AW: Verspieltes - Was zockt ihr momentan?
Gestern beendet:
Catherine
Tetris 2.0 mit ungewöhnlicher Manga-Rahmenstory? Klingt nach wagemutigem Independent-Geist. Und der sorgt für reichlich Verwirrung, denn während sich das Spielprinzip avantgardistisch gegen alle bestehenden Konventionen richtet, schlägt die Story radikal konservative Töne an: Auch wenn man die Wahl hat zwischen der festen Beziehung und dem Abenteuer, so schlägt das Herz der Macher unterschwellig doch meist für die Beziehung, und man wird für den sicheren Weg mit Katherine moralisch betrachtet (nicht spielerisch) doch eher belohnt als für das Abenteuer mit Catherine. Überhaupt ist die permanente Schwarzweiß-Gegenüberstellung nicht gerade dazu geeignet, ein differenziertes Bild von Liebesdingen zu zeichnen, es handelt sich eher um eine comichafte Überzeichnung.
Das schließt atmosphärisch intensive Zwischensequenzen und eine Menge Humor jedoch keinesfalls aus: Alleine die Idee, einen gehörnten (geknechteten?) "Helden" in Boxershorts zu spielen, ist umwerfend, ganz zu schweigen von dem starren Schielblick, der die Hauptfigur tatsächlich einem Schaf gleichen lässt.
Im Wesentlichen teilt sich "Catherine" in zwei spielbare Abschnitte auf: Einmal das rollenspielartige Abgehänge im "Stray Sheep", der Stammkneipe der Spielfigur, wo er sich mit seinen Kumpels unterhalten, etwas trinken und mit anderen Kneipenbesuchern reden kann - aber nicht muss. Wenn man möchte, steht man jederzeit einfach auf, verlässt die Kneipe und stellt sich wieder der eigentlichen Herausforderung, dem Erklettern eines Berges von Bauklötzen, die man strategisch verschieben muss, um auf die nächste Ebene zu gelangen, bevor der Boden weggebröckelt ist. Die Kletterei ist Sinnbild der Alpträume der Figur, die sich aus den Ereignissen in den Zwischensequenzen ergeben und in den Gesprächen in der Bar vertieft werden - man sollte sich in der Bar also durchaus so viel wie nur möglich unterhalten, denn Querbezüge ergeben sich die ganze Zeit, was überhaupt eine der großen Qualitäten des Spiels ist. Die Motivation, im Stray Sheep einfach etwas zu chillen und dabei auch den ein oder anderen Cocktail (oder Bier, Sake oder Whiskey) zu trinken, ergibt sich in der Regel auch von selbst, denn nach einer Nacht voller stressiger Kletterei sehnt man sich den ruhigen Abend in der Kneipe geradezu herbei und kostet jedes Gespräch und jeden Schluck Alkohol aus (zumal ein Off-Kommentator nach jedem geleerten Glas eine sinnlose Anekdote zum Thema Alkohol zum Besten gibt).
Die Würfelberge sind nach dem klassischen Levelsystem aufgebaut und werden folgerichtig mit jeder Station herausfordernder, wenn beispielsweise statt normaler Blöcke auch mal Eisblöcke, Stachelfallen, zerbröselnde Blöcke oder Bomben vorgefunden werden, und obwohl schon das erste Level zunächst unüberwindbar wirken kann, versiegt die Motivation zu keiner Zeit, weil man mit jedem Level an Erfahrung dazugewinnt und so am Ende das Gefühl hat, selbst komplexeste Rätsel eigenständig lösen zu können. Abwechslung wird durch Bosslevel geboten, bei denen die Levelstruktur etwas einfacher ist, dem Spieler dafür aber andere Attacken zu schaffen machen, die von Monstern ausgehen, welche von unten angreifen und wiederum die Alpträume der Figur symbolisieren (Freundin im Hochzeitskleid, ein Monsterbaby etc.).
Im Vergleich mit einem Genreprimus wie "Portal 2" fehlt allerdings eindeutig die Abwechslung im Leveldesign; letztlich beklettert man immer wieder die gleichen Würfelberge in anderen Zusammenstellungen. Auf ein ganzes Spiel bezogen ist das für heutige Ansprüche trotz der herausragenden Manga-Optik einfach zu wenig.
Was aber Spiele wie "Portal 2" und "Catherine" gemeinsam haben: Nach exzessiven Gamesessions betrachtet man die Umwelt mit anderen Augen. Bei "Portal 2" fallen weiße Flächen plötzlich viel deutlicher auf, nach "Catherine" sieht man alles in Pixeln und möchte Dinge verschieben...
7/10