Mord - Sir John greift ein

deadlyfriend

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Gesamtübersicht aller Kritiken zu Mord - Sir John greift ein:

#02 20.07.09 deadlyfriend

Gesamtübersicht aller Kritiken zu Mary:

#09 11.07.11 Willy Wonka
 
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Mord - Sir John greift ein
Mary

Bei seinem zweiten geplanten Tonfilm ging Hitchcock äußerst interessante Wege. Das Problem beim Tonfilm war nämlich die Vermarktung im Ausland. Eine echte Synchronisation gab es noch nicht. Beim Stummfilm konnte der Verleiher lediglich die Texttafeln austauschen und in die jeweilige Landessprache übersetzen, was beim Tonfilm eben nicht gegeben war. Um trotzdem auf den deutschen Markt zu kommen, lies er die deutschen Darsteller nach London kommen und drehte die Szenen zweimal. Einmal mit der englischen Besetzung, dann wieder mit der Deutschen. Dies war nach seinen Angaben problematisch, da er zwar ein wenig Deutsch sprach, aber nicht so gut, dass er ein Gefühl für die Dialoge gehabt hätte. Dazu später noch ein wenig mehr.

Der Theater-Mogul Sir John ist Geschworener in einem Mordprozess. Die Angeklagte kennt er zufällig ein wenig, da sie sich beim ihm mal beworben hatte und er ihr zunächst empfahl sich erstmal in der Provinz zu versuchen, um Erfahrung zu sammeln. Bei der Theatergruppe, an die sie sich angeschlossen hatte, geschah nun ein Mord und sie saß regungslos mit dem Opfer im Zimmer, die Mordwaffe zu ihren Füssen. Trotz Zweifel von Sir John im Prozess, lässt er sich dazu überreden sie schuldig zu sprechen. Dennoch fällt ihm hinterher ein Detail auf, was nicht ins Bild passt. Er beschließt zu ermitteln.


Handwerklich befinde ich den Film nicht zu seinen Großtaten gehörend.
Nicht unbedingt durch die Dramaturgie, sondern eher am ziemlich groben Schnitt und an der Abfolge der Szenen. Vieles wirkte eben wie eine Aneinanderreihung von Bühnenauftritten. Der Tatort, die Befragung der Polizei, die Gerichtsverhandlung sowie das Geschworenenzimmer ist für mich etwas zu episodenhaft aneinander gereiht. Als aber die Ermittlungen beginnen, nimmt der Film richtig Fahrt auf und macht eine Menge Spaß.
Auch ist Hitchcocks Lieblingsmotiv, des zu Unrecht beschuldigten Menschen, klar zu erkennen. Nur aus einer ungewohnten Perspektive, da die eher teilnahmslose Hauptverdächtige, eine Nebenrolle inne hat. Somit entwickelt sich ein "Whodoneit", ein Feld das Hitchcock eher weniger mochte und gegenüber Truffaut als langweilig bezeichnete. Dies merkt man dem Film zumindest zu Beginn ein wenig an. Wäre nicht die erstklassige Performance von Herbert Marshall allgegenwärtig, würde er möglicherweise schwächer abschneiden. Somit greift Sir John nicht nur in den Fall ein, sondern gibt ihm auch noch die entsprechende Würze. Sein deutsches Pendant, Alfred Abel, macht seine Sache ebenfalls richtig gut. Alfred Abel hat somit unter Hitchcock, Fritz Lang und F.W. Murnau gespielt, was einfach nur bemerkenswert ist. Leider hat er nie erfahren, wie großartig diese Regisseure heute gesehen werden, da er bereits 1937 verstarb.
Trotzdem hat die deutsche Variante zu kämpfen, was einfach daran liegt, das er partiell unglaubwürdig erscheint. Nur die Darsteller auszutauschen erwies sich als falsch, da der Rest zu britisch war. Allein die Gerichtsverhandlung mit Geschworenen passte einfach nicht in eine deutsche Handlung. Die Fehler hat Hitchcock später bemerkt und auch eingesehen. Insgesamt mag ich den Film sehr gerne, bevorzuge aber klar und deutlich die britische Variante, die ich diesmal auch im O-Ton geschaut habe. Wenn der sprung- und bruchstückhafte Beginn nicht wäre, würde er bei mir aber deutlich höher im Kurs liegen. Er wirkt nicht wie aus einem Guss, wie es bei "The Manxman", "Der Weltmeister", "Blackmail" oder "Der Mieter" der Fall war. Zudem mochte ich seine Co-Ermittler nicht sonderlich und auch die Szene mit den Kindern im Bett fand ich persönlich einfach befremdlich und unlustig. Das sah nebenbei bemerkt auch Alfred Abel so, der die Szene nur widerwillig spielte. In der deutschen Version wurde übrigens auch das Motiv für die Verschleierung des Täters umgeschrieben, was für mich auch nicht sonderlich gelungen war. Trotz allen Kritikpunkten macht der Film Freude aber er wird nicht in einer Hitchcock Top 30 bei mir zu finden sein.
 
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Willy Wonka

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AW: Mord - Sir John greift ein

Ich hatte damals zuerst "Mord - Sir John greift ein" gesehen und ein paar Monate später dann die deutsche Version "Mary" und für mich haben beide Filme extrem viele Ähnlichkeiten. Man könnte schon fasst von einem Remake oder einer Kopie sprechen, dennoch haben mir beide Filme gefallen.
Wie du schon geschrieben hast, besitzt die Handlung wieder die typischen Merkmale von Hitchcock, was mir wieder sehr gefallen hat. Natürlich zählt der Film nicht zu seinen besten Werken, aber meiner Meinung nach kann der Film aus der Frühphase überzeugen.
 
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SAB

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AW: Mord - Sir John greift ein

Man merkte doch deutlich das es sich hier um eine Adaption eines Bühnenstückes handelt.


Und genau das ist es (neben dem feinen Humor) was den Film so sympathisch für mich macht! Es ist eben ein "klassisches Drama" mit all seinen, naja sagen wir mal Klischees!
Aber du hast recht, das gerade Herbert Marshall sehr viel zum Film beiträgt, denn ohne seine Sprünge zwischen Ernsthaftigkeit und Süffisanz würde der Film einiges an Charme einbüßen!
Unter Durchschnittlichwürde ich ihn dennoch nicht einordnen, auch für Hitchcock-Verhältnisse nicht! Da sehe ich dann zum Beispiel eher "Riffpiraten" oder "Secret Agent"!

Und zum deutschen Pendant "Mary" kann ich auch nur sagen, das er wesentlich schwächer ist, da die Besetzung nicht zündet und einige der prägnanten Szenen aus "Mord" nicht enthalten sind! Ansonsten ist ein Blick aber empfehlenswert, da es praktich eine Art Kopie zu "Mord" bildet!
 

deadlyfriend

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AW: Mord - Sir John greift ein

Riff-Piraten empfand ich in jedem Fall stärker, da er in der Erzählweise flüssiger war. Außerdem gefiel mir die gesamte Umgebung des Films. Schön rauh und düster.
 

SAB

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AW: Mord - Sir John greift ein

Charles Laughton war auf jeden Fall klasse aber irgendwas fehlte mir da leider!
Das Setting inklusive Schiff fand ich aber auch toll!
 

deadlyfriend

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AW: Mord - Sir John greift ein

Ich fand halt die etwas grobschlächtigen Hinweise auf die Zweiklassengesellschaft etwas zu dominant, wobei mir das begleitende Pärchen ab und an auch auf den Wecker ging. Zumindest zu Beginn der Zusammenarbeit. Ebenfalls die Haltung der Angeklagten fand ich nicht so prickelnd. Wenn sie vielleicht anders dargestellt gewesen wäre hätte das bei mir mehr gezündet. Ich hatte kaum einen Bezug zu ihr. Den hatte aber Sir John ohne zu wissen warum. Da hätte man vielleicht etwas mehr darauf eingehen können. Aber wie gesagt ich finde den Film absolut nicht schlecht aber ich muß auch zugeben das ich von ihm auch extrem verwöhnt bin.
 

Willy Wonka

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AW: Mord - Sir John greift ein

Aber auch die britische Version des Stoffes, um die es hier hauptsächlich gehen soll, funktionierte nicht ganz so prächtig wie die meisten anderen Filme von ihm. Man merkte doch deutlich das es sich hier um eine Adaption eines Bühnenstückes handelt. Nicht unbedingt durch die Dramaturgie, sondern eher am ziemlich groben Schnitt und an der Abfolge der Szenen. Vieles wirkte eben wie eine Aneinanderreihung von Bühnenauftritten. Der Tatort, die Befragung der Polizei, die Gerichtsverhandlung sowie das Geschworenenzimmer wirkt etwas stillos hintereinander geklatscht.

Das ist mir beim Film überhaupt nicht negativ aufgefallen, wenn man vorher seine früheren Werke gesehen hat, fällt einem direkt auf, dass Hitchcock besser mit einem Theaterstück umgehen konnte. Seine visuelle Ästhetik ist gereift im Vergleich zu „Juno and the Paycock" und „The Farmer's Wife", denn allein die Szene, in der wir zum ersten Mal das Mordopfer sehen ist großartig. Die Kamera dreht sich im Kreis und blendet die Gesichter der Umstehenden ein und nähert sich dann langsam immer näher dem Opfer. Allein von der technischen Seite ist das für damalige Verhältnisse großartig gewesen, denn es muss bedacht werden wie groß, sperrig und laut die Kameras zur damaligen Zeit waren.

Auch der Aufwand wegen der berühmten Rasierszene ist beachtlich, denn der innere Monolog wurde vorher aufgenommen und die Musik wurde live im Hintergrund von einem Orchester eingespielt.

Mir hat vor allem die Verschmelung der Theaterwelt mit der Realität sehr gut gefallen und die Überführung des Täters.

Aber wie gesagt ich finde den Film absolut nicht schlecht aber ich muß auch zugeben das ich von ihm auch extrem verwöhnt bin.

Wenn man seine Filme chronologisch sieht, ist man zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht von ihm verwöhnt worden. „The Lodger" war ein absolutes Meisterwerk und auch „Erpressung" war ein sehr guter Thriller, aber die restlichen Filme konnten nur bedingt überzeugen.

Einzig der Humor des Films ist für mich ein wenig zu englisch gewesen und wirkte an manchen Stellen deplatziert. Ich kann nicht einschätzten, ob Hitchcock den Film selbst als eine Farce sieht oder ob der Humor und die verschiedenen theaterhaften Einlagen nur einen Gegenpol zur Thrillerhandlung und der Auflösung des Whodunit darstellen sollte.
 

Willy Wonka

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Mary


Bei „Mary“ handelt es sich um die deutschsprachige Version des Films „Mord – Sir John greift ein!“. Beide Filme wurden parallel von Alfred Hitchcock gedreht, da zu Beginn der Tonfilmära die Technik der Synchronisation noch nicht sehr weit fortgeschritten war und nicht die Qualität besaß, wie heutige Synchronisationen.
Deutschland war schon immer ein wichtiger Markt für die Filme von Hitchcock und er selbst wurde sehr stark von den deutschen expressionistischen Filmen eines Fritz Langs oder Friedrich Wilhelm Murnaus geprägt, entschied er sich den Film mit zwei verschiedenen Ensembles zu drehen, um auch eine deutschsprachige Version in die deutschen Kinos zu aufzuführen.
Nur in wenigen Aspekten weicht die deutschsprachige Version vom Original ab. So gibt es sogar mehrere kleine Szenen, welche direkt übernommen worden sind. Doch allein bei der Laufzeit gibt schon die erste Nichtübereinstimmung, denn so ist „Mary“ fast eine halbe Stunde kürzer und damit sehr in seiner Dramaturgie massiv gestrafft worden. Viele humorvolle Szenen wurden entfernt und auch längere Einstellungen wurden drastisch gekürzt. Aufgrund der vielfältigen Kürzungen fehlen dem Zuschauer in gewissen Szenen sogar Informationen, was vor allem bei Ortswechseln auffällt. So wird zum Beispiel nicht deutlich, warum John bei einer Familie aufwacht und von deren Kindern geweckt wird und nicht in seinem eigenen Apartment. Des Weiteren sind die Schnitte hart, arrhythmisch und erzeugen keine Homogenität. Hinzukommend hat dieser Film auch von der technischen Seite im Vergleich zum Original eine verminderte Qualität, was möglicherweise auch auf die rudimentäre Restauration zurückzuführen ist. So schwankt die Lautstärke der Dialoge und manche Szenen sind ungut beleuchtet - so wirken manche Objekte überstrahlt.
Das größte Übel sind aber die deutschen Schauspieler, denn sie agieren durchweg wie Laien und sagen ihren Text – mehr oder weniger auf oder lesen ihn womöglich sogar ab. Eindrucksvoll hat Hitchcock mit diesem Film bewiesen, wie hoch der Stellenwert von guten Schauspielern ist und welche Bedeutung eine gute Führung der Schauspieler hat, denn durch Hitchcocks unausgereiften Deutschkenntnissen konnte er nicht genau auf die Wortwahl und Betonung achten und konnte daher nicht seinen Pflichten als Regisseur nachkommen.

Heute ist dieser Film einzig aus historischer oder filmanalytischer Sicht interessant, denn er offenbart die Problematiken des frühen Tonfilms (Parallelen zur aktuellen 3-D-Technik sind offensichtlich) und zeigt die damaligen kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und England aus der Sicht eines englischen Filmemachers auf, wenn man beide Filme und deren Unterschiede vergleicht.
Wer einen guten Thriller bzw. Kriminalfilm sehen will, sollte definitiv das Original vorziehen, denn zwischen beiden Filmen liegen - aus qualitativer Hinsicht - Welten.
 

Tarantino1980

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Mord - Sir John greift ein

In der frühen Phase des Tonfilms sprang auch Alfred Hitchcock auf den Zug auf. Im Jahr 1930 drehte er "Mord - Sir John greift ein". Kurios ist allerdings das er das gleiche Script in Deutschland nochmal verfilmte, um sich eben auch auf diesem Markt zu etablieren. Nur eben mit deutschen Darstellern und einer dramaturgischen Straffung.
Ich weiß auch nicht warum, aber irgendwie hatte ich nie große Lust auf den Film. Das wollte ich dann gestern Abend einmal ändern und werde mir natürlich auch noch Mary anschauen.


Aber auch die britische Version des Stoffes, um die es hier hauptsächlich gehen soll, funktionierte nicht ganz so prächtig wie die meisten anderen Filme von ihm. Man merkte doch deutlich das es sich hier um eine Adaption eines Bühnenstückes handelt. Nicht unbedingt durch die Dramaturgie, sondern eher am ziemlich groben Schnitt und an der Abfolge der Szenen. Vieles wirkte eben wie eine Aneinanderreihung von Bühnenauftritten. Der Tatort, die Befragung der Polizei, die Gerichtsverhandlung sowie das Geschworenenzimmer wirkt etwas stillos hintereinander geklatscht.
Hier gehe ich absolut mit Dir. Irgendwie fehlt mir bei dem Film eine Dramatugie. In sich wirken manche Szenen noch okay, aber im gesamten Erzählfluss finde ich wirkt vieles noch etwas sehr holprig. Gerade die Gereichtsverhandlung fand ich sehr zäh und auch etwas komisch inszeniert. Spannung kam da für mich wirklich erst im Geschworenenzimmer auf.

Was mich aber wirklich wieder sehr beeindruckt hat war der Mut gewisse Dinge so zu zeigen. Das fing an mit dem doch recht ausladenden Dekolleté der Dame im Nachthemd über die Tatsache das der Mörder ein Transvestit war. Und als ob das schon nicht für die Entstehungszeit des Filmes provokant genug gewesen ist, lässt Hitchcock selbigen in einem vollem Familienzirkus Selbstmord begehen und nicht, was vielleicht sogar das naheliegenste gewesn wäre, das er einfach vom Hochseil runterspringt, nein er erhängt sich vor versammelter Manschaft. Klar sowas ist heutzutage kein großes Ding mehr, aber sowas 1930 zu zeigen denke ich wird den ein odere anderen Kinobesucher doch sicherlich etwas verstört haben und die Presse dürfte da bestimmt auch nicht so ganz begeistert von gewesen sein. Ich finde es also sehr mutig das er solche Dinge gezeigt hat. Und ich finde es auch verwunderlich das er dennoch eine große Karriere gemacht hat, obwohl er solche tabubrüche begangen hat. Wenn ich dann im direkten vergleich an Michael Powell denke, der dreißig Jahre später für Peeping Tom danach quasi geächtet wurde ist das schon eine interessante Sache das Hitchcock dennoch, obwohl er solche Tabus gebrochen hat, solch eine Karriere noch hingelegt hat.

Trotzdem ist ihm genau in dieser Phase eine frühe Fassung von "Die 12 Geschworenen" geglückt. Hier nimmt der Film auch Fahrt auf. Einer der Geschworenen ist der Titelheld der sich von den anderen zu einem Schuldspruch überreden läßt, diesen aber hinterher bereut, da er immer noch nicht überzeugt ist. Sir John greift nun ein und beginnt auf eigene Faust mit fremder Unterstützung zu ermitteln.
Die Ermittlungen von Sir John fand ich hingegen wieder recht gelungen, wenn natürlich auch hier nicht wirklich die Klasse seiner späteren Werke zu spüren war, was ich aber auch viel auf die Entstehungszeit schiebe, weil es immerhin 1930 war!


Auch hier ist Hitchcocks Lieblingsmotiv, des zu Unrecht beschuldigten Menschen, klar zu erkennen. Nur aus einer ungewohnten Perspektive, da die eher teilnahmslose Hauptverdächtige, eine Nebenrolle inne hat. Somit entwickelt sich ein "Whodoneit", ein Feld das Hitchcock eher weniger mochte und gegenüber Truffaut als langweilig bezeichnete. Dies merkt man dem Film auch ein wenig an.
Ja ich finde das spürt man dem Film auch an, das er sich glaube ich mit der Story nicht ganz wohl fühlte und, mal abgesehen von ein paar richtig guten Einstellungen, Dialogen oder auch Sets, im großen und ganzen weit hinter seinen Möglichkeiten blieb.


Wäre nicht die erstklassige Performance von Herbert Marshall allgegenwärtig, würde er wohl wesentlich schlechter abschneiden. Somit greift Sir John nicht nur in den Fall ein, sondern rettet auch noch den Film.
Abgesehen von seiner tollen Leistung wird mir wohl die Rasierszene für immer in Gedächtnis bleiben, besonders wenn man weiß wie sie entstanden ist. Diese "kleine Szene" zeigt sehr deutlich in welchen Dimmension Hitchcock immer gedacht hat. Abgesehen das man die Idee haben muss dann auch noch eine Lösung für damalige technische Probleme finden. Heutzutage natürlich absolut kein Problem so eine Szene in der Postproduktion zu vertonen, aber damals sowohl ein Tonband Gerät laufen zu lassen, mit der zuvor besprochenen Passage von Herbert Marshall aber dann noch zusätzlich, damit die passende Filmmusik zu hören ist, einfach beim Dreh hinter der Wand ein 30-Mann-Orchester spielen zu lassen, das hat auf jeden Fall was! Ich bin mir sicher viele hätten hier beim Dreh gesagt ein Klavier oder eine Geige würde auch reichen, aber nicht Hitchcock! Sowas finde ich immer absolut fasznierend und ich kann mir nur halbwegs vorstellen wie Leute bei dieser Produktion geschaut haben als er zuerst die Idee vorgetragen hat, aber dann eben auch dem Dreh bewiesen hat das sowas dann funktioniert! Und das dann auch noch so auf die finale Filmrolle zu bannen das es im fertigen Film sich anhört wie es sich anhört, das fand ich schon gigantisch!


Insgesamt ist dem Meisterregisseur aber trotzdem nur ein eher durchschnittlicher Film geglückt.

Dem kann ich mich anschließen. Ich tendiere hier zu einer 5.5-6/10 für den Film. Es gibt ein paar sehr interessante Aspekte an dem Film, aber im großen und ganzen bezweifele ich das ich ihn mir nochmals anschauen werde.
 

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Nachdem ich kürzlich Mord - Sir John greift ein gesehen hatte, wollte ich natürlich auch der Vollständigkeit halber Mary anschauen. Obwohl es im Prinzip der selbe Film ist, liegen da wirklich Welten dazwischen. Ich bin mir nicht wirklich sicher warum dem so ist. Ich habe zwei Theorien auf die ich gleich näher eingehen werde. Zuerst einmal möchte ich hier aber auf jeden Fall lobend erwähnen wie toll ich es von Alfred Hitchcock fand das er diese zwei Versionen so überhaupt gedreht hat. Wie Willy in seiner tollen Kritik ja bereits erwähnt hatte, handelt es sich bei Mord - Sir John greift ein um Hitchcock´s ersten kompletten Tonfilm. Da Deutschland für ihn auch ein wichtiger Markt war, und damals die Synchronisation noch in den Kinderschuhen steckte hat er die Entscheidung getroffen den Film einfach mal 2x zu drehen, einmal für den englischsprachigen Raum und einmal für den deutschsprachigen Raum. Das alleine ist schon aufwendig genug gewesen. Leider sind aber zwei qualitativ sehr unterschiedliche Filme entstanden. Nun aber zu meinen beiden Theorien warum dem so ist.

Theorie 1:
Der wohl naheliegenste Aspekt und bestimmt auch mit der Hauptgrund, warum Mary deutlich schlechter ausgefallen ist, wird das Budget gewesen sein. Ich kann mir halt nur schwer vorstellen das Hitchcock hierfür von dem Studio sehr viel Geld zur Verfügung gestellt bekommen hat um quasi den selben Film nochmals zu drehen, noch dazu da er weder in Großbritannien noch in den USA hätte je aufgeführt werden können. Aber er wollte ja offenbar auch das die neuste technische Errungenschaft im Kino, der Tonfilm, auch in seinem neusten Werk im deutschsprachigen Raum, Einzug hält, also war es auf jeden fall eine tolle Entscheidung von ihm. Dennoch gibt es ein paar Kleinigkeiten die mir bei der Sichtung aufgefallen sind, welche die Theorie 1 als einzigen Grund für mich ausschließt.

Theorie 2:
Wie alle Fans wissen war er ein Perfektionist und wollte immer das Beste aus seinen Filmen rausholen. Daher wirken hier einige Schnitte in diesem Film sogarnicht rund und passen absolut nicht zu Hitchcock. Wenn es nur Mary geben würde, könnte man glauben das es einfach der Entstehungszeit geschuldet ist, aber da Mord - Sir John greift zuerst gedreht wurde, sieht man ja das es auch 1930 schon anders ging. Daher stelle ich hier einfach mal die gewagte These in den Raum das einige Schnitte sogar pure Absicht waren um zu experimentieren wie diese beim Deutschen Kinopublikum ankamen. Den so schwer mir das fällt zu schreiben muss ich zugeben das Mary vielmehr wie ein alter Film aussieht, die man so sonst aus dieser Zeit, gerade aus Deutschland kannte. Schlechte Schnitte, schlechte Kameraarbeit und häufig, gerade zu Anfrang ist mir das häufig aufgefallen das ein Schnitt quasi mitten im Ende des Dialoges gesetzt wurde und häufig sogar dadurch das Gespräch der Protagonisten häufig sehr apprupt endete.

Auch wenn man hier manche Szenen, die wirklich 1:1 vom Inhalt her, nur mit anderen Darsteller*Innen gedreht wurden, sich genauer betracht, fällt dies extrem auf. Am stärksten ist es mir in der Sequenz im Geschworenenzimmer aufgefallen. In Mord - Sir John greift ist diese Szene wirklich sehr gut inszeniert worden und lies auch schon 1930 das spätere meisterliche Talent von Hitchcock durchblitzen. Und für diese Szene braucht man wahrlich kein großes Budget. Dennoch wirkt dieselbe Szene in Mary viel schlechter, aber, wenn man mal genauer drüber nachdenkt, viel deutscher. Gerade wenn man sich alte deutsche Produktionen aus dieser Zeit anschaut wirken sie vom Schnitt und der Inszenierung her sehr ähnlich. Also ist hier wirklich meine Vermutung, das Hitchcock einfach versuchen wollte, damit seine deutsche Version des Filmes in Deutschland noch besser ankommt, den Film an aus seiner Sicht deutsche Sehgewohnheiten anzupassen. Wie gesagt es ist nur eine These von mir die ich nicht belegen kann, daher würde es mich einmal interessieren wie die anderen, die beide Filme kennen, dazu stehen.

Ein weiteres, wenn auch kleines Detail ist mir auch sofort aufgefallen da es eben direkt zu Anfang des Filmes ist. Wie bereits in meinen Zeilen zu Mord - Sir John greift beschrieben ist mir sehr aufgefallen wie freizügig doch zu Anfang die junge Dame in ihrem Nachthemd mit ordenltich Dekolleté zu sehen war. In Mary, mal davon abgesehen das besagte Dame hier nicht mehr so attraktiv wirkte, was natürlich nur eine subjektive Beobachtung meinerseits ist, sieht man hier deutlich weniger von ihr und sie trägt ein, für damalige Verhältnisse deutlich angemesseners Outfit in der Szene nämlich einen Pyiama. Aus heutiger Sicht kein großes Ding, aber wir reden über über die 1930er und offenbar hatte hier Hitchcock schon mehr Angst dasselbe Outfit wie in seiner britischen Version zu nehmen. Oder war es vielleicht eine Entscheidung der Darstellerin in Verbindung mit der Requisite? Auf jeden Fall ist es mir extrem aufgefallen, da mir das in seiner britischen Version des Filmes auch aufgefallen war.

Wer einen guten Thriller bzw. Kriminalfilm sehen will, sollte definitiv das Original vorziehen, denn zwischen beiden Filmen liegen - aus qualitativer Hinsicht - Welten.

Abschließend kann ich mich diesem Satz von Dir lieber Willy nur anschließen. Ich bin ehrlich, genial finde ich auch Mord - Sir John greift nicht, aber die Chance das der nochmal im Player landet ist weitaus größer als das ich Mary mir nochmals anschaue. Aber natürlich, gerade weil es sich um etwas besonderes handelte das er hier zwei Versionen des selben Filmes inszenierte, musste ich natürlich auch einen Blick auf Beide werfen!
 

deadlyfriend

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Bei mir aktuell leider zu lange her, um hier etwas Ausführliches zu sagen. Immerhin bist du gerade 15 Jahre später dran. :nice: Als großen Plan habe ich zwar vor, nochmal Hitchcock chronologisch zu sichten, aber das kann noch sehr lange dauern. Das ist ja nicht mal eben ein Wochenprojekt. Selbst wenn ich pro Woche einen Film schaffe, bin ich 1 Jahr damit beschäftigt.
 

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Bei mir aktuell leider zu lange her, um hier etwas Ausführliches zu sagen. Immerhin bist du gerade 15 Jahre später dran. :nice:
Ich weiß garnicht was Du meinst:nice:

Wahnsinn wie die Zeit vergeht. Immerhin ist es bei mir auch mittlerweile fast genau so lange her das ich Hitchcock für mich entdeckt habe!


Als großen Plan habe ich zwar vor, nochmal Hitchcock chronologisch zu sichten, aber das kann noch sehr lange dauern. Das ist ja nicht mal eben ein Wochenprojekt. Selbst wenn ich pro Woche einen Film schaffe, bin ich 1 Jahr damit beschäftigt.

Vielleicht schaffen wir beide es dann ja gemeinsam im Jahr 2039 eine chronologische Sichtung zu schaffen :lol:

Zumindest versuche ich aber meine Hitchcock Lücken nun jahrzehnte Weise abzubauen. Im Moment habe ich daher meinen Fokus auf die Jahre 1930-1940. Soviele sind es auch garnicht mehr bei mir die ich noch ungesehen in der Sammlung habe von ihm. Ungesehen in der Sammlung, von seinen Spielfilmen, stehen noch 9 Titel in der Sammlung. Allerdings habe ich mich bisher noch nicht überwinden können mir auch mal seine Stummfilme anzuschauen. Klar das wird auch noch irgendwann passieren, aber ich bin halt wirklich kein großer Fan von Stummfilmen, aber Der Mieter wird auf jeden Fall irgendwann mal gesichtet und wer weiß vielleicht bin ich dann so angefixt das ich auch weitere Stummfilme noch schaue.

Aber das ist das schöne bei Hitchcock, es wird nie langweilig da seine Filmographie so umfassend ist, das man auch problemlos sich Jahrzehnte mit ihm geschäftigen kann.
 

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Ich weiß garnicht was Du meinst:nice:

Wahnsinn wie die Zeit vergeht. Immerhin ist es bei mir auch mittlerweile fast genau so lange her das ich Hitchcock für mich entdeckt habe!
Ja, wenn so viele Jahre zwischen den Postings liegen, ist es dann manchmal sehr schwierig noch zu antworten. Zumindest wenn man die Filme nicht in- und auswendig kennt.
Vielleicht schaffen wir beide es dann ja gemeinsam im Jahr 2039 eine chronologische Sichtung zu schaffen :lol:
Ich fürchte, ich beginne durch deine Postings etwas früher damit :lol:Wie im Hitchcock Thread beschrieben, bereite ich gerade einiges dazu vor.
Zumindest versuche ich aber meine Hitchcock Lücken nun jahrzehnte Weise abzubauen. Im Moment habe ich daher meinen Fokus auf die Jahre 1930-1940. Soviele sind es auch garnicht mehr bei mir die ich noch ungesehen in der Sammlung habe von ihm. Ungesehen in der Sammlung, von seinen Spielfilmen, stehen noch 9 Titel in der Sammlung.
Welche sind das denn?

Allerdings habe ich mich bisher noch nicht überwinden können mir auch mal seine Stummfilme anzuschauen. Klar das wird auch noch irgendwann passieren, aber ich bin halt wirklich kein großer Fan von Stummfilmen, aber Der Mieter wird auf jeden Fall irgendwann mal gesichtet und wer weiß vielleicht bin ich dann so angefixt das ich auch weitere Stummfilme noch schaue.
Ja, das ist erstmal eine Umstellung. Ich lege dabei auch eher weniger den Fokus auf Unterhaltung bzw. die gewohnte Narrative. Ist eine Übungssache. Wenn ich bei Hitch in den 30ern angekommen bin, werde ich wahrscheinlich zwischendrin auch nochmal "M" von Fritz Lang schauen, da der ihn wohl beeinflusst hat. Insgesamt wird dies ein spannendes Projekt. Eigentlich wollte ich ja eine De Palma Retrospektive starten, aber in umgekehrter Reihenfolge macht das wohl mehr Sinn. :nice:
 

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Dem kann ich mich anschließen. Ich tendiere hier zu einer 5.5-6/10 für den Film. Es gibt ein paar sehr interessante Aspekte an dem Film, aber im großen und ganzen bezweifele ich das ich ihn mir nochmals anschauen werde.
Sagte ich am 24.05.24 und habe ihn mir gestern am 02.06.24 nicht nur noch einmal angesehen, sondern auch in vielen Momenten sogar anders wahr genommen. Angefangen von der Bewertung, die hier bei mir nun bei einer 7.5/10 liegt!

Auch hier zeigt es sich wieder das es sich definitiv lohnt Filme eines Regisseurs hintereinander anzusehen, auch wenn es sich um keine direkten Fortsetzungen handelt, aber dennoch es eine Fortführung seines Werks ist!

Was mir z.B. bei der Sichtung sofort sehr präsent aufgefallen war war hier der symbolische Mittelfinger den Hitchcock den Studiobossen gezeigt hat, die ihn noch bei dem Vorgänger Juno and the Paycock dazu genötigt hatten das Bühnenstück sehr nach dem Original zu verfilmen und somit es auch wie ein Bühnenstück aussehen zu lassen. In Mord - Sir John greift ein gibt es hierzu eine wunderbare Szene in der zwei Polizeibeamte hinter der Bühne während eine Vorstellung läuft die Darsteller befragen. Man bekommt im Hintergrund mit was auf der Bühne passiert, aber der Fokus liegt ganz klar auf der Befragung hinter den Kulissen die immer wieder durch Einsätze im Stück unterbrochen wird. Eine wirklich herrliche Situationskomik die dadurch entsteht und Hitchcock zeigt hier ganz deutlich auf, was mit dem Medium Film möglich ist, wo halt das Theater damals an seine Grenzen gestoßen ist.

Ich hatte ja schon zuvor über die ikonische Rasierzszene gesprochen, welche ich immer noch grandios finde. Aber auch ansonsten gab es einige Passagen die mir nun deutlich dynamischer vorkamen als bei meiner Erstsichtung. Was mir auch aufgefallen ist war die Einführung von Sir John. Während die anderen Jury Mitglieder schon vorher irgendwie im Bild waren wird er wirklich erst gezeigt als er wirklich vom Vorsitzenden der Jury angesprochen wurde und er um seine Meinung gebeten wurde. Zuvor habe ich ihn zumindest in diesem Raum nicht wahr genommen. Inzenatorisch also auch sehr stark von Hitchcock gelöst.

Ansonsten will ich mich hier nicht wiederholen, da ich ja schon bereits einiges über den Film geschrieben hatte. Das alternative Ende gefällt mir übrigens sogar noch etwas besser da es nicht ganz so apprupt kommt und zeigt das aus Sir John und Diana ein Paar wurde, was in dem Filmende nicht zu 100% klar wurde, da man die beiden nur auf der Bühne sieht. Übrigens auch eine tolle Idee mit der Geschichte in der Geschichte, also das aus dem "Fake Theakter Stück" das den Mörder überführen sollte, dann tatsächlich ein Theaterstück wurde. Auch eine tolle Idee für den Schluss.
 

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Vielleicht schaffen wir beide es dann ja gemeinsam im Jahr 2039 eine chronologische Sichtung zu schaffen :lol:
Unglaublich das wir da tatsächlich mittendrin sind. :respekt:
Allerdings habe ich mich bisher noch nicht überwinden können mir auch mal seine Stummfilme anzuschauen. Klar das wird auch noch irgendwann passieren, aber ich bin halt wirklich kein großer Fan von Stummfilmen, aber Der Mieter wird auf jeden Fall irgendwann mal gesichtet und wer weiß vielleicht bin ich dann so angefixt das ich auch weitere Stummfilme noch schaue.
:lol::truppe:

Ich habe nebenbei erwähnt, meine Eingangsrezi überarbeitet und "Mary" mit eingebaut.

Sagte ich am 24.05.24 und habe ihn mir gestern am 02.06.24 nicht nur noch einmal angesehen, sondern auch in vielen Momenten sogar anders wahr genommen. Angefangen von der Bewertung, die hier bei mir nun bei einer 7.5/10 liegt!
Chronologische Sichtungen sind einfach Gold wert. :D
Auch hier zeigt es sich wieder das es sich definitiv lohnt Filme eines Regisseurs hintereinander anzusehen, auch wenn es sich um keine direkten Fortsetzungen handelt, aber dennoch es eine Fortführung seines Werks ist!
Man erkennt so viele Dinge und lernt wahnsinnig viel dazu, wenn man sich mit den Filmen intensiv beschäftigt.
Was mir z.B. bei der Sichtung sofort sehr präsent aufgefallen war war hier der symbolische Mittelfinger den Hitchcock den Studiobossen gezeigt hat, die ihn noch bei dem Vorgänger Juno and the Paycock dazu genötigt hatten das Bühnenstück sehr nach dem Original zu verfilmen und somit es auch wie ein Bühnenstück aussehen zu lassen. In Mord - Sir John greift ein gibt es hierzu eine wunderbare Szene in der zwei Polizeibeamte hinter der Bühne während eine Vorstellung läuft die Darsteller befragen. Man bekommt im Hintergrund mit was auf der Bühne passiert, aber der Fokus liegt ganz klar auf der Befragung hinter den Kulissen die immer wieder durch Einsätze im Stück unterbrochen wird. Eine wirklich herrliche Situationskomik die dadurch entsteht und Hitchcock zeigt hier ganz deutlich auf, was mit dem Medium Film möglich ist, wo halt das Theater damals an seine Grenzen gestoßen ist.
Die Szene ist tatsächlich stark und zeigt viel auf. Ein tolles Beispiel wie man Film von der Bühne trennt.
Ich hatte ja schon zuvor über die ikonische Rasierzszene gesprochen, welche ich immer noch grandios finde. Aber auch ansonsten gab es einige Passagen die mir nun deutlich dynamischer vorkamen als bei meiner Erstsichtung. Was mir auch aufgefallen ist war die Einführung von Sir John. Während die anderen Jury Mitglieder schon vorher irgendwie im Bild waren wird er wirklich erst gezeigt als er wirklich vom Vorsitzenden der Jury angesprochen wurde und er um seine Meinung gebeten wurde. Zuvor habe ich ihn zumindest in diesem Raum nicht wahr genommen. Inzenatorisch also auch sehr stark von Hitchcock gelöst.
Beides richtig stark! Auf die Idee mit der Rasierszene muss man zu diesem Zeitpunkt erstmal kommen und Gespräche aus dem Off, hat er danach weitergeführt und auch auf ein neues Level gehoben.
Ansonsten will ich mich hier nicht wiederholen, da ich ja schon bereits einiges über den Film geschrieben hatte. Das alternative Ende gefällt mir übrigens sogar noch etwas besser da es nicht ganz so apprupt kommt und zeigt das aus Sir John und Diana ein Paar wurde, was in dem Filmende nicht zu 100% klar wurde, da man die beiden nur auf der Bühne sieht.
Mir gefielen beide Varianten, aber ich glaube dass das was er genommen hat, mir ein Tick mehr zusagt, weil er es durch die Kamera ein wenig offener und interpretierbarer gelassen hat.
Übrigens auch eine tolle Idee mit der Geschichte in der Geschichte, also das aus dem "Fake Theakter Stück" das den Mörder überführen sollte, dann tatsächlich ein Theaterstück wurde. Auch eine tolle Idee für den Schluss.
Fand ich auch bärenstark, dass er den Kinofilm im Theater hat enden lassen. Die Szene ist super!
In meiner "neuen" Rezension bin ich ja noch ein wenig auf die Dinge eingegangen, die mich ein wenig gestört haben. Nach der ersten halben Stunde, finde ich den Film deutlich stärker und ab da hat er mir richtig gut gefallen.
 

Tarantino1980

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Unglaublich das wir da tatsächlich mittendrin sind. :respekt:
Aufjedenfall! Und es zeigt mir auch mal wieder, nicht nur auf dem Bereich Film bezogen, wie wichtig es ist auch ab und an mal seine Kompfortzone zu verlassen. Bei Pleasure Garden fühlte es sich noch nach etwas Arbeit für mich an, aber seit The Lodger war mir dann klar, das hier noch viele ungesehen Perlen und vorallem Filmeindrücke auf mich warten, vor denen ich viel zu lange die Augen verschlossen hatte.


Die Szene ist tatsächlich stark und zeigt viel auf. Ein tolles Beispiel wie man Film von der Bühne trennt.
Wie gesagt habe ich sie bei meiner ersten Sichtung noch nichtmal als so stark gefunden, aber seitdem ich wieder total vom Hitchcock Fieber gepackt bin und mich sehr mit ihm beschäftige, ist mir sofort aufgefallen wie Stark hier eine Aussage von ihm vorhanden war, gerade wenn man weiß welches seine Ziele waren wenn er Bühnenstücke adaptierte um sie cineastisch umzusetzen. Er wollte immer, was ihn meistens auch, genauso wie hier, vollzüglich gelungen ist um eben einen Mehrwert zu zeigen und nicht einfach nur den Inhalt eines Bühnenstückes 1:1 verfilmt hat, ohne neue Akzente zu setzen!

Beides richtig stark! Auf die Idee mit der Rasierszene muss man zu diesem Zeitpunkt erstmal kommen und Gespräche aus dem Off, hat er danach weitergeführt und auch auf ein neues Level gehoben.
Gerade für solche Ideen liebe ich Hitchcock wirklich. Er hat sich immer weiterentwickelt und hat Maßstäbe gesetzt. Er hätte auch einfach nur glücklich sein können das er nun mehr Möglichkeiten hat durch Dialoge eine Gesichte zu erzählen, aber er geht einfach einen Schritt weiter und will dem Zuschauer auch noch den inneren Dialog seines Protagonisten zeigen und "natürlich" auch noch schöne Begleitmusik dabei haben wollen. Ich hatte es zuvor schon einmal erwähnt aber ich wiederhole mich hier genre. Einfach nur mindblowing! Er hat halt immer nach Lösungen gesucht und war dabei sehr kreativ. Hürden waren für ihn da um sie zu überspringen und danach die Latte noch höher zu hängen anstatt sich auf seinem Erfolg auszuruhen!

Auch ist Hitchcocks Lieblingsmotiv, des zu Unrecht beschuldigten Menschen, klar zu erkennen. Nur aus einer ungewohnten Perspektive, da die eher teilnahmslose Hauptverdächtige, eine Nebenrolle inne hat.
Der Zusammenhang ist mir, bis zu meiner aktuellen Sichtung auch noch nicht so wirklich bewusst gewesen, das er im Grunde diesen Aspekt in Der Fall Paradin wieder mit aufgenommen hat, nur das dort die Verdächtige Maddalena Paradine deutlich präsenter in den Film mit eingebunden wurde als Diana Baring in Mord - Sir John greift ein. Ich denke, der Film hätte auf jeden Fall etwas mehr an Dynamik noch gewonnen wenn es mehr direkte Interaktionen zwischen Sir John und Diana gegeben hätte. So ist sie, wie Du es so passend formuliert hast, wirklich nur eine Nebenrolle, obwohl es um ihre Geschichte geht!
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Trotzdem hat die deutsche Variante zu kämpfen, was einfach daran liegt, das er partiell unglaubwürdig erscheint. Nur die Darsteller auszutauschen erwies sich als falsch, da der Rest zu britisch war.
Es war halt leider ein Zeit aber auch Budget Thema. Hitchcock hätte sich hier definitiv auf Drehbuch Änderungen einlassen müssen um den Film noch mehr an den deutschen Markt anzupassen.

Wenn der sprung- und bruchstückhafte Beginn nicht wäre, würde er bei mir aber deutlich höher im Kurs liegen. Er wirkt nicht wie aus einem Guss, wie es bei "The Manxman", "Der Weltmeister", "Blackmail" oder "Der Mieter" der Fall war.
Bei meiner Erstsichtung hatte ich hier noch ein stärkers Gefühl von fehlender Dynamik bzw. fehlendem Erzählfluss. Komischerweise war dies bei meiner letzten Sichtung jetzt deutlich besser vom Gefühl! Ich würde ihn auch nicht zu seinen Besten zählen, aber man sieht es ja auch an meiner deutlich höheren Wertung, ich fand ihn jetzt wirklich deutlich besser!

Zudem mochte ich seine Co-Ermittler nicht sonderlich
Tatsächlich kamen mir die beiden bei meiner ersten Sichtung auch etwas deplatziert bzw. überflüssig vor. Aber mittlerweile finde ich es nachvollziehbar warm er Beide ins Vertrauen gezogen hat da sie ihm eben wichtige Informationen noch geben konnten, da sie beide am Tatort waren und er durch geziehlte Nachfragen, gewisse Dinge besser einordnen konnte ja sogar vertehen konnte.

und auch die Szene mit den Kindern im Bett fand ich persönlich einfach befremdlich und unlustig.
Die Szene fand ich tatsächlich auch sehr komisch zumal der Film vorher auch keine Anstallten machte um hier ein traditionelles Familienleben zu zeigen.

In der deutschen Version wurde übrigens auch das Motiv für die Verschleierung des Täters umgeschrieben, was für mich auch nicht sonderlich gelungen war.
Hier finde ich defintiv auch die britische Version besser, nachvollziehbarer und natürlich auch deutlich provokanter.

Aber auch hier muss ich gestehen das ich bei meiner Erstsichtung nicht so explizit verstanden hatte das Diana mit Handle Fayne verlobt bzw. in einer Beziehung war. Das ist mir bei der Zweitsichtung erst so richtig aufgefallen. Ich könnte mir aber auch vorstellen das es durch meine "Stummfilm Nachschulung" jetzt erst so richtig aufgefallen ist, weil ich durch die Sichtungen der Stummfilme halt gelernt habe mehr auf Mimik und Gestik zu achten, aber auch auf Kleinigkeiten. Die Art und Weise wie Diana hier reagierte als Sir John den Namen des Schauspielkollegens erfahren wollte zeigte mir sehr deutlich, das hier Gefühle Ihrerseits mit im Spiel sein müssen für diese Person! Das muss ich zu meiner Schande gestehen, war mir bei meiner ersten Sichtung nicht aufgefallen. Also alleine aus solchen Gründen hat es sich für mich absolut gelohnt mir auch die ganzen Stummfilme von Hitchcock anzusehen!

Trotz allen Kritikpunkten macht der Film Freude aber er wird nicht in einer Hitchcock Top 30 bei mir zu finden sein.

Das ist wirklich sau schwer, eben weil man noch weiß was für Schwergewichte da noch kommen! Dennoch, werde ich nach der Komplettsichtung versuchen mich auf eine Top 20 zu einigen, was bei seiner Anzahl von guten Filmen extrem schwierig sein wird. Bei vielen Regisseuren wäre es sehr einfach, da häufig nicht wesentlich mehr Filme von Ihnen existieren udn wenn es denn einmal mehr wären, bestimmt nicht alle von gleicher Qualität wären. Aber wenn man bei Hitchcock eine Top 20 erstellt muss man sich das einfach vor Augen führen das man mehr als das doppelte an Filmen nicht berücksichtigen kann! Vielleicht wäre es daher wirklich sinnig, fairer Weise um es etwas einfacher und proportional zu seinem Gesamtwerk, hier mal unüblicher Weise eine Top 30 zu erstellen.
 
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