Ein Mann jagt sich selbst
Innerhalb meiner chronologischen Retrospektive durch das Schaffen von Alfred Hitchcock, kam ich natürlich auch zu seinen Kurzfilmen, die er innerhalb der Reihe „Alfred Hitchcock presents“ drehte. Einer davon hieß „The Case of Mr. Pelham“, den er 1955 in seiner Reihe veröffentlichte. Zu Grunde lag eine Kurzgeschichte von Anthony Armstrong, der bereits für ihn das Drehbuch zu „Young and innocent“ geschrieben hatte. Durch sekundäre Literatur erfuhr ich dann, dass Armstrong aufgrund des Erfolgs der Folge, seine Kurzgeschichte komplett überarbeitete und sie als kompletten Roman nochmal veröffentlichte. Im Jahre 1970 adaptierte dann Basil Dearden den Roman erneut und besetzte Mr. Pelham durch Roger Moore. Während ich das las, bekam ich dann große Augen, denn ich hatte doch vor kurzer Zeit erst ein Mediabook von Wicked Vision blind gekauft, auf dem Roger Moore in einer Doppelrolle abgebildet war. Tatsächlich, ich hatte den Film bereits im Regal und machte mich sogleich daran, ihn zu sehen.
Harold Pelham ist ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann, der ein eher konservatives und äußerst steifes Leben führt, welches nie aus dem Alltagstrott ausbricht. Er ist zunächst lediglich irritiert, dass er angeblich auf einer Party nach einem Billard-Abend gewesen sein soll, was er als seltsame Verwechslung abtut. Allerdings häufen sich diese Verwechslungen, was ihn zumindest misstrauischer macht, weshalb er zumindest vorsichtig damit beginnt, Fragen zu stellen. Als eine attraktive junge Frau ihm gekränkt mitteilt, wieso er sie ignoriert, da sie doch ein Verhältnis haben, beginnt seine Welt aus den Fugen zu geraten. Entweder besitzt er einen Doppelgänger, der sich für ihn ausgibt, oder er hat psychische Probleme, durch die er Dinge tut, an die er sich nicht erinnern kann.
Roger Moore ist in der Rolle als steifer Brite ausgezeichnet. An anderer Stelle las ich zwar, dass er nicht gut spielt, aber das habe ich völlig anders gesehen. Er macht es hervorragend und verkörpert den allmählichen Verfall seiner überzeugten Wahrnehmung sehr nuanciert. Der Film ist absolut interessant und macht auch verdammt viel Spaß, da man ja selbst ein wenig im Dunkeln tappt, was hier vor sich geht. Die verschiedenen Etappen seiner eigenen Unsicherheit werden zudem superb von der Kamera untermauert. Zu Beginn sehr gerade und aufgeräumt, nimmt sie mit zunehmender Spieldauer immer bizarrere Winkel und Positionen ein, bis sie sogar mit den Protagonisten zusammen, beginnt zu rotieren. Die Stadt London im Jahr 1970, wurde zudem äußerst würdevoll eingefangen. Musikalisch befinden wir uns ebenfalls klar im Entstehungsjahr und der Soundtrack hätte auch phasenweise ganz gut ins Italo-Kino gepasst. Die Auflösung wird nicht jedem gefallen, aber das ist Geschmackssache.
Rund um Roger Moore sind die Nebenrollen ebenfalls gut besitzt und Freunde von Hammer films, werden auch freudestrahlend Thorley Walters entdecken, der unzählige Auftritte für Hammer zu verbuchen hat. Es ist aber auch nicht alles Gold was glänzt. Die Szenen mit dem Psychologen finde ich persönlich etwas störend, was an der Anlage der Rolle lag und ein paar weitere Kleinigkeiten, die nicht komplett ins Sujet passen. Trotzdem macht der Film viel Freude und wenn man den Kurzfilm von Hitchcock kennt, hat man zudem noch eine tolle Vergleichsmöglichkeit.
Unschöner Nachtrag: im Film wurde ein Autounfall gedreht. Genau an der Stelle wie im Film, verunglückte Regisseur Basil Dearden 1 Jahr später mit seinem Fahrzeug tödlich.
Das Mediabook ist zusätzlich ein absoluter Kaufgrund. Es umfasst 3 verschiedene Synchronisationen neben dem O-Ton und bietet zudem einen deutsch untertitelten Audiokommentar mit Roger Moore persönlich und einigen weiteren Begleitern aus dem Film. Dazu gesellen sich zwei Featurettes. Eines davon mit Dr.Marcus Stiglegger, welches sich um das Thema „Doppelgänger“ dreht und äußerst interessant und gelungen ist. Im Zweiten kommen Joe Dante und Stuart Gordon zu Wort, die sich natürlich auch zu Hitchcock und der Vorlage äußern. Gerade Joe Dante kann ich nur uneingeschränkt Recht geben, dass fast jeder Regisseur, bewusst oder unbewusst, von Hitchcock beeinflusst wurde. Zudem teile ich auch seine Einschätzung, dass viele Effekte der damaligen Zeit für Staunen sorgten, während man bei CGI nur noch beiläufig mit den Schultern zuckt. Die Musik ist alleinstehend ebenfalls anwählbar und abgerundet wird das Mediabook noch von einem 32-seitigen Booklet das von Dr.Rolf Giesen und Faye Hell geschrieben wurde. TOP!