Der Todesengel
Der Fotograf Stefano versteht sich überhaupt nicht mehr mit seiner Frau, was auch an geschäftlichen Dingen liegt, die er lieber gerne selbst in die Hand nehmen würde. Zeitgleich verbringt er lieber den Abend mit seiner Geliebten in Venedig. Dort trifft er auf den mysteriösen Grafen Matteo Tiepolo. Ein androgyn erscheinendes, selbstsicheres Wesen, das auf Stefano eine gewisse Anziehungskraft ausübt. Die Beiden freunden sich an und man merkt das Tiepolo, trotz seiner immerwährenden Erhabenheit, ein Mensch mit einer gewissen melancholischen Ausstrahlung ist. Daran scheint sein Bruder Schuld zu haben, zu dem eine gewisse Hassliebe besteht. Der Graf möchte seinen Bruder von Stefano töten lassen. Im Gegenzug würde er die Ehefrau von Stefano beseitigen. Durch fehlende Verbindungen wäre es ein perfektes Verbrechen. Stefano sieht das nur als Gerede an, doch bald ist es Wirklichkeit und er rutscht in einen Alptraum, den er in seinen kühnsten Vorstellungen nicht haben könnte.
Wen den Plot jetzt an Alfred Hitchcock`s "Der Fremde im Zug" erinnert, liegt völlig richtig. Wobei nicht völlig klar ist ob sich "Der Todesengel" auf den Film des Meisterregisseurs bezieht, oder ob die Romanvorlage von Patricia Highsmith Pate stand. Was aber die Meisten jetzt verwundern dürfte: Ich gebe dem Werk von Maurizio Lucidi den Vorzug!
Obwohl der Regisseur eine eher überschaubare Filmographie vorzuweisen hat, hat er hier einen Film abgeliefert, der mich zutiefst beeindruckt. Für mich persönlich stimmt hier einfach Alles. Es ist definitiv kein Remake geworden, falls sich Lucidi auf Hitchcock bezogen haben sollte, sondern ein völlig eigenständiges Werk, das eben nur den Grundplot gemeinsam hat. Er nähert sich dem Inhalt aber völlig anders und liefert keinen direkten Thriller ab. Natürlich ist der Plot dieser Gattung zuzuordnen aber die Herangehensweise ist völlig different zu anderen Beiträgen. Der Film konzentriert sich kaum auf die Elemente eines Kriminalfilms, sondern eher auf seine Figuren. Die Handlung ist zwar im Vordergrund aber sie wird von seinen Figuren überrollt. Was Pierre Clementi und Thomas Milian abliefern ist einfach eine Wucht. Clementi verleiht seiner Figur des Grafen einen unvergesslichen Charakter und Milian steht ihm kaum nach. Dennoch wird man die Figur des Matteo Tiepolo wohl nie aus der Erinnerung verbannen. Natürlich bietet der Film trotz seiner erhabenen Bilder und seiner ruhigen Ausstrahlung, eine Menge Spannung. Diese resultiert aber eben aus der Kombination des Plots und seiner Darsteller. Zudem sind mit Venedig und Mailand wunderbare Kulissen integriert, die ihr Übriges zum Gelingen des Films beitragen. Ich schätze aber auch das ein gewisser Aldo Lado nicht ganz unschuldig ist.. Immerhin hat er als Drehbuchautor und als Regie-Assistent mitgewirkt. Durch seinen fulminanten "Malastrana", kann man zumindest die beklemmende Atmosphäre ein wenig einschätzen.
Oft wird der Film auch als Giallo angepriesen, was ich als falsche Fährte sehe. Reine Genre-Fans werden damit nicht viel anfangen können und der Sleaze Faktor ist höchstens in der Eröffnung zu finden. Der Film ist viel zu melodramatisch. Die Grundstimmung ist durchweg melancholisch, was durch die famose Musik noch untermauert wird. Die Drehorte tragen ebenfalls viel dazu bei und wirken perfekt.
Dennoch sollte klar sein, das man für italienische Filme aus dieser Epoche etwas übrig haben sollte. Wer nur mit heutigen Sehgewohnheiten etwas anzufangen weiß, wird mit diesem Film nicht klar kommen. Alle anderen dürfen an diesem Film keinesfalls vorbeigehen.