eXistenZ
Eine Inhaltsangabe wäre bei diesem Film fatal, deshalb nur kurz die Ausgangssituation: Die gefeierte Spieleentwicklerin Allegra Geller wird während der Präsentation ihres neuen Werks von einem fanatischen Spielegegner angeschossen. Zusammen mit ihrem Security-Mann Ted Pikul taucht sie unter, um weiteren Anschlägen auf ihr Leben zu entkommen und den mysteriösen Vorkommnissen auf den Grund zu gehen.
Joypads, Touchscreens, VR-Brillen, Bewegungssteuerung – alles Schnee von gestern. In David Cronenbergs Virtual Reality-Thriller „eXistenZ“ ist der Spieler auf solch vorsintflutlichen Schnickschnack nicht mehr angewiesen: Die halborganische Spielekonsole der Zukunft (via „Nabelschnur“-Kabel über den Bio-Port direkt mit dem zentralen Nervensystem verbunden) befördert ihn höchstselbst in eine realistisch und fantastisch zugleich anmutende Spielwelt, wo er sich – ganz ohne Tutorial und natürlich im Multiplayer - nach Herzenslust austoben kann. Naja, zumindest fast. Werden bestimmte, vom Spiel verlangte Handlungen nicht durchgeführt, schreitet die Geschichte nicht fort und man hängt quasi in einer Endlosschleife. Doch unsere nette Spielekonsole hat eine praktische Hilfefunktion gleich mit eingebaut und hilft dem Spieler auf die Sprünge, indem sie ihn bestimmte Schlüsselsätze automatisch aussprechen lässt. Tja, völlige Handlungsfreiheit in Computerspielen bleibt wohl auch in Zukunft illusorisch. Sei's drum. Die Hauptfrage in „eXistenZ“, die sich sowohl die Filmcaraktere als auch die Zuschauer stellen, lautet vielmehr: Bin ich in der Realität oder spiele ich noch? Was nicht leicht zu beantworten ist, da sich die Grafik seit längst vergangenen „Tron“-Zeiten stark weiterentwickelt hat und stylisches Herumgehampel á la „Matrix“ nicht möglich ist. Und da selbst in der virtuellen Welt Spielkonsolen vorhanden sind, könnte man sich auch in einem Spiel im Spiel befinden...
Cronenberg treibt dieses Verwirrspiel auf die Spitze, während er gleichzeitig eine nachvollziehbare Geschichte erzählt, der man relativ leicht folgen kann. Kein „Naked Lunch“ im Cyberspace also. Optisch präsentiert sich „eXistenZ“ jederzeit dreckig und realistisch, was natürlich für zusätzliche Verwirrung sorgt. Selbst dubiose Viecher wie eine kleine zweiköpfige Eidechsenmutation geben kaum Aufschluss darüber, auf welcher Ebene man gerade unterwegs ist. Und natürlich gibt’s auch Fleisch- und Blutgematsche; Splatterdimensionen werden aber nicht erreicht. Die Darstellerriege macht ihre Sache ausnahmslos gut, es wird geheimnisvoll über leidenschaftlich bis bewusst hölzern agiert.
Fazit: Cronenbergs kritischer Blick auf die Unterhaltungsmedien der Zukunft bietet viel Interpretationsspielraum, ohne eine interessante, nachvollziehbare Geschichte zu vergessen. Kein Horrorschocker oder Action-Blockbuster, sondern schlicht und ergreifend ein kleiner gemeiner, dreckiger Film, der mir immer wieder Spaß macht.
9/10 Punkte