Interview mit einem Vampir
Der Journalist Daniel Malloy (Christian Slater) staunt nicht schlecht, als sich sein Interviewpartner Louis de Pointe du Lac (Brad Pitt) als Vampir outet. Er erzählt seine unglaubliche, 1791 in New Orleans beginnende Geschichte, in der Louis des Lebens überdrüssig, von Lestat de Lioncourt (Tom Cruise) als Vampir erschaffen wurde und seitdem auf der Suche nach Vergebung und dem Sinn seines Daseins ist...
Als der vom Iren Neil Jordan inszenierte (nach dem Roman von Anne Rice) Film im Jahre 1994 das dunkle Licht der Welt erblickte, war ich hin und weg und total begeistert. Nach über 20 Jahren stellte ich mir nun die Frage, ob
Interview mit einem Vampir immer noch so bei mir punkten kann. Die Antwort ist ganz eindeutig: Jaaaa!!!!
Die Geschichte vom Vampir der traurigen Gestalt ist einfach nur als brillant zu bezeichnen. Das eng an der Romanvorlage adaptierte Drehbuch (Jordan und Rice) zieht mich vom ersten Moment an in diesen morbiden Strudel von Tod, Blut, Verzweiflung und auch Lebensfreude hinein. Wobei das Thema Lebensfreude zunächst ausschließlich Lestat vorbehalten ist, der seinem Dasein nur das Beste abgewinnen kann und jederzeit mit Spaß, Brokat und spitzen Zähnen bei der Sache ist. Der komplett gegen den Strich besetzte Tom Cruise (dessen Cast zunächst auf Ablehnung aller Orten stieß und am meisten bei Anne Rice selbst, die dann aber nach Sichtung des Films auch Abbitte leistete!) spielt sich hier mit Verve und Grandeza in einen schaurig, schönen (Blut)Rausch. Man sieht Cruise in jeder Sekunde den Spaß bei seinem nie übertriebenen Spiel an und die überträgt sich auch auf den Zuschauer, der teils angewidert aber auch zutiefst fasziniert Lestats Treiben verfolgt. Nur Louis kann diese Begeisterung nicht teilen, denn er hängt seinem alten Leben nach und das töten von Menschen ist ihm eine Qual. Sein menschliches Gewissen hat er leider mit auf die andere Seite genommen. Brad Pitts traurige Augen (trotz Kontaktlinsen) erzählen ohne viele Worte sein Dilemma, aus dem es scheinbar keinen Ausweg bis in alle Ewigkeiten geben wird.
Und als ob die beiden Hauptdarsteller nicht schon genug Vergnügen bereiten, da stiehlt die erst 11jährige Kirsten Dunst als Claudia den beiden fast noch die Show. Ihre Präsenz ist für ihr Alter der Wahnsinn und auf ihr blasses Konto geht so manche schwarzhumorige Szene. Ihre Leistung wurde beim Oscar sträflich vernachlässigt, wobei man das ebenfalls von Tom Cruise sagen muss. Auch Antonio Banderas kann als Armand punkten. Zu diesen schauspielerischen Glanzleistungen lieferte Elliot Goldenthal (
Alien³,
Heat) den perfekt, schaurigen Klangteppich, der neben der akuraten fast schon dekadenten Auststattung, der Beleuchtung und den wunderbaren Sets viel zu diesem atmosphärisch dichten Meisterwerk beiträgt.
Neil Jordans Schauermär ist in vielerlei Hinsicht so anders als die Klassiker des Vampirfilms aber er verrät den Vampir-Mythos wie so manch unsäglich moderne Version nicht. Das es auch viele Interpretationsmöglichkeiten hinsichtlich Homosexualität oder Sexualität im allgemeinen gibt ist wie auch im "Original" von Bram Stoker offensichtlich, die Auslegung liegt aber auch hier wie immer im Auge des Betrachters.
Übrigens ist der Film River Phoenix gewidmet, der eigentlich die Figur des Daniel Malloy verkörpern sollte. Sein zu früher, tragischer Tod verhinderte dies und Christian Slater sprang kurz vor Beginn der Dreharbeiten für ihn ein.
Ja, auch nach über 2 Dekaden hat
Interview mit einem Vampir nichts von seiner Faszination verloren. Danke an alle Beteiligten!
10/10