Saint Ange - Haus der Stimmen
Vorwort: Manchmal ist Bonusmaterial auch äußerst hilfreich, um Filme zu entdecken, die man vorher nicht auf dem Schirm hatte. So auch in diesem Fall. Darüber gestolpert bin ich bei einer großartigen Featurette mit Catriona MacColl, die sich im Mediabook zu „Das Haus an der Friedhofmauer“ befindet. Dort berichtet sie darüber, dass sie auf keinen Fall Im Horrorfilm abgestempelt werden wollte, um sich auf das Theater und ernsthafte Rollen zu konzentrieren. Zudem ging sie davon aus, dass die 3 Filme unter der Regie von Lucio Fulci schon bald vergessen sind, und erwähnte sie weder in Vorstellungsgesprächen noch in Proben, da sie vermeiden wollte den B-Horror Status in ihrer Vita zu haben. Dies gelang ihr recht gut, bis ihr Bruder sie darauf aufmerksam machte, dass im Fernsehen eine große Sendung kommen würde, die sich mit den 10 besten Horrorfilmen beschäftigen würde. Fragend, was sie damit jetzt zu tun hätte, antwortete er ihr: „In 3 davon spielst du die Hauptrolle“.
Auch wenn sie eine gewisse Form von Scham verspürte, merkte sie im Lauf der Zeit, das die Filme im Status wuchsen. Sie vernahm wie begeistert die Filmschaffenden darüber waren und die ehemals abgelehnten Filme ihr die Türen öffneten. Besonders als ein hoffnungsvoller Nachwuchsregisseur auf sie traf und voller Bewunderung quasi bettelte, ob sie in seinem Film mitspielen würde, da es für ihn als Fan von Lucio Fulci eine große Ehre wäre, mit ihr zu arbeiten. Die Rede ist von niemand anderem als Pascal Laugier.
Die junge Anna bekommt eine neue Stellung als Putzhilfe in einem alten Waisenhaus. Am Tag ihrer Ankunft, werden die bislang untergebrachten Kinder aber gerade abgeholt. Dennoch Zeit genug von einem kleinen Mädchen vor den „unheimlichen Kindern“ gewarnt zu werden, die sich in dem alten Gemäuer befinden würden. Bereits nach kurzer Zeit, beginnt sie sich für die Vergangenheit des Gebäudes zu interessieren und stellt Ermittlungen an.
Das „Haus der Stimmen“ kann man rudimentär als „Spukhaus-Horror“ bezeichnen, womit man dem Film aber nicht gerecht wird. Er besitzt zwar einige Zutaten, aber er geht deutlich tiefgründiger vor. Deshalb würde ich den Film auch keinem normalen Gruselfan empfehlen, der gerne auf der Couch ein paar nette Schockeffekte zur Unterhaltung haben will. Vielerorts wurde nämlich bemängelt, dass die paar Geisterbahn Einlagen niemanden mehr hinter dem Ofen vorholen. Das wollte der Film aber auch gar nicht, weshalb ich das nicht als das Zielpublikum ansehe, obwohl er in die Richtung vermarktet wurde. Der Film ist deutlich subtiler und Vielschichtiger. Dabei konzentriert er sich weitestgehend auf seine Hauptfigur Anna, die von Virginie Ledoyen fantastisch gespielt wurde. Die zweite große Hauptrolle ist das Waisenhaus, das von der Kamera und der Beleuchtung wundervoll in Szene gesetzt wurde. Aber eher in kälteren Farben und weniger bunt, während die Kamera, sich langsam bewegend, die Details des Hauses zeigt. Zusätzlich wäre dann eben die eingangs erwähnte Catriona MacColl zu nennen, die eine unnahbare Direktorin voller Geheimnisse darstellt. Insgesamt wird die Vergangenheit der Figuren kaum beleuchtet. Zumindest nicht am Reißbrett mit Gebrauchsanleitung. Durch kleinere Zeichen, Träume und Dialogfetzen, kann man sich aber ein Bild von ihnen selbst erarbeiten. Dies scheint bei vielen Zuschauern aber ein Problem gewesen zu sein. Der Film serviert einfach nicht und bleibt für viele Lesarten offen. Erklärungen gibt er ebenfalls nicht ab und liefert lediglich Denkanstöße. An dieser Stelle erkennt man dann eben Pascal Laugier als Fan von Lucio Fulci. Nicht nur, dass er ihn in einem Gänsehautmoment für Fulci Fans, wundervoll zitiert, sondern er spielt auch mit seiner Alptraumlogik. Das er den italienischen Regisseur verstanden hat, erkennt man obendrein daran, dass er auf Splatter und Gore komplett verzichtet. Spaßig anzusehen ist nebenbei erwähnt, das Laugier bei den Dreharbeiten, ein T-Shirt von Dario Argento trug.
Der Film lebt in jedem Fall von seiner Atmosphäre und seinen schwierig zu greifenden Figuren. Er bleibt aber auf einem sehr gemächlichen Tempo, was nicht überall gut ankommt. Viele sprechen von Langeweile, da nicht viel passiert. Ich hingegen schätze genau diese Aura des Films und finde sie wundervoll. Für mich persönlich begehen viele Filme den Fehler, dass sie einen sehr subtilen Aufbau haben, ihn aber dann gegen Ende in ein Spektakel verwandeln. Dies ist hier nicht der Fall, auch wenn das Finale trotzdem fantastisch geworden ist.
Die Zielgruppe des Films ist somit schwierig abzubilden. Spukhaus Anfänger könnten sich eventuell gruseln, Profis nicht. Aber an die richtet sich der Film auch nicht. Man sollte zumindest eine Menge Empathie mitbringen. Zusätzlich Konzentration, da man sich auf den Film einlassen muss. Eine große Portion Fantasie ist ebenfalls äußerlich hilfreich und auch der Wille sich mit dem Gesehenen zu beschäftigen. Wenn man Fulci mag und ihn dabei nicht auf Splatter reduziert, könnte man auch daran Gefallen finden. Wer aber nur einen netten Spukhaus-Film zum Feierabend konsumieren möchte, sollte sich dagegen lieber ein anderes Programm aussuchen.