Nymphomaniac

BladeRunner2007

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Nymphomaniac: Vol. 1


Was hab ich da eigentlich gerade gesehen?! Irgendwie fiel es mir sehr schwer Zugang zum Film und dessen Erzählstruktur zu finden. Diese ständigen Anekdoten und Vergleiche vom Zuhörer der Geschichte wirkten auf mich sehr gekünzelt und aufgesetzt. Überhaupt gibt es viel zu viele Zufälle in der Geschichte der Nymphomanin. Ich finde der Film wirkt im großen und ganzen sehr unrund. Kein natürlicher Fluss, vieles wirkt erzwungen, und auch schauspielerisch konnte er mich nicht gänzlich überzeugen. Auch das Ende kam sehr abrupt. Dieser Film hätte niemals in zwei Teile gesplitted werden dürfen. Denn Vol. 1 kann definitv nicht als alleinstehender Film überzeugen. Er hat weder erzählerische Höhepunkte, noch involviert er den Zuschauer emotional genug. Ich weiß auch gar nicht, was mir der Film jetzt eigentlich sagen wollte oder in welche Richtung er hinsteuert. Hier liefert von Trier teilweise mit das Schlechteste ab, was er jemals gemacht hat. ABER: zuweilen kann Vol. 1 auch verdammt genial sein. Wenn auch nur kurz. So z.B. Kapitel 3: "Mrs. H". Uma Thurman ist imo ganz klar das Highlight dieses Films. Einfach nur eine brilliante Darstellung und extrem lustig! Leider ist sie viel zu kurz im Film. Kapitel 3 zählt mit zu dem Besten, was von Trier jemals gemacht hat. Auch ein paar andere Szenen sind von ähnlichem Kaliber. Deshalb ist es auch so schade um Nymphomaniac. Denn er vereint das Beste und das Schlechteste, was von Trier bislang gemacht hat. Ich fände es unfair den kompletten Film schon jetzt zu bewerten, denn ich habe lediglich die erste Hälfte gesehen, die sich tonal wohl auch sehr von der zweiten unterscheiden soll. Außerdem ist es der runtergeschnittene Studio-Cut gewesen. Eine Wertung werde ich erst abgeben, wenn ich beide Hälften gesehen habe. Und hoffentlich erscheint auch irgendwann der komplette, ungeschnittene Director's Cut.
 

Willy Wonka

Locationscout
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AW: Nymphomaniac: Vol. 1 + 2

Die ernüchternden Worte überraschen mich. Vielleicht liegt es wirklich an den unterschiedlichen Schnittfassungen. Ich war von der Langversion jedenfalls vollkommen begeistert und vor allem fand ich es überraschend, dass der Film so humorvoll ausgefallen ist. In dieser Hinsicht grenzt sich der Film fundamental von „Antichrist" oder „Melancholia" ab. Visuell gibt es noch Verweise zu den beiden vorherigen Filmen, aber der Film wirkt keinesfalls so überstilisiert wie beispielsweise der Prolog aus „Melancholia“ oder die leicht verwackelten Handkameraaufnahmen bei der Hochzeitsfeier.

Als am Ende dann erneut „Führe mich" von Rammstein ertönte und erste Teaser-Bilder von der Fortsetzung gezeigt wurden, hatte ich nur noch eine Gänsehaut. So sieht offenes Ende aus! Ich kann es jedenfalls kaum noch erwarten die Weiterführung der Geschichte im Kino zu sehen. Ärgerlich ist, dass ich dieses Mal mit der gekürzten Version vorliebnehmen muss.
 

BladeRunner2007

Filmvisionaer
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Nymphomaniac: Vol. 2


Vol. 2 hat mir deutlich besser gefallen. Um einges ernster, düsterer und vor allem fokussierter. Ich hatte zum ersten mal das Gefühl, dass tatsächlich eine Geschichte erzählt wird und es kam so etwas wie ein Handlungsfluss auf. Charlotte Gainsbourg kann endlich selber in den letzten Kapiteln (6-8) glänzen. Zuvor hat sie nur gelangweilt in der imo immer noch sehr lahmen und schlechten Rahmenhandlung. Diese ist im Grunde das größte Problem des Films. Die einzelnen Kapitel sind größtenteils wirklich sehr gut und unterhaltsam. Doch die Rahmenhandlung reißt einen immer wieder raus, langweilt den Zuschauer und erklärt ihm alles bis ins kleinste Detail mit dämlichen Anekdoten, Parabeln und anderen Verweisen bzgl. Literatur, etc. die die Geschichte der Nymphomanin widerspiegeln. Hätte Lars von Trier einfach nur die Kapitel gezeigt würde mir der Film sehr gut gefallen. Ich muss aber zugeben, dass viele Szenen aus Vol. 1 erst jetzt einen Sinn ergeben und sich besser, um nicht zu sagen, sogar gut in das Gesamtbild einfügen. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass Vol. 2 dennoch um einiges besser ist. Dennoch bin ich bereit dem kompletten Film später auf Blu-ray noch eine weitere Chance zu geben und mir beide Volumes back to back anzusehen. Nun weiß ich mit welchen Erwartungen ich an das Werk herangehen muss, und mir werden sicherlich viele kleine Dinge auffallen, die mir bei der Erstsichtung schlicht und ergreifend einfach entgangen sind. Alleine schon aufgrund der ernomen Laufzeit, der sehr unkonventionellen Inszenierung, und meiner nicht erfüllten Erwartungshaltung. Mich beschleicht das Gefühl, dass Nymphomaniac einfach nicht nach bloß einer Sichtung bewertet und vor allem verstanden und geschätzt werden kann. Das ist ein wuchtiger Film, der mehrere Sichtungen verdient!
 

Despair

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Teil 1 des „bösen Arthouse-Pornos“ von Lars von Trier startet mit verregneten Hinterhofbildern und düsteren Rammstein-Klängen. Ein würdiger Einstieg für den Abschluss der Depressions-Trilogie. Doch Moment, was kommt denn dann? Zuerst einmal kein Porno im klassischen Sinne. Hier kommt kein braungebrannter Handwerker zur triebigen Trulla nach Hause, um ihren kaputten Fernseher zu reparieren. Hier gibt’s - der Thematik geschuldet - einfach Geschlechtsverkehr zu sehen - und zwar nicht auf die prüde amerikanische Art mit hochgezogener Hose. Wer macht denn auch sowas? :D Schon irgendwie traurig und bezeichnend, dass man selbst heutzutage mit ein paar Penis-Großaufnahmen und dem vollzogenen Geschlechtsakt noch so eine Aufmerksamkeit erregen kann, während teils explizite Gewaltdarstellungen selbst in Mainstream-Blockbustern schon fast Normalität geworden sind. Tja, von Trier weiß halt, wie’s geht.

Neben der Rammel-Action kommt der Film recht konventionell daher, die einzelnen Episoden sind teils humorig, teils tieftraurig. Man weiß aber nie so genau, ob die von Joe erzählten Geschichten immer so ganz der Wahrheit entsprechen, oder ob sie vielleicht etwas abgeändert und ausgeschmückt hat. Aus welchen Gründen auch immer. Ebensowenig weiß man, wie der zuhörende Seilgman so tickt. Dementsprechend kam bei mir bis zum abrupten Ende trotz der ruhigen Erzählweise keine Langeweile auf. Eventuell tut die fast eine halbe Stunde gekürzte Kinofassung dem sogar Film gut. Ich werde mir trotzdem irgendwann mal die ungekürzte Version anschauen.

Bei den Darstellern stechen vor allem Uma Thurman und Christian Slater hervor, aber auch Stacy Martin überzeugt als junge Joe. Charlotte Gainsbourg und Stellan Skarsgard haben im ersten Teil noch nicht allzuviel zu tun.

Mich hat (die geraffte Version) von „Nymphomaniac Vol. 1“, trotz leichter Bedenken im Vorfeld, absolut überzeugt. Eigentlich nicht überraschend, konnte ich doch bisher mit jedem von Trier-Film etwas anfangen. Ich bin gespannt, ob der zweite Teil den guten Gesamteindruck aufrechterhalten oder sogar noch toppen kann.
 

Despair

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Teil 2 von Lars von Triers „Lebenslauf einer Nymphomanin“ kommt düsterer daher als der erste Teil, darauf deutet nicht nur ein Selbstzitat aus „Antichrist“ hin. Joe schreckt auf der Suche nach ihrem verlorengegangenen Lustgefühl vor nichts zurück und opfert dafür alles. Warum etwas heilen wollen, was nicht krank ist - zu dieser Erkenntnis verhilft ihr nicht nur die suboptimal verlaufenden Sitzungen der Sexsucht-Therapiegruppe (die Anonymen Alkoholiker lassen schön grüßen). Doch auch diese Selbsterkenntnis bringt keinerlei Besserung. Joe besinnt sich zwar auf ihre Stärken, setzt diese aber in einem eher fragwürdigen neuen Berufsfeld gewinnbringend ein. Auch der von ihrem „Geschäftspartner“ erdachte Plan, Joe solle sich eine opferungsbereite Nachfolgerin heranzüchten, geht gründlich in die Hose...

In den letzten drei Kapiteln lässt von Trier seine Hauptdarstellerin ordentlich leiden - und das im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei erinnern die nüchternen Bilder mit ihrer teils tragischen Komik manchmal an die Filme von Ulrich Seidl. Auch Haneke kam mir mal kurz in den Sinn. Zum Schluss hin schlägt von Trier aber fast versöhnliche Töne an. Schlägt womöglich langsam eine gewisse Altersmilde durch? Nee, keine Angst, am Ende holt er doch wieder den Vorschlaghammer raus. Immerhin mit genügend Spielraum für den Zuschauer, sich ein eigenes Ende auszumalen. ;)

„Nymphomaniac“ in der vierstündigen Fassung kommt bei mir auf 8/10 Punkte. Die 90 Minuten längere Version wird irgendwann mal nachgeholt. Ich denke aber, der Film ist auch in der „Kurzfassung“ lohnenswert. Sowohl "Antichrist" als auch "Melancholia" haben mir aber insgesamt etwas besser gefallen.
 
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