Nosferatu - Phantom der Nacht
Wer die Geschichte von Bram Stokers berühmten Roman noch nicht kennt, für den hier eine sehr kurze Inhaltsangabe. Graf sucht Immobilie, Makler besucht Graf, Graf findet lecker Mädel in Heimat von Makler, Graf geht auf Reise und bringt einige Überraschungen mit...
Soweit also der Inhalt (klingt irgendwie nach Roadmovie!!??) dieser Mär, dessen filmisches Vorbild natürlich F.W. Murnaus Stummfilmklassiker aus dem Jahre 1922 ist. Regisseur Werner Herzog filmt im Grunde die Szenen des Originals 1:1 nach ohne jedoch eine plumpe Kopie sondern eine Hommage zu drehen. Wie schon in
Aguirre, der Zorn Gottes schafft es Herzog, die Stimmung und Atmosphäre in tollen Bildern einzufangen. Hier sei vor allem die beschwerliche Reise von Jonathan Harker (seltsam blass: Bruno Ganz) nach Transsylvanien zu erwähnen. Die Angst der Zigeuner, Regen und Kälte sind regelrecht spürbar. Auch das innen weiße(!) Schloss mit seinen Gängen erzeugt eine unbehagliche Stimmung.
Neben dem Ende, was ich hier freilich nicht verraten möchte, ist der Ort Wismar eine der großen Änderungen zu Murnaus Film, der entgegen dem Roman (dort London) Bremen als Schauplatz wählte. Eine gute Wahl, denn das pittoreske Städtchen lieferte sehr authentische Blickwinkel in die damalige Zeit. Entgegen dem Klassiker von 1922 war es Herzog auch möglich, die im Roman zu lesenden Namen zu verwenden. Murnau "vergaß" ja, sich damals die Rechte zu besorgen und änderte diese kurzerhand.
Sehr befremdlich ist hingegen, das die Schauspieler (vor allem Isabelle Adjani!) sich zuweilen wie im Stummfilm gebären und mit weit aufgerissen Augen umherstaksen. Wohlgemerkt in einem Ton und Farbfilm! Hier geht die Hommage an das Vorbild eindeutig zu weit und wirkt schon lächerlich.
Klaus Kinskis Graf kommt als kleiner Max Schreck um die Ecke. Glatze, Fingenägel, Zähne oder Ohren. Alles vom Original übernommen und doch so anders. Während Schrecks Nosferatu einfach schrecklich ist (Nomen est Omen), ist Kinskis Dracula eine Kreatur voller Schmerz und Leid. In nur wenigen Szenen bringt das
Klaus Kinski grandios rüber ohne auf die Mitleidsdrüse zu drücken.
Insgesamt kommt Herzog nicht an das Original heran aber das war wohl auch nie seine Absicht. Atmosphäre, Score (wieder Popol Vuh) und ein begnadeter Kinski reichen aus, um sich für knapp 2 Stunden die Haare zu Berge stehen zu lassen. Zugegeben, das schaffen unfreiwillig auch manchmal andere schon oben angesprochene Punkte aber damit kann zumindest ich gut leben.
8/10