AW: Genre- und allgemeine Filmdiskussionen
Ich picke mir mal „Der Fluch der zwei Schwestern“ heraus, um das leidige Thema Remakes mal wieder an die Oberfläche zu ziehen.
Ein durchschnittlicher, von Logiklöchern geplagter Horrorthriller von der Stange. Netter Mainstream-Grusel, einmal anschauen und vergessen. So könnte man denken, wenn man das südkoreanische Original „A Tale Of Two Sisters“ nicht kennt. Sollte das aber der Fall sein, packt einen das kalte Grausen aufgrund der Qualität dieses Remakes. Aus der atmosphärisch dichten, eher im Psycho-Horror verwurzelten Vorlage wurde ein belangloser Teenie-Grusler, der auf billige Buhu-Erschreckmomente in Verbindung mit überlauten Musik- und Soundeffekten setzt. Das Original fährt im gesamten Film zwei, drei eher spärlich inszenierte, aber gerade aus diesem Gund umso wirkungsvollere Schockmomente auf, während das Remake auf Quantität statt Qualität setzt. Immerhin verkommt „Der Fluch...“ nicht zum bluttriefenden Slasher. Man klaut eher die bekanntesten Asiahorror-Trademarks der letzten fünfzehn Jahre zusammen und bringt sie relativ sinnfrei irgendwo im Film unter. Was uns zum nächsten Punkt führt: der Geschichte.
In „A Tale...“ (Original) tappt man im Gegensatz zu „Der Fluch...“ (US-Remake) weitgehend im Dunkeln. Die undurchsichtige Geschichte schreitet gemächlich, in ruhig inszenierten Bildern voran und zieht den Zuschauer langsam aber sicher in ihren Bann. Die Anzahl der Personen ist überschaubar und beschränkt sich hauptsächlich auf die Familie, als Schauplatz dient das stimmungsvolle Haus am See. Damit ist der heutige Durchschnitts-Kinogänger natürlich nicht mehr hinter seinem Popcorn hervorzulocken – da fehlen Explosionen! Und 'ne Leiche zu Beginn wäre auch ganz nett. Das dachten wohl auch die Macher des Remakes und lassen gleich in den ersten Minuten ein ganzes Haus explodieren und die Leiche aus dem Müllsack schielen. Aber was tun, wenn das eigentlich nicht so recht in die Handlung passen will? Natürlich, es ist ein Albtraum, das geht immer! Schließlich sitzt unsere Hauptperson anfangs in der Klapsmühle, da muss 'ne anständige Vision schon sein. Und wenn die dann noch „subtil“ auf kommende oder vergangene Geschehnisse hinweist, wird's erst so richtig mysteriös! Aufgrund der noch unterzubringenden Effektflut werden dann noch ein paar zusätzliche Handlungsstränge und Charaktere eingebaut, die mit der eigentlichen Geschichte nichts zu tun haben, aber das Tempo schön hoch und den Zuschauer bei der Stange halten. Jedenfalls theoretisch...
Bei Kenntnis des Originals darf man dem Remake den bereits bekannten Überraschungseffekt natürlich nicht vorwerfen. Die Verwässerung der Story durch Belanglosigkeiten, um Schwächen in der Inszenierung zu kaschieren hingegen schon. Damit stellen sich die Guard-Brüder als Regisseure selbst ein Armutszeugnis aus. Sie hätten sich für ihr Regiedebut besser einen einfacheren Stoff vornehmen sollen.
Die Darsteller können den Karren leider auch nicht mehr aus dem Dreck ziehen, da es ihren Charakteren durchgehend an Tiefe mangelt – unglaublich, bei dieser Vorlage. Anna (Emily Browning) und ihre Schwester Alex (Arielle Kebbel) wirken trotz aller Vorkommnisse meist wie relativ unbeschwerte Teenagergören nach typischem US-Abziehbild. Ok, Anna ist zurückhaltender und etwas blass um die Nase, aber sie war ja schließlich auch in der Klapse, weil sie den gewaltsamen Tod der Mutter nicht verkraften konnte. Ansonsten scheint es ihr wieder recht gut zu gehen. Mal abgesehen von diversen albtraumhaften Visionen, die sie aber ein paar Sekunden später schon wieder verdrängt zu haben scheint. Dafür hat sie ja Frohnatur Alex an ihrer Seite. Und ihren Freund Matt. Wenn auch nur kurz, der dient schließlich hauptsächlich als Fallobst.
Emily Browning macht ihre Sache noch relativ gut, aber weder Verzweiflung noch Wahnsinn kauft man ihr so richtig ab. Die anderen Darsteller sind komplett austauschbar. Auch in diesem Punkt steht das Original meilenweit über dem Remake. Naja, immerhin würde Browning optisch auch als Asiatin durchgehen...
Was soll also das viele Geschreibsel zu diesem mittelmäßig bis schlechten Streifen? Ganz einfach: er verkörpert das typische misslungene und damit überflüssige Remake eines hochklassigen Originals. Die halb im Dunkel liegende und Raum für Interpretationen bietende Story aus „A Tale...“ wird gnadenlos auf Mainstream und US-Sehgewohnheiten gebügelt, bis ins kleinste Detail erklärt und damit entmystifiziert. Subtiler Grusel wird ersetzt durch krachige, ausgelutschte Schockeffekte. Brauchen wir wirklich Kiddie-Remakes von erwachsenen Filmen? Oder lohnt es sich womöglich doch, einen Blick über den Tellerrand zu wagen und dem vielleicht veraltet oder fremdartig wirkenden Original eine Chance zu geben, bevor man sich dem westlich/technisch/was auch immer-aufpoliertem Remake zuwendet?