Dressed to kill

Tarantino1980

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Angeregt durch den Filmtalk habe ich mir am Freitag im Anschluss Dressed to Kill zum ersten Mal angeschaut und ich bin echt begeistert. Ich hatte meine Erwartungen schon wenig runtergeschraubt, weil ich Blow Out damals auch nicht so überragend fand, aber bei Dressed to Kill ist die Inszenierung einfach so stimmig und visuell so interessant gestaltet, dass der Film schon jetzt zu meinen Favoriten von Brian De Palma zählt.

Das freut mich wirklich sehr das Du ihn Dir angesehen hat und noch mehr das er Dir auch so gut gefallen hat!

Jetzt werde ich mich aber erst einmal durch diesen Thread lesen und mich später noch einmal zu Wort melden.

Mach das! Freue mich schon auf den Dialog!
 

Willy Wonka

Locationscout
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Mach das! Freue mich schon auf den Dialog!

Hat dann doch ein bisschen länger gedauert. ;)

Leider hatte ich schon bevor es zur eigentlichen Auflösung wer die mysteriöse Blondine war, zuvor schon einen zustarken Verdacht. Die Szene in der Dr. Elliot seinen Kollegen Dr. Levy auffsuchte war für mich dann doch zu auffällig, also die Reaktion von Dr. Levy, der Dialog, spätestens dort wurde aus einem leisen Verdacht ein sehr starker Verdacht der sich dann später als Richtig erweisen sollte. Ging Dir das bei Deiner Erstsichtung auch so deadly?

Eigentlich sollte es nach der Sequenz deutlich sein, wie der Hase läuft. Vor allem wenn man sich den Filmtitel Dresssed to Kill noch einmal vor Augen führt. Andererseits war ich so in der Stimmung und Atmosphäre des Films, dass ich während des Films gar nicht über das mögliche Ende nachgedacht habe. Ich verliere das Ende eines Films gerne mal aus dem Blick und verweile komplett im immersiven „Jetzt“ der Filmhandlung.

Im Grund hat Brian de Palma genau das gemacht was ich sehr schätze, er hat für den durchschnittlichen Filmseher das "Happy End" gezeigt, aber hat dem interessierten Filmfan eine alternative Schnittfassung geboten und sie in eine "Traumsequenz" hineingepackt. Ich denke damals hätte man das perfekte Ende bei keinem Studio durchgekommen, also musste de Palma wohl hier am Schluss noch dieses Pseudo Happy End schaffen damit dem ständigen Wunsch das alles gut ausgeht genüge getan wird. Aber für mich hätte es kein Traum sein müssen, der Film hätte quasi mit der letzten Einstellung des Traumes enden können/müssen, dann wäre er für mich perfekt gewesen. Ok das ist Meckern auf sehr hohem Niveau :D.

Das Ende des Films hat mich geärgert, weil zunächst einmal alles für den Zuschauer auf dem Silbertablett serviert worden ist und die kompletten Vorkommnisse genau erklärt worden sind. Das war in dieser ausführlichen Art vollkommen unnötig und hat mich als aufmerksamen Zuschauer schon fast beleidigt. Die Albtraum-Sequenz im Anschluss wirkte auf mich billig nachgeschoben, um noch ein leichten Thrill gen Ende zu generieren. Das passte für mich nicht zum Film und erinnerte mich eher an „billigen" Horrorfilmen, wo man Ende der Killer oder das Monster noch einmal aufstehen lässt, um noch einen Schockmoment zu evozieren.

Dressed to kill zog mich sofort in seinen Bann. Gleich die erste Einstellung war so dermaßen genial. Ich kenne ja schon anhand der oben genannten Filme De Palmas Hang zu langen Kamerafahrten ohne Schnitt. Zwar war hier die Einstellung nicht allzu lang aber dafür sehr prägnant. Aus einem Allerwelts-Wohnzimmer der Zoom hinaus durch eine Tür in einen Flur um dann plötzlich links um die Ecke in ein Badezimmer zu schwenken, in der zunächst nur eine Frau unter der dampfenden Dusche zu sehen ist. Unvermittelt kommt man sich als unbeabsichtigter Voyeur vor, doch De Palma kennt keine Gnade und lässt uns weiter teilhaben am Geschehen. Eine Frau, die ihren sexuellen Träumen nachgeht, und dabei von ihrem Mann - der mittlerweile rasierend vor dem Spiegel zu sehen ist - keines Blickes gewürdigt wird. Dazu diese fantastische Musik,!! Ja da kommen Fantasien hoch, bis auf einmal eine Hand von hinten nach der Frau greift. Schock! Schnitt! Beide Protagonisten sehen wir nun beim Matratzensport und man ist als Zuschauer genauso gelangweilt wie die unten liegende Frau. Fazit der ersten 5 Minuten: Erotische Fantasie vs. Geschlechtsakt 1:0!

Großartig beschrieben! Der Anfang war für mich auch sehr intensiv inszeniert und ich musste zunächst an den Anfang von Carrie denken, wo der Zuschauer ebenfalls zum Voyeur gemacht wurde, indem Brian De Palma eine langsame Kamerafahrt in die Mädchendusche einer Sporthalle unternahm. Dort floss auch Blut, aber dort war es die erste Menstruation von Carrie.

Spätestens bei der Sequenz in der Kunstgallerie hatte mich der Film in seinen Bann gezogen. Das war genau mein Geschmack, diese Kamerafahrt, nicht zu wissen was passiert und einfach nur die schönen Bilder auf sich wirken zu lassen. Definitiv eine sehr schöne Atmosphäre!

In einem Museum weckt ein Unbekannter ihr Interesse und es entwickelt sich ein Hin und Her, das es kaum zu beschreiben ist. Fast komplett ohne Dialoge aber dafür mit genialen Schnitten und einer unbeschreiblichen Musik von Pino Donaggio kommt diese Sequenz aus, der ich völlig fasziniert erlegen bin. Große Kunst!! Interessant fand ich auch, das die Bilder im Museum immer kleiner und fast schon bedrohlicher wurden. Zu Beginn noch farbenfrohe und riesige Gemälde der Moderne, schließlich nur noch Klassiker mit düsteren Themen und ausladend, verschnörkelten Rahmen in immer kleiner werdenden Räumen und Gängen. Wie ein Sog oder Strudel, der zunächst ins Bett führt und dann leider auch noch weiter...

Ohja, die Museumsszene ist für mich auch das Herzstück des Films. Beobachtung, Neugierde, Schaulust sind die zentralen Elemente dieser intensiven visuellen Sequenz. Ich kann mich deinen Worten nur anschließen.

Zu dieser Erkenntnis bin ich übrigens gekommen bevor ich das schöne Booklet mit der Analyse von Marcus Stiglegger gelesen habe. Auch im Booklet werden ganz klar die Parallelen zum Giallo und vorallem die Stilmittel dieses Genres näher beleuchtet. Für nicht Giallo Kenner durchaus lesenswert und vielleicht eine gute Zusammenfassung davon, was einen Giallo ausmacht.

Ja, das Booklet mit dem Text von Marcus Stiglegger ist wirklich sehr lesenswert. In knappen Worten beschreibt er, was den Giallo ausmacht und welche Parallelen es zu Dressed to Kill gibt. Diese kurzen informativen und analytischen Texte runden das Filmvergnügen für mich immer ideal ab.
 
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