Ich habe den Film jetzt auch endlich gesehen und muss meinen Senf dazu abgeben. Achtung, es wird gespoilert.
Auf mich wirkt die Neuverfilmung von Stephen Kings „Es“, als hätte man diverse Handlungsstränge aus dem Roman weggeschmissen, die übrigen ordentlich durchgeschüttelt und das Ergebnis mit doppelter Geschwindigkeit abgespult. Einige Änderungen mögen nötig gewesen sein, um die Geschichte zu straffen und sie in 135 Minuten zu quetschen. Beispielsweise die ausführliche Betrachtung der Stadtgeschichte von Derry hätte sicherlich jeden Rahmen gesprengt. Doch auch das Zustandekommen des Klubs der Verlierer wirkt etwas gehetzt. Zudem hatte ich das Gefühl, dass nicht Bill sondern Beverly der stärkste Charakter innerhalb der Gruppe ist - obwohl man das am Ende mit der klassischen Damsel in Distress-Nummer wieder geraderücken wollte. Was auch ‘ne gute Gelegenheit war, einen gewissen Abschnitt des Romans wegzulassen, bzw. ihn durch einen jugendfreien Knutscher zu ersetzen.
Ich ahne schon, dass das Finale des zweiten Films ähnlich ausfallen könnte. Nur mit Audra statt Beverly in herumhängender Position plus Riesenspinne. Schaun mer mal...
Die Charakterzeichnungen der sieben Klubmitglieder sind recht gut gelungen, wenn auch in stark abgespeckter Form. Keines der Kinder wirkt wie der drölfzigste Zwerg im Düsterwald (Hallo, Hobbit!). Okay, der Fünfziger Jahre-Richie aus dem Roman reißt andere (bessere) Witze als sein filmisches Achtziger-Gegenstück, und Molly Ringwald... ähm, die Achtziger-Beverly ist ‘ne ganze Ecke selbstbewusster und rabiater unterwegs (man nehme die Szene mit dem Apotheker). Egal, kann man machen, ist ‘ne andere Zeit. Nebencharaktere wie die Schulschläger bleiben leider blass und austauschbar. Henry Bowers’ Lebensgeschichte wird umgekrempelt (Sherriffssohn?!) bzw. fast komplett ausgelassen, sein fortschreitender Wahnsinn wird hautpsächlich der Besessenheit durch „Es“ zugeschrieben. Meiner Meinung nach eine verschenkte Gelegenheit, aber irgendwo muss man die Schere eben ansetzen, wenn man einen Film und keine Serie dreht. Trotzdem schafft es der Film trotz einiger Over the Top-Momente (die Felsbrocken bei der Steinschlacht wären für den ein oder anderen Schädelbruch gut gewesen), die schaurig-schöne Kleinstadt-„Idylle“ des Romans einzufangen. Oberflächlicher zwar, aber insgesamt gelungen.
Mit den Horroreinlagen und der Darstellung von Pennywise bin ich weitgehend zufrieden. Ein wenig subtiler und düsterer hätte es sein können. Nach dem sehr starken Beginn mit Georgie am Kanalschacht wird es zunehmend lauter, klamaukiger und sogar ein wenig splatterig. Aber dieser jumpscarelastige Spaß-Horror passt eigentlich ganz gut zu unserem fiesen Lieblingsclown. Trotzdem hoffe ich, dass das zweite Kapitel etwas böser und ernsthafter ausfallen wird.
Grundsätzlich ist das erste Kapitel von „Es“ eine runde Sache. Wenn man nicht auf einer werksgetreuen Umsetzung des Romans besteht, denn einige Änderungen und Auslassungen empfinde ich schon als gravierend. Ich bleibe auch dabei, dass eine mit Rückblenden versehene Umsetzung als Serie der ausufernden Story eher gerecht geworden wäre (wie sieht's aus, Netflix oder Amazon?). Insgesamt hat Regisseur Andrés Muschietti aber eine gelungene Mischung aus Horror und Komödie abgeliefert. Inklusive wohligem "Stand by me"-Feeling.
7,5/10 Punkte