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New Moon
Bereits ein gutes Jahr nach dem erfolgreichen „Twilight“ folgte mit „New Moon“ die Fortsetzung. Der Wechsel auf dem Regiestuhl (Chris Weitz hat Catherine Hardwicke abgelöst) hat sich meines Erachtens direkt bemerkbar gemacht. Die Schauspielleistungen sind nach meinem Empfinden spürbar schlechter geworden, was vor allem an Robert Pattinson und Kristen Stewart zu erkennen ist. Die vielen Vorwürfe, dass Stewart nur wenige Gesichtsausdrücke beherrsche, treffen zumindest auf „New Moon“ durchaus zu. Dass sie es besser kann, zeigte sie aber bereits in vielen anderen Filmen vor und nach „New Moon“. Vermutlich lag es an der gehetzten Produktion, dass beispielsweise bestimmte Szenen nicht noch einmal wiederholt worden sind und womöglich an dem fehlenden Gespür des Regisseurs für die Führung der jungen Schauspieler. Dagegen fügen sich die Effekt-Szenen, wovon es dieses Mal aufgrund der Werwölfe deutlich mehr gibt, wesentlich besser in den Film ein, wobei es wahrscheinlich geholfen hat, dass Chris Weitz bereits zwei Jahre zuvor den Fantasy-Effektfilm „Der goldene Kompass“ inszenierte.
Die Fortführung der Geschichte um Bella und Edward wirkt zu Beginn recht gehetzt und die schnellen Stimmungswechsel und auch die Entscheidung der Cullens aus Forks wegzugehen, wird für mich zu schnell und simpel abgehandelt. Das Anliegen des Films bzw. der Geschichte werden zu augenscheinlich, denn schließlich kann man sich dem Werwolf-Thema um Jacob erst ausführlich nähern, wenn Edward und die Vampire narrativ nicht durchweg ablenken. Als Edward dann erst einmal fort ist und Bella wegen ihres starken Liebeskummers kaum mehr lebensfähig ist und zur personifizierten Melancholie wird, nimmt es große theatrale Ausmaße an und da scheint es ganz passend, zuvor bereits intertextuelle Verweise auf Shakespeares „Romeo und Julia“ integriert zu haben, die gen Ende noch einmal dezidiert aufgegriffen werden. Während viele Zuschauer das Leiden und den Liebeskummer als billigen Kitsch abtun, sind das für mich durchaus starke pathetische Momente, denen vor allem relativ viel Raum gegeben wird. Als Bella den Weg aus ihrer Isolation bestreitet und sich Jacob annähert, wiederholt der Film auf eine gewisse Art den Plot vom ersten Film, denn erneut ist es ein junger Mann einer anderen Spezies, der seine Kräfte nur schwer bändigen kann und Bella (vor sich selbst und seinesgleichen) beschützen möchte und zugleich um ihre Liebe buhlt.
Die Parallelen zwischen der Annäherung Bella und Edwards auf der einen Seite und der Annäherung von Bella und Jacob auf der anderen Seite zeigen aber auch eindrucksvoll die Unterschiede zwischen Vampir und Werwolf auf. Das Bild des Vampirs und Werwolfs, was bereits in vielen Büchern, Filmen und Serien behandelt worden ist, ähnelt sich trotz seiner vielen Abwandlungen sehr häufig. Erneut sind die Vampire die geistigen, kultivierten Wesen, die ihre Kraft aus ihrem Intellekt und ihrer Rhetorik schöpfen und eine distanzierte Haltung zu ihren eigenen übermenschlichen Kräften besitzen. Die Werwölfe sind dagegen die körperbetonten, animalischen Wesen, die sich vor allem über ihre Kraft und Stärke definieren und ihr Steckenpferd in der praktischen Arbeit finden. Im Film wird das dadurch unterstrichen, dass Edward belesen ist, eine große Musiksammlung besitzt und Klavier spielt. Jacobs Stärken liegen bereits vor seiner Verwandlung den praktischen Dingen und repariert mit Bella dagegen lieber Motorräder und erfreut sich nach seiner abgeschlossenen Verwandlung vor allem intensiven sportlichen Ertüchtigungen.
Für mich ist der spannendste Aspekt die Analyse der Charaktere aus einer psychoanalytischen Sicht, denn während die Twilight-Romane und -filme vor allem wegen ihrer Prüderie kritisiert worden sind, wabert aber vor allem im Subtext der Geschichte die starke sexuelle Natur. Es ist keine neue Erkenntnis, dass vor allem Vampire häufig in diesem Kontext der sexuellen Triebe verortet werden. Die Jungfrau, das Beißen und das Trinken des Bluts wurden bereits in vielfacher Hinsicht interpretiert, aber in den Twilight-Filmen rückt vor allem die Kontrolle und Steuerung der (sexuellen) Triebe in den Fokus. Beide Männer wollen Bella vor ihrer eigenen triebgesteuerten Natur beschützen und haben Angst Bella zu verletzen. Während bei Edward der Trieb wie eine Drogen-/Heroin-Sucht dargestellt wird und er immense Kraft aufwenden muss, dem nicht nachzugeben, versucht Jacob seine naturalistischen-aggressiven Trieb zu unterdrücken und nicht direkt über Bella herzufallen. In ganz drastischen freudianischen Worten könnte man sagen, dass beide Männer ihre scheinbar übernatürlichen sexuellen Triebe zu bändigen versuchen und Bella vor ihren eigenen Vergewaltigungsfantasien zu schützen. Und nach Freud führt die Triebunterdrückung zur Sublimierung, was sich im ersten Film bei Edward im Hören und Spielen von Musik ausdrückt und im zweiten Film bei Jacob durch Sport und praktische Tätigkeiten wie das Reparieren von Motorräder kompensiert wird. Wobei der exakte Zeitpunkt der ersten Verwandlung bei Jacob für den Zuschauer nicht zu bestimmen ist, aber zumindest befindet er sich in seinen Prozess der körperlichen Veränderung und weiß vermutlich selbst zu Beginn nicht, was gerade mit ihm passiert.
Selbstverständlich kann man an der Geschichte bzw. an den Filmen kritisieren, wie Männer und Frauen in dieser Form dargestellt werden und wie Bella nach dieser Interpretation in einer gewissen Hinsicht in den Hintergrund rückt. Auch wenn augenscheinlich Bella im Film am meisten unter dem Liebeskummer leidet, sind es doch Edward und Jacob, die vor allem mit ihrer Natur und ihren Trieben ringen. Das wird vermeintlich einer der vielen Gründe sein, wieso Feministen in dieser Geschichte mehr Rückschritte als Fortschritte sehen. Für mich bietet der Film aber auch die ideale Projektionsfläche, um über diese Ansichten und Theorien zu debattieren und dass trotz der Schwächen in der Narration und in der teils sehr konventionellen Dramaturgie.
Zu guter Letzt möchte ich noch einmal die Parallelen zu den Superhelden-Comics aufgreifen, die mir bereits beim ersten Film aufgefallen sind. Gen Ende von „New Moon“ werden noch einmal weitere Vampire mit besonderen Fähigkeiten vorgestellt, was mich sehr stark an die Mutanten und deren außergewöhnlichen Fähigkeiten in den X-Men-Filmen erinnerte. Ich bin gespannt, ob es in den weiteren Filmen weitere Annäherungen an Superhelden-Filme und insbesondere an die X-Men geben wird.