Murder Obsession
Schwarze Handschuhe und eine Flasche J&B sind die Dinge, die wir bereits in den ersten 120 Sekunden zu Gesicht bekommen und schon wissen wir, in welchem Genre wir uns befinden. Ich mag einfach solche wiederkehrenden Trademarks. Riccardo Freda, der Mitbegründer des italienischen Horrorfilms, der uns so wundervolle Beiträge wie „Das schreckliche Geheimnis des Dr. Hichcock“ und natürlich auch „Der Vampir von Notre Dame“ bescherte, drehte zu Beginn der 80er Jahre diesen komplett erstaunlichen Streifen. Erstaunlich allein schon deshalb, da er völlig aus der Zeit gefallen ist. Das der Film nicht 10 Jahre früher entstanden ist, merkt man höchstens an einem Mercedes Model, welches kurz durch das Bild fährt. Wenn man das italienische Kino sehr gut kennt, auch eventuell an den Darstellern, obwohl Anita Strindberg und Laura Gemser nicht wirklich sonderlich groß gealtert aussehen. Die Machart des Films passt aber zu keiner Zeit in das Entstehungsjahr. Als ob Riccardo Freda die Entwicklung im Filmgeschäft komplett ignoriert bzw. verpasst hätte und gegen Ende der 60er/Anfang 70er stehen geblieben wäre.
Michael ist Schauspieler und hatte zudem eine harte Kindheit. Er hat nämlich seinen eigenen Vater ermordet und irgendwas in ihm scheint als Antrieb hängen geblieben zu sein. Denn bei einer Mordszene am Set, bringt er fast seine Filmpartnerin um. Nach Abschluss der Dreharbeiten fährt er mit seiner Freundin in ein uraltes Landhaus, um seine Mutter zu besuchen (Das gleiche Haus, in dem auch „Spirits of death“ gedreht wurde) und lädt dazu auch Teile der Filmcrew ein. Der erste Mordversuch lässt nicht lange auf sich warten. Die Frage ist, ob dies der Mordtrieb von Michael ist, oder ob hier ein anderer Killer umherschleicht. Eventuell spukt es aber auch in dem alten Gemäuer.
So klar und deutlich, wie sich der Plot anhört, so unklar ist der Film. Freda erschafft eine wunderbare Atmosphäre, die deutlich im Italo-Gothic veranschlagt ist, lässt aber durch einen schwarz behandschuhten Killer keinen Zweifel aufkommen, dass es ein Giallo ist. Ein Gothic-Giallo sozusagen. Die Bilder des Films sind natürlich phantastisch gedreht und hinterlassen einen großartigen Eindruck. Allein die Sequenz bei der Flucht, durch den strömenden Regen, wird man nicht vergessen können. Das sieht einfach umwerfend aus. Auch viele Einstellungen im Haus, wenn man über die Treppen hinweg vom Schattenspiel umgeben ist, sind einfach großartig.
Einer der Filmtitel lautet auch „Delirium“ und das zieht sich als Credo durch den Film. Denn so toll sich das alles anhört, muss man für den Film verdammt aufgeschlossen sein. Freda achtet nämlich wenig auf die Narrative und stückelt hier viele verschiedene Szenen hintereinander, ohne sie wirklich als Einheit zu präsentieren. Die Handlung wird immer wirrer und konfuser und springt von Genre zu Genre. So als ob Freda einfach nochmal alles irgendwie unterbringen wollte, was er bereits früher geschaffen hat. Wie gesagt, dafür muss man schon sehr aufgeschlossen sein und sich ein wenig von gewohnten Strukturen entfernen. Die Musik passt sich dem Gezeigten nahtlos an. Die meiste Zeit hören wir klassische Piano Musik, bevor es elektronisch wird. Dann folgt plötzlich Psycho-Rock in Richtung Goblin. Der Film wirkt folglich nie aus einem Guss, sondern irgendwie als Stückwerk, da er meines Erachtens zu viele Themen innerhalb seiner Spieldauer gleichzeitig verarbeitet. Dennoch war ich auf eine bestimmte Art und Weise absolut fasziniert von dem Film. Natürlich hilft hier auch die großartige Anita Strindberg weiter, die wir ja aus anderen Gialli bereits kennen und auch Laura Gemser macht hier einen absolut tollen Job. John Richardson als Butler ist hier ebenfalls einfach nur fantastisch und gibt seiner Rolle unheimlich viel mit.
Ich mag den Film wirklich gerne, aber mit etwas weniger Versatzstücken wäre er aus meiner Sicht besser geworden. Italo-Gothic, Giallo, Okkultismus, Spuk, Inzest, Sleaze, riesige Gummispinnen, Who done it?, Kettensäge, Alpträume etc… sind für 100 Minuten Spieldauer etwas zu ambitioniert und trotzdem macht der Film eine Menge Spaß!
Kann ich den Film nun blind empfehlen? Nein, denn die eigene Aufgeschlossenheit muss jeder bei sich selbst rausfinden.