Sexual-Terror der entfesselten Vampire
Vor vielen vielen Jahren bin ich bereits über diesen Film gestolpert. Damals gab es noch keine deutsche VÖ, sondern lediglich ein Tape in Frankreich. Aber die Screenshots, die ich damals von dem Film gesehen hatte, brannten sich in mein Bewusstsein. Farben wie bei Mario Bava bzw. Dario Argento und zudem eine Kulisse wie im Italo-Gothic. Alles leuchtete surreal in roten oder blaugrünen Tönen. Es sah einfach nur wahnsinnig interessant aus. Irgendwann gab es dann wohl im Ausland einige DVDs die schnell vergriffen und nur noch zu Mondpreisen erhältlich waren. Dank einem göttlichen Mediabook von Wicked Vision, kann man den Film nun auch in Deutschland genießen und das sogar gleich zweimal, doch dazu später.
Ein frisch vermähltes Ehepaar besucht ein altes Schloss, in dem noch die die letzten Verwandten der Frau leben. Bei Ankunft stellt man aber fest, dass dem nicht mehr so ist. Beide sind kürzlich verstorben aber dafür begegnet man ein paar seltsamen Gestalten, die recht gastfreundlich sind. Man beschließt dort erstmal zu verweilen und in der Nacht, tauchen auch die Verwandten wieder auf. Am Leben sind sie dennoch nicht………….
Auch wenn der Plot erstmal an klassische Gruselstoffe erinnert, sollte man den Gedanken sofort vernichten. Ich kann auch an dieser Stelle bereits sagen, dass man den Film niemandem empfehlen kann. Entweder er erreicht einen oder man hat einen der miesesten Filme aller Zeiten gesehen. Alle bekannten Konventionen sind hier völlig ausgehebelt. Er baut weder auf Spannung noch auf Inhalte oder eine narrative Struktur, die einen fesselt. Er setzt gänzlich auf die Atmosphäre seines Mikrokosmos und gibt dem Zuschauer lediglich die Aufgabe mit auf den Weg, sich zu entscheiden, ob man sich darin wohlfühlt oder eben nicht. Dem Film ist das Ergebnis letztendlich egal. In keiner Phase denkt er darüber nach, wie er wirken könnte. Er macht einfach. Regisseur Jean Rollin war eben auch immer dann am besten, wenn er keine Zugeständnisse an die Kommerzialität seiner Werke machen musste, weshalb hier auch Vieles einfach aus spontaner Kreativität und Leidenschaft für das Projekt entstanden ist. Falls man sich also auf den Film einlassen möchte, sollte man sein bisheriges Filmwissen zur Seite schieben und einfach ohne irgendeine Erwartung herangehen.
Kommen wir zu dem fantastischen und innovativen deutschen Titel. Als ich meine erste Begegnung mit den oben genannten Screenshots hatte, merkte ich mir noch den Originaltitel des Films: „Le frisson des Vampires“. Übersetzt wäre das etwa „Das Erschaudern der Vampire“. Dann erfuhr ich das er tatsächlich unter „Sexual-Terror der entfesselten Vampire“ in den deutschen Kinos lief. Unfassbar! Gerade wenn man sich die Originalversion anschaut, welche auch die bevorzugte Version des Regisseurs ist, fällt es einem schwierig sie in den Kontext des Titels zu bringen. Kein sexueller Terror, relativ harmlose Gewaltszenen und eine mal so richtig lockere FSK ab 16, wäre hier drin. Natürlich ist der Film erotisch aufgeladen, da hier die meisten Darstellerinnen sehr spärlich, mit einem durchsichtigen Tuch bekleidet sind. Es gibt auch die ein oder andere angedeutete Sexszene, die aber nicht auf dem Bildschirm zu sehen ist. In jedem Giallo-Sleazer sieht man also deutlich mehr!
Nur nicht in Deutschland! Dem deutschen Verleih gefiel der Film in seiner Ursprungsform nicht. Zudem hatte man auch schon einen „tollen“ Titel, also sorgte man für gewisse Nachdrehs, bei denen nicht sicher ist, wer sie geschaffen hat. Man schnitt also einfach mal ca. 20 Minuten aus der Ursprungsversion raus und ersetzte sie durch Softsexszenen, die dann aber nicht mit Nahaufnahmen geizten. Wen man in den Nahaufnahmen sieht, ist in manchen Szenen unsicher, da zumindest zwei der Darstellerinnen an den Nachdrehs beteiligt waren. Handlung und Atmosphäre raus aber dafür Porno rein! Deutschland in den 70ern.
Das bereits genannte Mediabook von Wicked Vision hat aber tatsächlich beide Versionen an Bord, die aufwendig restauriert wurden. Auch die Originalversion besitzt die deutsche Synchro. Die damals entfernten Sequenzen wurden mit Untertiteln eingefügt. Die deutsche Kinofassung ist ebenfalls dabei, nebst zusätzlich für Deutschland produzierte Aufnahmen, die man aber mangels Kontinuität dann doch nicht verwendet hat. Somit haben wir in Deutschland eine weltexklusive Fassung.
Eine Sache möchte ich hier aber noch unbedingt hervorheben. Das ist die Hauptdarstellerin Sandra Julien. Die faszinierte mich in dem Film von Anfang an. Eine enorme Leinwandpräsenz und eine fantastische Ausstrahlung. Ich war total irritiert, dass ich von dieser Darstellerin noch nie etwas gehört hatte. Ein Blick in die imdb gab dann die Antwort. Sie verschleuderte ihr Talent in Schmuddelfilmen. Also keine Hardcore Produktionen, sondern eher in typischen 70er Softsex Filmen komödiantischer Natur, oder auch in sonstigen Sleazern mit bedeutungsvollen Titeln wie „Das Schiff der gefangenen Frauen“. Anscheinend hatte sie aber diverse Angebote für große Filme von namhaften Regisseuren, die sie wohl ablehnte, weil sie ihre B-Produktionen bevorzugte. Das ist wahnsinnig schade, denn sie hätte ich wirklich gerne zumindest im Giallo oder im Italo-Gothic gesehen.