Gestern habe ich nach 32 Stunden „The Last of Us Part II“ beendet und ich bin komischerweise so aus dem Spiel heraus gegangen, wie ich es mir im Vorfeld – in Bezug auf die Story - nie hätte vorstellen können. Befriedigt und glücklich. Schmerz, Leid, Wut, Aggression, Depression, all das durchlebt man aus Sicht der Charaktere während dieser aufwühlenden Reise. Daher war ich mir sicher, dass Ellie und/oder Abby die Sache nicht überstehen werden. Zwei Naturgewalten, von Rache getrieben bis zur Schmerzgrenze und darüber hinaus. Unglaublich was man alles erlebt.
Doch zunächst ist man erstmal technisch absolut begeistert. Die ersten Momente mit Joel und Tommy auf dem Weg in Richtung Jackson, wow. Es ist immer wieder faszinierend was Entwickler auf gewissen Systemen über Jahre hinweg herausholen können und zeigt, wie sehr man Spiele optimieren kann, wenn die Rahmenbedingung einfach bekannt ist und man „gezwungen“ ist, damit zu arbeiten. Besser könnte man die PS4 nicht verabschieden und der Grundstein und die Ansprüche für die nächste Konsolen-Generation wurde damit gelegt. Wie schon hier erwähnt, war es jedoch nicht primär die Grafik, die mich umgehauen hat. Vielmehr waren es die Details am Rande. Die Physik, Charakteranimationen, Gesichtszüge, Verhalten während und nach einem Kampf. Realistischer sah ein Spiel bisher nicht aus.
Das gleiche gilt für die Inszenierung. Auch hier wurde die Messlatte nochmals ein ganzes Stück höher gelegt. Egal was man von der Story und der verschiedenen Gameplay-Elemente halten mag, so gut verpackt und erzählt wurde bisher kein Spiel. Filmreif und erwachsen, durch und durch, und auch daran werden sich zukünftige „Story Games“ messen lassen müssen.
Das schon angesprochene Gameplay macht im Grunde da weiter, wo Teil 1 aufgehört hat. Die Steuerung fühlt sich butterweich an und durch das simple, aber interessante Crafting und Fertigkeiten-System, kann der eigene Spielstil verfeinert und angepasst werden. Ich selbst ging primär Stealth-Artig vor und hatte jede Menge Spaß dabei. Wenn man gerade ein überflutetes Einkaufszentrum schwimmend infiltriert, auftaucht, den ersten Gegner von hinten lautlos mit dem Messer erwischt um danach den zweiten Gegner mit der schallgedämpften Halbautomatik mittels eines gezielten Kopfschusses in das virtuelle Grab zu befördern, dann fühlt man sich beinahe schon wie Sam Fisher und feiert das Ding einfach nur ab. Zugegeben, die Kämpfe sind dabei auch leicht repetitiv und wiederholen sich natürlich irgendwann. Trotzdem haben sie mir permanent Spaß gemacht und immer wieder war ich auch gezwungen, von meinem bevorzugten Weg abzukommen (z.B., wenn ich selbst durch einen Fehler entdeckt wurde, und somit auch andere Waffen einsetzen musste). Schön fand ich ebenfalls, dass man hin und wieder seine Umgebung nutzen konnte, um z.B. Infizierte und menschliche Gegner gegeneinander auszuspielen.
Die verschiedenen Orte, die man im Spiel entdeckt und durchstreift, sind abwechslungsreich und versetzen einen des Öfteren ins Staunen. Seattle im „die Natur holt sich alles zurück“-Look. Häuserruinen, (verlassene) Krankenhäuser, TV-Stationen, Parks, U-Bahn-Stationen, Hochhäuser inkl. schwindelerregender Höhen usw. Dazwischen gibt es auch immer wieder Sequenzen die Naughty Dog sowieso aus dem Effeff draufhat, z.B. eine großartige Verfolgungsjagd mit dem Auto, Fluchtsequenzen inklusive jeder Menge Gegner oder filmreife Nahkampfszenen im sehr dezentem Quick-Time-Stil. Das alles sorgt für Adrenalin und reißt einen jedes Mal mit.
Die Story fand ich durchgehend großartig. Dass es eine Rachegeschichte werden würde, konnte man im Grunde
von Anfang an erahnen. Darin unterscheidet sich das Spiel auch grundsätzlich von seinem Vorgänger. Während man in Teil 1 einen Coming-of-Age Roadtrip in einer tödlichen Umgebung durchlebt und dabei zusieht wie zwei Charaktere zueinander finden, wird man in Teil 2 selbst zur tödlichen Umgebung und ist getrieben voller Rache. Wenn ich nun rückblickend den ganzen pre-Release Shitstorm richtig interpretiere, entstand dieser wohl unter anderem tatsächlich, weil Joel in den ersten zwei Stunden das Zeitliche segnet. Auch für mich war das sicher einer der härteren Videospiel-Momente überhaupt. Aber spätestens da wusste ich, mit was ich es hier zu tun hab. Anders hätte man auch aus meiner Sicht narrativ diesen Rachefeldzug nicht rechtfertigen können. Daher hat es mich zwar geschockt aber nicht überrascht, was Naughty Dog sich hier überlegt hat. Die vermutlich noch umstrittenere Entscheidung von ND ist dann der Wechsel des spielbaren Charakters. Mitten im Spiel wechselt man von der vermeintlichen Protagonistin (Ellie) zur vermeintlichen Antagonistin (Abby) und darf ihre Geschichte und ihre Sicht der Dinge miterleben. Die Kritik daran kann ich durchaus verstehen und nachvollziehen, jedoch selbst nicht für mich so unterschreiben. Abby wurde mir tatsächlich nach und nach sympathisch und ich fieberte mit ihr mit, genauso wie ich bei Ellie mitfieberte. Ja, ich war anfangs irritiert und wusste nicht was ich davon halten soll. Ja, ich hatte (zunächst) gehofft, dass die Sequenz recht schnell wieder endet. Doch nach einiger Zeit verstand ich was ND uns damit sagen will. Rache begünstigt Rache und bleibt ein immerwährender Kreislauf, bei dem es keinen Gewinner gibt. Medienübergreifend würde ich sogar sagen, dass „The Last of Us 2“ dieses Thema besser darstellt als jeder Film oder jedes Spiel zuvor. Gerade weil man hier die Möglichkeit bekommt, beide Seiten und beide Beweggründe intensiv selbst zu erfahren.
Ja, wie überall gibt es auch von meiner Seite Kritikpunkte, die jedoch am Status des „Meisterwerks“ für mich nichts mehr ändern:
- Das man hier primär „nur“ in Seattle unterwegs ist, ist nachvollziehbar, jedoch fand ich gerade im Vorgänger diesen schon gennannten „Roadtrip“ einen Tick abwechslungsreicher, gerade hinsichtlich der Locations und verschiedenen Jahreszeiten. Daher fühlt sich die Geschichte im ersten Teil – trotz kürzerer Spielzeit - etwas „epischer“ an.
- Der Charakterzug von Tommy, als er Ellie und Dina auf der Farm besucht und ihr Vorwürfe macht, weil sie nicht mehr losziehen möchte, war für mich nicht nachvollziehbar.
- Gleiches gilt für Ellie, die sich dann nach einem „Nein“ trotzdem nochmals auf dem Weg macht (wobei sich das ggf. aufgrund ihrer inneren Dämonen rechtfertigen lässt).
Hier anknüpfend sei aber gesagt, dass mich das Ende in Santa Barbara für diese beiden letzten Kritikpunkte wieder entschädigt hat. Zum einen sieht man hier nach dem verregneten Seattle endlich mal Sonne, zum anderen ist gerade die Infiltration der Villa nochmals richtig gut gemacht und leitet das großartige Finale am Strand perfekt ein.
Am Ende der Reise muss man sagen, dass es keine Gewinner gibt. Weder Abby noch Ellie. Der Kreislauf der Gewalt hat Menschenleben gekostet und für Leid gesorgt. Dennoch sehe ich das Ende – wie eingangs erwähnt – positiv. Abby wird versuchen die Fireflies zu finden und Ellie hat ihre inneren Dämonen besiegt und mit Joels Tod Frieden geschlossen, auch wenn sie dafür viel bezahlen musste. So zumindest meine Interpretation.
Auch der zweite Teil ist für mich ein Meisterwerk, sowohl technisch als auch narrativ, welches die Geschichte gekonnt weitererzählt hat. ND hat hinsichtlich diverser Story- und Gameplayentscheidungen Mut bewiesen. Sowas muss nicht überall gut ankommen, bei mir hat es jedoch funktioniert.