Supergirl
Kara Zor-El, aus dem Hause El und wohnhaft in Argo City, irgendwie mit Superman verschwippschwägert, ist ein bisschen doof: sie weiß nicht, was ein Baum ist oder was Zalthar Lawrence ihr damit bedeuten will, wenn er ihr erklärt, er wolle seinen Körper negativieren (während ich dies schreibe und genauer darüber nachdenke: was
soll es eigentlich bedeuten? --- Sicher irgendwas mit exzessivem Alkoholkonsum, immerhin reden wir von Peter O'Toole). Außerdem baut sie ein greifvogelgroßes Fluginsekt, das flugs ein Loch in die Frischhaltefolie reißt, die die Stadt umgibt. Es geht nicht nur kostbare Atemluft verlustig, sondern auch das Ei des Kolumbus, die wichtigste Energiequelle Argo Citys. Sollen dort also nicht dauerhaft die Lichter ausgehen, muss Kara zur Erde reisen (im äußeren Weltraum gelegen, nicht im inneren) und das Dingsi wieder auftreiben, das dort prompt im glutenfreien Gemüse-Dip der bösen Hexe Selena gelandet ist, die damit einen Weg gekommen sieht, endlich die langersehnte Weltherrschaft an sich zu reißen (und das Herz der hohlen Nuss Ethan zu erobern).
»Supergirl« ist einer dieser Filme, die ich trotz (oder gerade wegen?) all ihrer offensichtlichen Schwächen und Beklopptheiten so sehr ins Herz geschlossen habe, dass ich mir ein cineastisches Leben ohne sie gar nicht vorstellen könnte. Die Abenteuer von Supies kleiner Cousine landen regelmäßig im Player, und immer habe ich hinterher das Gefühl, für 95 oder 140 Minuten (je nach Schnittfassung) eine richtig gute Zeit verbracht zu haben. Mit objektiven Maßstäben könnte ich diesem Film also niemals beikommen. Denn würde ich es versuchen, wäre das Urteil vermutlich vernichtend.
Da ich mir die Dinge aber grundsätzlich so zurechtbiege, wie sie
mir in den Kram passen, stellt sich die Frage nach der Brauchbarkeit »Supergirls« also erst gar nicht. Ich mag den Film genauso, wie er ist.
1984 gab es nicht viel, woran sich »Supergirl« messen musste. Außer diversen »Superman«-Filmen existierte kein Comicverfilmungswahn (ein erster großer – nun SEHR großer – Schluckauf sollte sich erst 5 Jahre später ereignen und auch so schnell wieder vergehen, wie er gekommen war), keine geölte Maschinerie, die erwachsene Menschen in albernen Kostümen in haarsträubende Abenteuer verwickelte. Da der Film seinerzeit auch ganz gewaltig floppte, es um den großen Cousin auch nicht gerade rosig stand (Christopher Reeve war für eine Gastauftritt vorgesehen, lehnte aber ab, weil ihm das Drehbuch zu schlecht erschien… ach ja? Und »Superman IV« war mindestens »Hamlet« oder was?) und das Publikum lieber in ganz andere Produktionen wanderte, blieb »Supergirl« auch das einzige Leinwandauftreten der wasserstoffgeblondeten Kryptonierin… pardon… Argonautin (Hä?). Bis zum kürzlichen Auftritt in »The Flash« sollte es genaugenommen überhaupt keine weiteren Inkarnationen des Charakters im Kino geben (immerhin war sie recht erfolgreich im TV unterwegs; incognito in »Smallville« und schließlich in eigener Serie in *Trommelwirbel* »Supergirl«). So bleibt der Film ein kurioses Unikat mit Alleinstellungsmerkmal, sieht man davon ab, dass dem Zuschauer und so mancher Filmrolle ständig ungefragt auf die Nase gebunden wird, dass Kara Supermans Cousine ist.
Helen Slater. Hach ja, Helen Slater. Helen Slater ist schlicht perfekt. Ganz wie Christopher Reeve (einem ähnlichen Casting-Geniestreich, dem außerhalb dieser Rolle keine große Karriere vergönnt sein sollte) nimmt sie ihren Part ernst; egal, welcher Mumpitz sich reihum ereignet. Helen Slater ist nicht nur so unfassbar süß, dass man jeder Sichtung prophylaktisch eine Dosis Insulin beigeben sollte, nein, sie ist auch eine gar nicht mal so talentfreie Zone und spielt die Rolle mit der nötigen Mischung aus ganz gehöriger Naivität (wie ihr erster Auftritt auf Erden und die Begegnung mit zwei angehenden Vergewaltigern zeigt; einer davon übrigens Matt Frewer, der wenig später selber eine TV-Ikone werden sollte) und vollumfassender Arschtrittfähigkeiten (gegen nämliche Vergewaltiger z.B.), die sie überzeugend an den Tag legt (und für die sie laut einiger Recherchen, die ich im Vorfeld betrieben habe, einige Zeit an Training investierte und sich etwas auf die dürren Rippchen anfutterte). Faye Dunaway als Selena (nein, nicht die mit der Peitsche und dem hautengen Lack- und Lederkostüm) hingegen gibt sich mit solchen belanglosen Dingen wie Ernsthaftigkeit nicht ab. Sie lässt die Sau raus, so dass alle ihre Szenen zur Wonne werden. Damals konnte sie sogar noch ihr Gesicht bewegen. Mia Farrow, prominent in den Credits genannt, hat zwei Sätze zu sagen. Peter O'Toole, der ewige Lawrence, droht erst, ebenso schnell wieder zu verschwinden, wie er aufgetaucht ist, beehrt uns aber im letzten Akt dann überraschenderweise dann doch noch einmal. Dazu komme ich gleich.
Da der Film sich nicht so recht entscheiden kann, ob er nun augenzwinkernd auf die Bühne gebrachter Schabernack sein will oder doch lieber Unterhaltungskino mit ernsteren Ansätzen, ist er der Einfachheit halber beides. Der majoritäre (gibt es dieses Wort? Falls nicht: jetzt gibt es es) Teil ist bunt und hell und fröhlich, (Karas Suche nach dem Ei des Tigers wird auch schonmal komplett aus den Augen verloren, um sich Ulkereien unter der Mädchendusche zu widmen), während die Szenen in der Phantomzone überraschend düster und schwer ausgefallen sind. Hier treffen wir denn auch den von Arabien wieder. Der hat seinen Körper vermutlich mittlerweile tatsächlich negativiert (also
doch etwas mit exzessivem Alkoholkonsum, immerhin reden wir von Peter O'Toole) und muss ein bisschen was für den Gehaltsscheck tun, den er für die Rolle kassiert hat. Überhaupt ist die Phantom Zone optisch sehr gelungen und bildet einen ziemlichen Kontrast zur sonst eher nüchternen Atmosphäre des Films. Das zweite große Set Piece, Argo City nämlich, wird gleich zu Anfang verbraten und buchstäblich in wenigen Minuten abgefrühstückt, was ziemlich schade ist: die organischen Strukturen der Stadt sehen interessant aus, und das Set muss
riesig gewesen sein.
Die (überwiegend gelungenen) Effekte besorgte Bond-Veteran Derek Meddings, Alan Hume (ebenfalls mit Bond-Hintergrund) an der Kamera ist auch kein Unbekannter. Den enorm schmissigen Score haben wir Jerry Goldsmith zu verdanken, der 1978 bereits »Superman« vertonen und damit nach »The Omen« einmal mehr mit Richard Donner kollaborieren sollte, doch bereits bis zum feschen Pferdeschwanz (den er damals noch nicht hatte) in der Arbeit zu »Star Trek – The Motion Picture« steckte, weshalb man bekanntlich notlösenderweise auf den zweitbesten Mann für sowas, John Williams, zurückgreifen musste. Nun also konnte dies nachgeholt werden, und der Maestro hat erwartungsgemäß geliefert (Fun Fact am Rande: Goldsmith war stets überrascht, wie beliebt sein »Supergirl«-Thema in Japan war, auch Jahre später noch, bis er feststellte, dass die Musik dort für einen allseits bekannten Werbespot benutzt wurde). Die Action passt ebenso, wenn auch alles eine Nummer kleiner als beim großen Vetter ausfällt (und ich mich frage, wie es Selena eigentlich schaffen konnte, innerhalb von zwanzig Minuten ein Nazi-Regime zu errichten… ach ja: Hexerei).
Ernsthaft meckern könnte ich über den eng gesteckten Zeitrahmen des Films, dessen Ereignisse sich innerhalb weniger Tage… äh… ereignen, wodurch manches arg gehetzt wirkt, man sich aber dennoch Abschweifungen erlaubt, die bei tickender Zeitbombe eigentlich nicht möglich sein dürften (z.B. der ganze Plot um Ethan, den nicht besonders hellen Gärtner, in den sich sowohl Selena als auch Kara vergucken und der vom koksenden Schmierlappen aus »Stirb langsam« dargestellt wird). Oder dass Kara, die weiß, dass sie nur sehr kurz auf Erden weilen wird, eine geheime Identität annimmt und brav Schulunterricht erträgt, obwohl sie eigentlich besseres zu tun hätte.
Müsste ich »Supergirl« mit nur zwei Worten beschreiben, wären diese »liebenswert« und »unschuldig«; zwei Worte, die auf keine aktuellere Comicverfilmung zutreffen. »Supergirl« ist kein verkanntes Meisterwerk, kein Schläferfilm, dessen tieferer Sinn der Welt bislang verborgen blieb. Er ist nicht einmal ein mißverstandener Film. Er ist genau das, was er ist: ein gescheiterter Versuch, dem Erfolg von »Superman« noch ein paar Penunzen abzuringen. Doch da dies nicht einmal die »Superman«-Fortsetzungen geschafft haben, waren die Chancen dafür bei seiner kleinen Cousine vermutlich von Anfang an eher nicht so gut.
Wie dem auch sei: ich bin ein großer Fan des Films. Ich bin mir all seiner zahlreichen Schwächen bewusst und würde nicht im Traum darauf kommen, auch nur eine einzige davon zu leugnen oder mir schönzureden (bin ja schließlich kein »Star Wars«-Fan… hehe). »Supergirl« ist immer für einen gelungenen Filmabend gut, auch wenn ich beim besten Willen nicht wüßte, wem ich zur Sichtung raten würde. Vermutlich den Leuten, die Spaß an einem Film haben wollen. Sei es aus unfreiwilliger Komik geboren, sei es aus dem Verlangen nach zuckersüßer Liebenswürdigkeit, sei es aus welchen Gründen auch immer. »Supergirl« legt bei mir einfach genau die richtigen Schalter um. Was kann man mehr von einem Film verlangen?
Ach ja: zum Ei des Sindbads; wer meint, diese Prämisse wäre allzu blöde (ok, diskutabler Punkt): was haben bestrumpfthose Helden in den letzten rund 20 Jahren anderes getan, als geheimnisvolle Dingsis zu suchen, die irgendwelchen schrägen Kram drauf haben? Bei »Supergirl« kommt immerhin hinzu, dass das Abhandenkommen nämlichen Dingsis ganz allein ihre eigene Schuld ist, was dieser Figur eine interessante Note hinzufügt (und trotzdem brütet sie nicht zwei Stunden lang drüber nach und quatscht sich und den Zuschauer mit ihren therapeutischen Selbstreflexionen damit ins Wachkoma).
Ich habe fertig, glaube ich.