Diesen Film hatte ich bisher erst einmal gesehen, irgendwann in meiner Jugend als ich noch nicht wusste wer Hitchcock überhaupt war und damals war es für mich einfach nur ein "alter" Film, der aber denoch irgendwie schon eine Scharm hatte, weshalb ich am Ball blieb.
Daher war ich auf diese Sichtung auch sehr gespannt wie er nun nach all den Jahren auf mich wirken würde und vorallem im Gesamtkontext, da mir ja bewusst war das es eine Komödie ist und somit duch und durch ein komplett anderer Hitchcock Film sein wird.
Nach mehreren Welterfolgen am Stück, hatte er vom Studio freie Hand und er entschied sich ausgerechnet dafür eine Komödie zu verwirklichen. Deshalb wird er im Gesamtwerk von vielen Leuten als etwas unpassend angesehen, aber da gehe ich nicht wirklich konform. Viele Zutaten sind ganz klar Hitchcock. Sein Humor, den er ja bereits in vielen Filmen untergebracht hat, spielt diesmal halt keine Nebenrolle, sondern ist die Hauptzutat.
Ich kann sein Entscheidung schon nachempfinden, da der Film halt mal was komplett anderes war und sein Grundthema - Mord - halt mal von einer komplett anderen Seite beleuchtet. Was zunächst wie ein Unfall aussieht entwickelt sich dann im Laufe des Filmes immer mehr zu einem Running Gag.
Was ich aus künstlerischer Sicht auch sehr interessant fand, wenn man
Über den Dächern von Nizza als Sommerurlaubsfilm ansieht, bekommt man mit
Immer Ärger mit Harry eine Herbstkomödie die sich nach Heimat anfühlt. Zum einen wirkt der Film, was sicherlich auch an der Romanvorlage liegt, sehr britisch, obwohl er in den USA spielt, aber er versprüht auch eine wundervolle ländliche Idyle an einem Landstrich wo jeder jeden kennt. Und mal abgesehen von dem Luxusauto des Millionäres könnte man meinen, auch gerade weil der Sherif dort einen Oldtimer fährt, das der Film in einer viel älteren Zeit spielt. Alles wirkt älter, nicht modern und erst recht nicht, mal abgesehen von den wunderschönen gestochenscharfen und farbenfrohen Bildern, wie ein Film aus dem Jahr 1955. Irgendwie hatte ich hier das Gefühl das sich Hitchcock bewusst dieses Projekt aussuchte um vielleicht auch mal etwas zu rasten, die Schönheit des Lebens zu genießen und vielleicht auch um nachzudenken wie es weitergeht, nachdem er drei sehr erfolgreiche Filme gedreht hat. Vielleicht brauchte er auch einfach eine kurze Zeit der Muse. Das dabei diese wunderschöne kleine Film entstanden ist, war ein sehr schöner Seiteneffekt.
Natürlich, wenn man gerade mitten in dieser Epoche Kinogänger war und
Bei Anruf Mord,
Das Fenster zum Hof und
Über den Dächern von Nizza gesehen hatte und dann den nächsten Hitchcock freudestrahlende erwartete wurde man sicherlich enttäucht, eben weil man auf einen Film ähnlichesn Kalibers gehofft hatte. Aber wie oben erwähnt glaube ich schon das er sich diese kleine Auszeit bewusst genommen hat, vielleicht aber auch um weiter mit dem herrlichen Format VistaVision herumzuspielen.
Verdächtige Unschuldige gibt es ebenfalls und auch die feinen Charakterzeichnungen und Studien sind hier vorzufinden. Sogar Suspense ist hier zu finden, nur diesmal in der Form wann der nächste Gag ausgebuddelt wird.
Auch das war ein wirklicher Running Gag wie oft Harry vergraben und wieder ausgebudelt wurde und vorallem unter welchen Umständen.
Ich konnte z.B. nicht mehr als Sam und Jennifer sich einig waren ihn doch wieder auszugraben weil sie ja unbedingt heiraten wollten und das ja nur geht wenn Harry für Tod erklärt wird und sie keine 7 Jahre warten wollten. Zu dem Zeitpunkt wussten sie ja noch nicht das er an einem Herzschlag gestorben ist.
Der Film ist tiefschwarzhumorig, was mir auf jeden Fall gefallen hat!
In den USA ist er bei Veröffentlichung zunächst krachend gescheitert. Die Amerikaner kamen mit dem schwarzen Humor des Briten nicht wirklich klar und waren schockiert, wie man mit einem Toten umgeht.
Ich kannn es nachvollziehen, da der Film halt auch sehr britisch und altmodisch wirkt und somit so garnicht in die damalige Filmlandschaft in den USA reinpasste.
Ganz anders in Europa. Hier ist er komplett eingeschlagen und in Großbritannien sowieso.
Was dann halt die logische Schlussfolgerung war das er in Europa besser ankam.
Fantastisch ist auch die damals recht unbekannte Darstellerriege. Besonders gefreut habe ich mich über Edmund Gwenn, den Hitchcock wohl nicht vergessen hat. Immerhin ist dies bereits der vierte Auftritt unter seiner Regie, da er bereits Anfang der 30er mehrfach für ihn vor der Kamera stand. Hinzu kommt der erste Auftritt von Shirley MacLaine auf der Kinoleinwand, die es ebenfalls großartig macht, aber der restliche Cast steht da nicht hinten an. Das Ensemble spielt prächtig und greift in jeder Szene perfekt ineinander über.
Der Cast ist hier wirklich ein Traum. Besonders beeindruckt hat mich hier
Shirley MacLaine. Ich wusste garnicht das es ihre erste Filmrolle war. Aber für mich war es kein Wunder das sie danach eine Karriere gemacht hat. Wäre ich damals ein Filmemacher gewesen und hätte sie in diesem Film gesehen, ich hätte sie auch danach unbedingt für meinen nächsten Film besetzen wollen! Sie hat hier einfach hinreißend gespielt, aber eben auch mit Wortwitz und auch etwas Frechheit. Und obwohl sie ein ganz anderer Typ Frau als
Grace Kelly verkörperte, ist sie hier auf jeden Fall sofort augefallen! Aber auch
John Forsythe muss man hier lobend erwähnen, der seine Rolle wirklich leistfüßig spielte.
Edmund Gwenn und
Mildred Natwick haben aber auch gut gespielt und die vier zusammen haben einfach ein herrliches Ensemble abgegeben. Auch wenn es nur in dem Moment eine Ablekung/Tarnung war als sie zu viert Karten gespielt haben, man hatte aber sofort das gefühl das diese beiden Paare dies regelmäßig machen, also regelmäßig sich treffen, Spieleabende machen oder gemeinsame Unternehmungen. Das war für mich ein sehr wichtiger Faktor das diese vier so gut miteinander harmoniert haben!
Das Finale mit der Badewanne ist hier ein perfektes Beispiel. Die Szene ist großartig geschrieben und sorgt einfach für Lachkrämpfe.
Tatsächlich hatte ich schon den ersten Lachkramf als Capt. Willes Harry das erste mal wegschaffen wollte und dann von Miss Gravely dabei gestört wurde. Anstatt das sie hier schreit oder die Szenerie hinterfragt reagiert sie aber sowas von britisch reagiert und nur fragt "Haben Sie etwa Unannehmlichkeiten, Captain?"
Wobei nein, den ersten Lachanfall hatte ich als der Captain Harry gefunden hatte - "Du meine Güte. Den hab ich auf dem Gewissen. Ein harmloser Schuß am Morgen und schon ist man ein Mörder". Da konnte ich nicht mehr! Als ob es das normalste der Welt wäre das man, auch wenn es nur ein Unfall gewesen wäre, jemand erschießt. Auch hier kein Anzeichen von Panik oder Reue. Herrlich. Und der Film ist voll von diesem Wortwitz!
Auch natürlich sie selbstverständlich Jennifer dann dem Arzt die Story erzählt und erklärt wieso Harry da so in der Badewanne liegt. Einfach nur super lustig!
Aber auch als Sam zu Mrs. Wiggs ging und anstatt sich ein paar Zigaretten aus der Schachtel zu nehmen, diese in zwei Hälften schnitt und nur meinte das er die andere Hälfte morgen dann kaufen würde. Total bekloppt aber hat mich in dem Moment total erwischt.
Nicht vergessen darf man aber die Bildarbeit, denn der Film sieht fantastisch aus, was die hervorragende Blu Ray unterstreicht. Die Farben sind ein Traum und der komplette Bildausschnitt sagenhaft.
Dem kann ich nur absolut zustimmen. Ich muss gestehen ich bin absofort ein richtiger Fan von VistaVision. Dieses Verfahren was Paramount da eingeführt hat ist wirklich phänomenal! Ich habe den Film in meiner 4K Version mir angesehen und habe danach direkt eine Bildvergleich gemacht. Die Unterschiede sind wirklich maginal, also auch die Blu-ray weißt ein sehr gutes Bild auf. Die 4K Scheibe ist vielleicht vom Collorgrading noch etwas kraftvoller und heller, aber hätte ich jetzt die Blu-ray zu erst gesehen glaube ich nicht das ich etwas vermisst hätte. Also hier muss man wirklich sagen das dieses Verfahren phantastisch war und so manchen aktuellen Film richtig schwach aussehen lässt. Gerade bei aktuelleren Filmen hat man ja hin und wieder das Thema das die 4K Disc zu dunkel geraten ist, das kann man bei diesem fast 70 Jahre alten Bildmaster definitiv nicht behaupten, im Gegenteil für mich absolutes Referenzmaterial!
Ein ganz wichtiger Faktor ist auch die Musik und die hat natürlich in diesem Fall einen filmhistorischen Wert. Dies war nämlich die erste Zusammenarbeit zwischen Alfred Hitchcock und Bernard Herrmann, was der Beginn einer kompletten Dekade war, die Filmgeschichte geschrieben hat.
Das war dann wohl definitiv eine glückliche Fügung des Schicksals da man hätte eigentlich für diesen Film kein musikalisches Genie benötigt hätte, aber es natürlich nicht schadet wenn man so jemanden mit an Bord hatte.
Für mich nicht nur für Hitchcock-Fans sehenswert, sondern auch für jeden der schwarzen Humor liebt, der in einer famosen Bildästhetik verpackt ist!
Das kann ich nur unterstützen.
Immer Ärger mit Harry ist definitiv einer der Filme von Hitchcock die man auch sich sehr gut ansehen kann wenn man sonst nichts mit Hitchcock anfangen kann, wenn man kein Thriller bzw. Krimi Fan ist und daher mit den üblichen Verdächtigen von Hitchcock nichts anfangen kann. Ich behaupte sogar auch hier bei
Immer Ärger mit Harry, wenn man es nicht nachlesen würde und den Vorspann verpasst hätte, würde kaum einer drauf kommen, das es ein Hitchock Film ist, außer eben seine Fans die sich ohnehin mit dem Film auseinander gesetzt haben.