Enthält Spoiler!
Bereits vor 15 Jahren schlich ich um die DVD, die es damals - inkl. Soundtrack im Schuber - im Handel gab. Ich entschied mich damals dagegen, da mich vor allem der Titel "Ein Kind zu töten" abschreckte. Nach wie vor finde ich diesen Titel nicht gut gewählt. Natürlich wäre "Tödliche Befehle aus dem All" keine gute Alternative, noch dazu mit den unrühmlichen Veränderungen dieser deutschen Schnittfassung. Der übersetzte Originaltitel "Wer kann denn ein Kind töten?" trifft es wohl - vor allem hinsichtlich der Handlung - am besten, wobei "Island of the Damned", wie er auch schon betitelt wurde, wohl am ehesten den üblichen Kinogänger ansprechen dürfte.
Trotz bzw. auch wegen meiner damaligen Vorbehalte informierte ich mich über den Film und las natürlich auch die Kommentare hier im Forum, vor allem auch deadlyfriend‘'s KK. Es dauerte bis gestern, dass ich den Film sah, nachdem ich mir die neue Mediabook-Edition mit BD zulegte.
Aufgrund meiner Vorab-Informationen war ich natürlich leider nicht mehr unbedarft, so dass mir einiges (aber nicht alles) an Spannungsaufbau entging. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie es gewesen wäre, hätte ich den Film ohne jegliches Vorwissen eingelegt.
Der Vorspann mit den dazwischen geschnittenen dokumentarischen S/W-Bildern wirkt sehr verstörend, da sie für einen Kinofilm sehr ungewöhnlich sind. Neu waren die Bilder allerdings für mich nicht, da ich die meisten so schon im normalen Fernsehprogramm, in den Nachrichten oder in Dokus aus dieser Zeit sah. Damals war – anders wie heute – „Biafra“ ein Begriff, den man direkt mit Bildern von ausgemergelten, hungernden Kindern verband. Solche Aufnahmen sah man damals oft im TV. Auch die Szenen flüchtender Menschen in Vietnam – mit dem nackten Mädchen im Mittelpunkt - sind bekannt. Dazu die schrecklichen Bilder aus Auschwitz, aus dem Koreakrieg und aus Indien/Pakistan. Der letztgenannte Krieg ist der einzige, der mir tatsächlich nicht geläufig war.
Wenn man all dies 48 Jahre nach Entstehung des Filmes sieht, ist es sehr ernüchternd, dass man einen solchen Vorspann ohne weiteres heute mit aktuellen Aufnahmen ausstatten könnte, da es in der heutigen Welt an vielen Orten ähnlich schreckliche Szenarien gibt. Immer noch sind es die Kinder, die an erster Stelle und am meisten leiden, wenn es irgendwo Konflikte und Kriege gibt.
Dieser Vorspann sorgt bereits für ein Unbehagen und man fragt sich, was denn wohl in den nächsten 1 ½ Stunden auf einen zukommt. Im ersten Moment spürt man eher schon mal eine Erleichterung, wenn die beklemmenden S/W-Bilder ein Ende finden und in farbige Aufnahmen übergehen, in denen man einen typischen Urlaubsstrand sieht, an dem unter den Touristen viele Kinder unbekümmert spielen und eine schöne Zeit am Meer verbringen.
Eine angespülte Leiche sorgt aber dann schon mal für Aufmerksamkeit und lässt erwarten, dass in der Urlaubsregion einiges im argen liegt. Alsdann schleicht sich der Horror langsam ins Geschehen, sobald das junge Urlaubspärchen auf die Insel kommt und nirgendwo Erwachsene zu sehen sind, während angetroffene Kinder seltsam reagieren. Auf der Suche nach anderen Menschen und bei der Beschaffung von Lebensmitteln im kleinen Supermarkt streift die Kamera beiläufig in Bodennähe an einer Leiche neben einem Einkaufsregal entlang, die in diesem Moment aber nur der Zuschauer wahrnimmt. Nach und nach ereignen sich seltsame Vorfälle, bis offensichtlich ist, dass die Kinder Erwachsenen gegenüber feindlich gesinnt sind. Auch im Wissen um diese Prämisse war es für mich spannend, der Handlung zu folgen. Dass sich alles am helllichten Tag ereignet, ist eine weitere Besonderheit des Filmes. Tatsächlich bedarf es keiner Dunkelheit, um Bedrohungen und Spannung zu erzeugen.
Als Zuschauer kann man sich gut in den Gedanken hineinversetzen, wie man denn auf diese Kinder reagieren würde, auch wenn man sich selbst in Gefahr befindet. Jeder normale Mensch hat eine Hemmschwelle, die einen daran hindert mit Gewalt gegen Kinder vorzugehen. Die Ambivalenz wird hier z.B. deutlich, wenn am Ende der Ehemann mit dem Jeep in hoher Geschwindigkeit auf die Gruppe von Kindern zurast und seine Partnerin im letzten Moment ins Steuer greift, um das Fahrzeug herumzureißen, was dem Pärchen am Ende aber nicht zum Vorteil gereicht….
Die Machart des Filmes hat mir sehr gefallen. Die Kamera ist sehr angenehm. Wenn 70er Jahre-Kino so aussieht, habe ich keine Probleme damit.
Bei der Frage, ob die verstörenden Dokumentarbilder am Filmende besser aufgehoben wären, bin ich mir nicht ganz sicher, auch wenn einige Meinungen und im Nachgang auch die des Regisseurs darauf abzielen. Aber ich weiß nicht, wie ich das empfunden hätte, wenn erst nach Sichtung des eigentlichen Filmes diese S/W-Bilder gefolgt wären. Ich hätte mich womöglich gefragt: Was soll denn das jetzt? Dagegen sorgt die Platzierung am Anfang für eine hohe Aufmerksamkeit. Vielleicht nimmt dies aber auch zuviel vorweg, weil man sofort darauf eingestellt wird, dass keine konventionelle Geschichte folgen wird.
Auf jeden Fall ein interessanter Film!
8/10