mit Atmosphäre pur bestickten Südstaatenflair. Der Film ist voller kleiner Details, die das vermeintlich schlafende Nest, deren Vorzeigehöhepunkte wie Graceland nur in Gesprächen vorkommen, zum Leben erweckt – Orte, die von den Personen mehrmals besucht werden und jeweils andere Details offenbaren, die Bilder von Elvis Presley an den Wänden der Hotelzimmer, deren Portiers auch aus „Four Rooms“ stammen könnten, ein Radiosender, der Tom Waits’ Stimme erklingen lässt und die großen Memphis-Legenden aus Jazz und Blues ankündigt. Alles verbunden lediglich durch vorbeifahrende Züge und einen einzelnen Schuss mitten in der Nacht. Großartiges, poetisches Kino.
9/10
Ein riskanter Plan
Einer der Filme, bei denen die Konstellation wesentlich mehr hergibt als die Umsetzung. Auf dem Papier ist alles ausgefuchst arrangiert, so dass nicht zuletzt wegen der „Phone Booth“-ähnlichen Hochhausdachspannung viel versprochen wird, das meiste geht nur leider in oberflächlichem Thrill und flach geschriebenen Charakteren unter,d ie noch dazu von überwiegend profillosen Darstellern verkörpert werden, sieht man mal von Ed Harris ab; insbesondere Sam Worthington ist mal wieder ein Ausbund an Ausdruckslosigkeit und man fragt sich immer wieder aufs Neue, worin eigentlich sein Kredit besteht, immer und immer wieder Filme drehen zu dürfen.
5/10
Jericho Mansions
Nettes kleines Whodunit, ein typischer Schizo-Thriller nach Hitchcock-Schablone mit der typischen vertrauten Mietshausvertrautheit. Aufwändige, freischwebende Kamerafahrten geben der Vertrautheit auch stilistisch ein Gesicht, budgetbedingt wird man durch die ambitionierten Freiflüge aber etwas aus der Atmosphäre gerissen, denn man erkennt ziemlich deutlich, dass die Bretter und Rohre zwischen den Hauswänden computeranimiert sind. James Caan kann auch mal hilflos und schüchtern sein, allerdings macht der Film keinen Hehl daraus, dass mit dem verschlossenen Hausmeister etwas nicht so ganz stimmt. So geht der Plot wenig überraschende Umwege über aufgebauschte Plottwists, die das seltsame Mietshaus und dessen Bewohner wieder in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Kann man sich mal gut geben, gehört aber in die Stephen-King-B-Movie-Ecke zu den anderen Filmen, die man sich nicht mehr wieder ansehen wird.
4.5/10
La Vie En Rose
Sehr komplexes, ungewöhnlich arrangiertes Portrait der französischen Chanson-Sängerin Edith Piaff. Der Film beginnt im Alter, geht dann in die Jugendjahre, wechselt wieder ins Alter und hangelt sich dann chronologisch von einer Phase zur nächsten, bis man wieder im Alter angekommen ist. So werden kausale Zusammenhänge verständlich gemacht und anschaulich erklärt, wie Piaff zu der Person wurde, die sie am Ende war, wie sie durch ihre Lebensbedingungen als Kind, durch den plötzlichen Erfolg und die privaten Schicksalsschläge geprägt wurde. All das wirkt nicht aufgesetzt, sondern durchaus schlüssig; einzelne Szenenmontagen wie diejenige, in der Piaff verzweifelt durch ihre Wohnung läuft, eine Tür aufreißt und plötzlich vor dem Publikum auf der Bühne steht, wirken bei all der künstlerischen Freiheit, die man sich hier gewährte, durchaus meisterhaft. Marion Cotillard spielt Piaff sehr akzentuiert, während ihre Maske leicht übertrieben wirkt; vergleicht man sie jedoch mit realen Aufnahmen der Piaff, muss man diesen Einwand wieder beiseite schieben – die Ähnlichkeit ist gerade in ihrer vermeintlichen Übertriebenheit verblüffend.
8/10