Ein Mann sieht rot

deadlyfriend

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Ein Mann sieht rot

Zugegeben, ich war nie der größte Actionfan. Nach nur wenigen Ausflügen in die Gefilde von Dudikoff, Norris, Seagal, van Damme etc. brachte mich das Genre schnell zum Gähnen.
Da "Ein Mann sieht rot" natürlich den Ruf hatte, die gleiche Kerbe zu sein, beschäftigte ich mich damit erstmalig in den 90ern. Weshalb, weiß ich gar nicht mehr. Was ich dann sah, verschlug mir die Sprache. Eine feine Charakterstudie, die durch ein grausiges Verbrechen, einen bodenständigen Büromenschen zu einem Killer werden lässt. Dabei aber in keinsterweise wie die vielen Plagiate, sondern langsam. Die zerrissene Figur des Kriegsdienstverweigerers, die sich hervorragend mit Waffen auskennt, aber durch den Tod des Vaters keine mehr anrührte, war verdammt gut geschrieben. Der nächste Vorteil war die Narrative, die eben nicht den Mördern seiner Frau nachhetzt, sondern streng bei der Charakterverwandlung bleibt. Kersey jagt nicht die Mörder seiner Frau, da er keinerlei Anhaltspunkte besitzt, sondern er geht Nacht für Nacht aus dem Haus, um Abschaum von der Straße zu blasen. Das Resultat einer desillusionierten Änderung seines Wesens. Deshalb setzt der Film nicht auf die obligatorischen, emotionalen Knopfdruckpunkte des Zuschauers, sondern setzt sich eher mit der Figur auseinander. Spannung gewinnt der Film nicht durch die hasserfüllte Jagd auf die Mörder (unter anderem Jeff Goldblum in einer seiner ersten Rollen), sondern durch die Polizei, die sich einen "Rächer" nicht bieten lassen will, der obendrein von Presse und Anwohnern gefeiert wird. Aber auch hier erreicht Regisseur Michael Winner, die Kontroverse, da es auch Polizisten gibt, die darauf hoffen, daß Kersey die Dinge tut, die sie nicht dürfen.
Genau durch diesen Blickwinkel erreichte der Film Kultstatus und ein riesiges Diskussionspotential, da hier Selbstjustiz propagiert wurde, die dennoch auch fragwürdig ist. Der Film ist ein absoluter Hammer und keinesfalls mit den stupiden Actionfilmen die daraus entstanden zu vergleichen. Kersey thront im Erstling bis heute über allen anderen Selbstjustiz-Filmen.
 

deadlyfriend

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Leider ging man bei Teil 2 bis 5 andere Wege. Hier reiht er sich dann eher bei den normalen Actionfilmen ein. Teil 2 bietet durch den Bezug zu Teil 1, noch einige der Zutaten des Vorgängers aber danach verwässerte es dann. Klar, aus Action-Sicht sind die Nachfolger alle stark, teilweise fahrlässig überzeichnet und bieten dann eben 0815 Ware, die die oben genannten emotionalen Druckpunkte liefern. Kein Ausnahmefilm mehr mit Intelligenz und feiner Charakterzeichnung, sondern Unterhaltungsware. Allerdings gute Unterhaltungsware. Wer Action mag ist mit der Reihe bestens bedient, wer die Reihe wegen dem Ruf bislang ablehnte, sollte sich in jedem Fall Teil 1 anschauen, denn das ist wirklich ein Wahnsinnsfilm!
 
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