AW: Kino in der Krise
Das Hauptproblem, welches das Kino hat, dürfte doch das Heimkino sein. Also daß man sich seit etlichen Jahren eine passable Ausrüstung für das Wohnzimmer kauft und sein eigener Programmdirektor wird, ohne schwer reich sein zu müssen. Dadurch verschwindet doch schon ein gewisser Anreiz, überhaupt ins Kino gehen zu "müssen". Man ist unabhängig von der Fernsehaustrahlung, indem man sich den Film ein paar Monate später einfach nach Hause holt. Man sammelt sich seine Favoriten zurecht und kann sie jederzeit gucken. In dem Punkt ist man doch erheblich flexibler geworden.
Was bleibt dem Kino also als Anreiz? Sicher die Atmosphäre, die große Leinwand und der Premierenbonus. Nicht wenige werden einen ruhigen Abend vor dem heimischen Bildschirm bevorzugen, weil dort nicht ein paar hundert Leute sitzen, die irgendwann mal husten müssen, aufs Klo rennen, rumknistern, irgendwelche Gespräche anfangen oder im Bild sitzen. An der großen Leinwand kann man sich sattsehen und für daheim einen Beamer beziehungsweise eine mächtige Glotze anschaffen. Bleib also der Anreiz, einen Streifen als erstes im Kino sehen zu können. Und was entscheidet nun darüber, ob ich dem erliege? Eclipsed hat es meiner Meinung nach schon richtig gesagt: einzig die Qualität des Filmes. Meinetwegen kann man hier die Qualität mit der Erwartung an den Film gleichsetzen.
Die Frage, die sich mir in erster Linie stellt, ist, ob ich einen Film unbedingt sehen will oder muß. Ist die Erwartungshaltung riesig, aus welchen Gründen auch immer, dann spielt der Preis für eine Ticket nicht die größte Rolle. Zu unterschätzen ist das sicher nicht, irgendwann mag man zu dem Gedanken kommen "Man, das war aber teuer". Und dann geht man ganz bewußt oder vielleicht sogar unterbewußt seltener hin. Bis ein Film wieder Großes verspricht und man ihn nicht erst in einigen Monaten zu Gesicht bekommen will.
Ganz so schlecht kann es dem Kino doch gar nicht gehen, solange noch neue Umsatzrekorde eingefahren werden. Mag sein, daß es sich etwas zuspitzt und ein Avatar dann alles in den Schatten stellt, während andere Produktionen darunter leiden. Dann ist es aber höchstens ein Problem in der Breite und keineswegs in der Spitze.
Und wenn ich mir die
Zahlen der deutschen Kinogänger so Jahr für Jahr betrachte, dann wird doch deutlich, daß Ende der 60er, Anfang der 70er ein starker Abschwung da war. Seitdem ist das Bild doch ziemlich gleich geblieben, wenn man die Schwächephase Mitte bis Ende der 80er außen vorläßt. 1972 sind 149,8 Millionen Zuschauer in die Kinos gewandert, 2009 waren es 146,3 Millionen. Bei den ganzen gesellschaftlichen und medialen Entwicklungen eigentlich ziemlich erstaunlich, daß das Niveau gehalten werden konnte. Also ich sehe die Zahlen positiv angesicht der technischen Möglichkeiten von heute. Klar wünschen sich Kinobetreiber sicher einen stetig höheren Zulauf wie beim Volkssport Nr. 1 in den Fußballstadien. Nüchtern betrachtet ist geben die Zahlen aber keinen Raum für eine Krise.
Das Ergebnis für 2010 wird wohl einen Rutsch nach unten machen, wenn die Prognose dort hinkommt. Aber woran das nun genau liegen mag, schwierig. Ich denke, daß es eher die Qualität der Filme insgesamt war, die nicht noch mehr Menschen ins Kino gelockt hat. Ein "Rekordjahr" wie 2001, das schon heraussticht, ist für mich nicht anders zu erklären.
Damit wir uns nicht falsch verstehen, ich finde es auch bedenklich, daß man weiter an der Preisschraube bei den Tickets drehen will angesichts der Tatsache, daß die Wirtschaft erst die größten Teile einer wirklichen Krise hinter sich hat und der Durchschnittsbürger beziehungsweise die Leute mit geringerem Einkommen nicht automatisch mehr Geld zur Verfügung haben. Das ist gewiß keiner positiver Anreiz, damit mehr Leute ins Lichtspielhaus strömen.
Vielleicht hätte der Autor ganz einfach deutsche Filme und internationale Filme in der Betrachtung einfach strikter trennen müssen. Denn auf unser Thema hier übersetzt mußte die Frage ja lauten: Deutsche Kinofilme in der Krise?
Denn das scheint mir der Aufhänger zu sein, daß deutsche Produktionen im abgelaufenen Kalenderjahr kaum Zuspruch an den Kassen erfahren haben und er als Drehbuchlieferant indirekt darunter zu leiden hat. Ich bin ja auch der Meinung, daß sich Komödien wie die von oder mit Til Schweiger glänzend bei uns machen und die Leute das gerne sehen wollen. Ebenso Bullys Produktionen, die finden offensichtlich regen Zuspruch. Nur muß deshalb alles gleich Komödie sein? Auch hier sehe ich mehr ein generelles Qualitätsproblem. Kann sich ein deutscher Actionfilm mit einem aus Hollywood messen, dessen Budget womöglich vielfach höher ist und mit wesentlich bekannteren Gesichtern locken kann? Scheinbar nicht so richtig, das dürfte im humorigen Genre leichter sein, weil globale Produktionen aus der Traumfabrik sicher nicht die Feinheiten unseres Humors berücksichtigen oder den Streifen darauf zuschneiden. Das ist zwar verallgemeinert, aber immerhin mein Erklärungsansatz, warum Filme aus den USA in der Spitze sehr viel mehr Besucher anlocken und nur heimische Produktionen aus dem Genre Komödie mehrere Millionen Zuschauer vorzuweisen haben.
Ein guter Film ist ein guter Film, egal welcher Stilrichtung er nun angehört. Aufgrund von Alterbeschränkungen ist es manchen Genres halt nicht möglich, absolute Bestmarken aufzustellen. Aber deshalb will ich noch lange nicht nur seichte und lustig fröhliche Familienschmonzetten wie "Mein Vater, sein bester Freund und ich auf drei Hochzeiten an einem Tag" sehen.
Ansonsten kann ich aber dem Autor schon in einigen Punkten zustimmen. Wiederaufführungen hätten für mich einen speziellen Anreiz. Die würde ich gerne öfters und gezielt sehen. Denn drei Viertel der neuen Filmen jucken mich überhaupt nicht, geschweige denn werde ich sie sehen. Dann doch lieber einen meiner Favoriten vor großer Kulisse aufgeführt sehen, weil ich damals dazu keine Chance hatte oder es schlichtweg verpaßt habe. Solange das nicht überhand nimmt, wäre das in flauen Zeiten doch eine gute Sache.