Bereits als ich noch recht am Anfang meiner Retrospektive von Hitchcock war und mir den ersten
The Man, Who Knew Too Much von 1934 ansah freut ich mich schon sehr auf diese Sichtung, welche ich nun heute endlich durchführen konnte. Ich kannte das Remake aus dem Jahr 1956 bereits und wusste das es ein guter Film ist. Bei meiner damaligen Sichtung kannte ich aber den originalen Film von 1934 nicht, was nun anders ist. Zum einen war ich also richtig gespannt beide Filme mit einander zu vergleichen, zum anderen wollte ich aber auch wissen wie nun das Remake auf mich wirkt.
Es war auf jeden Fall eine tolle Idee von Hitchcock hier kein 1:1 Remake seines Filmes zu inszenieren. Bei der Wahl des Drehortes Marrakesch zeigt sich auch, das Hitchcock ein Mann war der definitiv Trends frühzeitig erkannte und sie für seine Filme nutzte. Es gab wohl zu dieser Zeit, was ich aus meinem Hitchcock Buch erfahren haben, einen Trend in Hollywood, auch um sich vom aufkommenden Medium des TVs und den dort produzierten Filmen abzusetzen, außergewöhnliche Drehorte in fernen Ländern gewählt wurden. Somit konnte Hitchcock hier zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen in dem zum einen die erste Hälfte des Filmes in der fernen und exotischen Kulisse von Marrakesch gedreht wurde, konnte aber eben auch somit schon einmal eine deutliche Änderung zu seinem Original machen. Und das war eine sehr gute Entscheidung, da man somit nicht direkt von Anfang an die Filme miteinander verglichen hat, sondern die beeindruckenden Bilder, wieder wundervoll in VistaVision gedreht, auf sich wirken lassen konnte.
Hitchcock liebäugelte bereits in den 40ern damit den Film neu zu drehen, was aber, aus heutiger Sicht, zum Glück sich immer wieder zerschlagen hatte. Ich glaube mit ein Grund war, das er unbedingt die Sequenz in der Royal Albert Hall mit neuen technischen Mitteln erneut drehen wollte. Die wäre aber sicherlich in den 40ern nicht so beeindruckend gelungen, wie es 1956 der Fall war! Und es gab noch eine weitere, sehr glückliche Fügung des Schicksals, die diese Szene zu etwas ganz besonderen gemacht hat, was mit großer Sicherheit nicht so spektakulär ausgefallen wäre. In den 40ern kannte Hitchcock noch nicht
Bernard Herrmann, mit dem er im vorherigen Film -
Immer Ärger mit Harry - erstmalig zusammen gearbeitet hat. Und hier merkt man finde ich sehr deutlich das Hitchcock ein großer Teamplayer war und es liebte mit Leuten zusammen zuarbeiten die auf ihrem Gebiet ähnlich begabt waren wie er selbst. Das ist eine Erkenntnis die viele Führungskräfte leider nicht verstehen. Eine gute Führungskraft muss nicht alles selbst machen sondern in erster Linie vertrauen können und somit die Fähigkeit besitzen Leute auf der Position mit der Aufgabe zu betrauen für die sie am Besten geeignet sind. Und dann ihnen komplett zu vertrauen das sie diese Aufgabe zu ihrer vollen Zufriedenheit erleidigen, ohne ständig Entscheidungen in Frage zu stellen oder sich zu sehr einzumischen. Beim Film ist die Führungskraft am Set der Regisseur und Hitchcock verstand es perfekt dies umzusetzen. Er hatte also das Talent von
Bernard Herrmann erkannt und anstatt ihm erstmal kleine Aufgaben zu geben bzw. erst langsam zu schauen ob er mit seiner Arbeit weiterhin zufrieden sein konnte, ging Hitchcock direkt All-in und vertraute ihm dieses wichtige Projekt an, was er, soweit ich es verstanden habe, aus dem Hauptmotivationsgrund genau diese Szene in der Royal Albert Hall neu zu drehen, überhaupt so lange verfolgte. Zu dem Zeitpunkt war es kein Studioboss der Hitchcock gezwungen hatte ein Remake seines eigenen Films zu drehen, es war seine eigene Entscheidung. Und ich bin mir ziemlich sicher, auch wenn es weder im Buch noch im Interview mit Truffaut erwähnt wurde, das wenn hier Herrmann gescheitert wäre, es auch die letzte Zusammenarbeit gewesen wäre. Aber er ist nicht gescheitert im Gegenteil er konnte hier meisterlich beweisen was für ein musikalisches Genie er war!
Der zweite Punkt betrifft Bernard Herrman, der natürlich wieder die Filmmusik komponiert hat. Sein Name steht nebst Orchester auf einem Plakat vor der Royal Albert Hall und er tritt im Film dann auch wirklich als der Dirigent auf. Diese Ehrerbietung fand ich von Hitchcock absolut klasse.
Als ich den Film das erste mal sah war mir der Name noch nicht so bekannt und ich hatte natürlich auch kein Bild von ihm vor Augen. Aber das Hitchcock ihm hier soviel Ehrerbietung gab finde ich abslut klasse. Er hatte ihm ja sogar selber die Entscheidung überlassen ob er dasselbe Musikstück aus dem originalen Film für diese wichtige Szene nimmt, oder selber etwas komponiert. Auch hier zeigte Herrmann absolute weitsicht, weil das Stück einfach perfekt für diese Sequenz ist und wahrscheinlich eine eigen Komposition es auf jeder Ebene hier schwer gehabt hätte.
Diese Sequenz fand ich also im Remake auf jeden Fall nochmals beeindruckender, obwohl ich ein paar Elemente aus dem Original besser fand. Ich fand z.B. besser das man die Szenen rund um Peter Lorre´s Charakter immer wieder gesehen hatte und den Kniff, das im Original das Konzert live im Radio übertragen wurde deutlich besser. Dafür war selbstverständlich, allein auf Grund der neuen Möglichkeiten, die Sequenz deutlich opulenter im Remake. Alleine das hier Hitchcock das London Symphony Orchestra so perfekt in Szene setzen konnte, inkl. Chor, das war schon ein magischer Kinomoment. Was mir hier auch wieder aufgefallen war und mir dann auch innerhalb des Making Of auf der Blu-ray bestätigt wurde, das in dieser Sequenz es keine Dialoge zu hören gab. Man sah zwar immer mal wieder Gespräche, hörte aber die Worte nicht. Wieder ein toller Stummfilm Moment in einem Tonfilm von 1956!
Tatsächlich mag ich beide Varianten irgendwie gleich gerne. Im Original gefallen mir die düsteren s/w Bilder und auch Peter Lorre.
Für mich gab es nicht nur Verbesserungen zum Original sondern auch Verschlechterungen und auch wenn das Remake ein toller Film ist, den ich auch bei meiner aktuellen Sichtung sehr genossen habe, ist das Original für mich der deutlich bessere Film.
Das möchte ich natürlich gerne etwas genauer Begründen. Wie bereits erwähnt fängt das Remake deutlich anders an was von dem Drehort und den wunderschönen Farbszenen in Vistavision auf jeden Fall phänomenal ist, aber spätestens bei den Szenen in London, mal abgesehen von der tollen neuen Sequenz in der Royal Albert Hall, besitzt das Original für mich die deutlich bessere Herangehensweise. Zum einen ist dort die Geschichte für mich interessanter hergeleitet und die düsteren s/w Bilder, die Du ja auch erwähnt hast, punkteten hier bei mir deutlich mehr.
Natürlich wollte Hitchcock Unterschiede schaffen, was ja auch grundsätzlich gut ist, aber wenn ich z.B. alleine an die Stuhlschlacht aus dem Original denke, die Szene beim Zahnarzt oder natürlich die tolle Schießerei zwischen den Gangstern und der Londoner Polizei sind das für mich einfach Szenen die sich so in mein Filmauge eingebrannt hatten und die ich so liebe, das sie mir in diesem Film einfach fehlten und mir die Alternativ Ideen mit dem Tierpräparator nicht annährend so gut gefallen hat.
Zugegeben die Auflösung im Remake war auch sehr gut und
Doris Day hier am Klavier Que sera, sera singen zu hören, natürlich auch zum niederknien gut, aber ich fand die Dynamik im Orginal gipfelnd in der Schießerei halt irgendwie passender zu der Geschichte.
Doris Day fand das Lied "Que sera, sera" einfach nur schrecklich und wollte es laut Buch auch nur ein einziges Mal in der Filmproduktion singen und danach nie wieder. Es wurde ihr größter Hit, Erkennungsmusik ihrer eigenen Fernsehshow und sie musste es unzählige Male singen.
Das fand ich dann im übrigen eine tolle Geschichte die wirklich nur das Leben schreiben kann! Alleine wenn man bedenkt, das Hitchcock hier zunächst natürlich wieder
Grace Kelly besetzen wollte, die sich aber aus bekannten Gründen der Schauspielerei leider abgewendet hatte, wäre durch die Besetzung von Ihr wahrscheinlich weder der Song, noch die daraus entstehende Erfolgshit von
Doris Day entstanden. Ich glaube auch das Ende hätte anders geschrieben werden müssen, da ich bezweifele das dieses Lied diese Bedeutung in dem Film bekommen hätte, wenn
Grace Kelly die Rolle der Jo übernommen hätte. So schwer mir das als großer Fan von
Grace Kelly fällt zu sagen, aber ich habe sie bisher nur einmal singen hören und zwar im Film
Die oberen Zehntausend das Duett True Love gemeinsam mit
Bing Crosby, was zwar auch eine wunderschöne Szene war und auch ein schönes Lied ist, aber ihr Anteil an dem Gesang war deutlich kleiner und es klang zwar gut, aber so groß wie
Doris Day hier in
Der Mann, der zuviel wusste das Lied Que sera, sera gesungen hat, bezweifele ich, dass
Grace Kelly dies hätte vom Stimmumfang geschafft. Von daher war es glaube ich eine glückliche Fügung, so gerne ich auch
Grace Kelly in einem weiteren
Alfred Hitchcock Film gesehen hätte, das hier
Doris Day die Rolle bekam.
Aber auch sonst hat sie die Rolle wirklich sehr gut gespielt und sie hatte mich auch damals schon total begeistert, da ich zu dem Zeitpunkt wirklich nur ihre RomCom Filme, welche ich auch sehr gerne immer wieder sehe, kannte. Aus filmhistorischer Sicht sind jedoch all Ihre Liebeskomödien, für die sie so bekannt war, erst nach diesem Film entstanden. Sie hatte zwar auch schon zuvor in einigen Filmen mitgespielt, aber tatsächlich glaube ich mittlerweile das diese Rolle in Hitchcocks Film einen großen Teil zu Ihrer Bekanntheit beigetragen hat, auch wenn sie, mal abgesehen von
Mitternachtssspitzen aus dem Jahr 1960, meisten eher in den romantischen Komödien wiederzufinden war.
Optisch war's dazu wieder eine wahre Freude, wie toll die BD auf der Leinwand aussieht! Strahlende Farben und sehr gute Qualität. Und gerade die Bilder in der Royal Albert Hall (inkl. Außenaufnahme derselben) sehen dabei fantastisch aus.
Was "Newcomer", die nicht mit alten Filmen groß geworden sind, beim Betrachten des Films wahrscheinlich stören wird, sind die auffälligen Hintergrundprojektionen, die es bei einigen Hitchcock-Filmen gibt, was natürlich der Entstehungszeit geschuldet ist. Aber so etwas kann natürlich - wenn man die heutigen technischen Möglichkeiten gewohnt ist - schon etwas die Stimmung trüben, weil man eben deutlich auf die Tatsache verwiesen wird, dass man es mit einem Schauspiel zu tun hat. Das muss man akzeptieren.
Mich persönlich stört das auch nicht, weil ich es eben so aus alten Filmen kenne. Ich kann mir aber vorstellen, dass es junge Visionäre gibt, die das anders sehen. Schön, dass Du ein Feeling für so etwas hast und es zu schätzen weißt.
Was den geringeren Aufwand anbelangt, fragte ich mich allerdings schon öfters, ob sich das wirklich so deutlich bemerkbar macht (muss es aber wohl). Ich achtete z.B. besonders darauf, ob bei Außenaufnahmen ohne Hintergrundprojektion mit den Darstellern gedreht wurde oder mit Doubles. So gibt es im vorliegenden Fall z.B. Szenen, in denen James Stewart und Doris Day mit einer Kutsche in Marrakech zum Hotel fahren. Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht sicher bin, ob's die Darsteller waren. Nur falls sie's waren, liegt halt die Frage nahe, ob man nicht auch andere Außendrehs mit ihnen hätte machen können. Muss mal googlen, ob ich dazu etwas finde.
Das Thema Rückprojektionen hatten wir beide ja schon einmal etwas weiter Vorne im Thread uns ausgetauscht. Aber gerade in den Filmen die in Vistavision gedreht wurden gibt es wohl einen Aspekt, der mir vorher auch noch nicht bewusst war und zusätzlich zu den ohnehin schon verwendeten Rückprojektionen, weitere benutzt werden mussten, bzw. Hitchcock dies so wollte, da wohl bei Nahaufnahmen das Geschehen unheimlich scharf und gut aussah, was man deutlich in seinen Filmen mit diesem Verfahren sieht, aber wohl Dinge im Hintergrund dadurch teilweise sehr unscharf wirkten oder einfach nicht so gut aussahen wie er sich das vorstellte. Also mussten bei einigen Szenen, obwohl sie an realen Drehorten gedreht wurden etwas getrickst werden, damit auch der Hintergrund gut aussieht und dafür hat er dann Rückprojektionen benutzt um andere gedrehte Bilder dort wieder einzufügen.
Von daher glaube ich, ohne es zu wisen, das in der fahrenden Kutsche am Hotel wirklich
James Stewart und
Doris Day drin saßen, aber dann als die Kutsche Stand halt wieder Rückprojektionen verwendet wurden, um einen möglichst gutes Hintergrund Bild zu bekommen. Man darf hierbei halt auch nie vergessen das diese Szenen damals im Kino sicherlich nicht so scharf aussahen wie wir sie heute in unseren Heimkinos erleben dürfen. Wenn Zeitreisen möglich wären, mal abgesehen von vielen geschichtlichen Ereignissen die ich gerne live sehen würde, wäre dies auf jedern Fall auch ein großer Wunsch von mir in verschiedenen Zeiteprochen einfach Filme mit der damaligen Projektionstechnik zu erleben wie sie damals im Kino gewirkt haben. Gerade bei Hitchcock bin ich mir ziemlich sicher das viele Leute im Leben nicht darauf gekommen wären das es sowas wie Rückprojektonstechnik gibt und das ganze Zugfahrten in seinen Filmen nie wirklich passiert sind.
Aber generell ein super spannendes Thema und sowohl durch das Making Off, als auch durch mein Hitchcock Buch weiß ich jetzt das Hitchcock damals tatsächlich in Marroko in der Stadt Marrakesch gedreht hat. Damals, bei meiner ersten Sichtung, war ich mir da noch nicht sicher ob nicht doch nur Studiosets verwendet wurden.
Übringes auch in London hat er viele Außenaufnahmen gedreht und nur die Innenaufnahmen sind Studiosets. Es macht so unheimlich viel Spaß solche kleinen aber feinen Dinge im Nachgang zu erfahren.
James Stewart und Doris Day machen ebenfalls einen tollen Job, weshalb mir das überhaupt nicht leicht fällt, mich für eine der zwei Varianten zu entscheiden. Deshalb mache ich das auch nicht.
Von den Darstellern her, abgesehen von
Peter Lorre der natürlich im Original eine Bank ist, haben mir natürlich
James Stewart und
Doris Day nochmal besser gefallen, als damals
Leslie Banks und
Edna Best. Was mir aber im Original besser gefallen hat war der Wortwitz des Ehepaars Lawrence der im Remake nicht vorhanden war. Es gibt natürlich diese lustige Sequenz im Restaurant in Marrakesch, aber wenn ich da an die ganzen witzigen Dialoge zwischen Bob und Jill denke, das war schon toll. Dabei wirkten die Dialoge zwischen Ben und Jo stellenweise etwas ernster manchmal sogar etwas agressiver.
Doris Day und
James Stewart haben ihre Rollen toll gespielt, aber
Leslie Banks und
Edna Best hatten auch tolle Momente.
Ebenfalls klasse finde ich, das ein gewisser Dario Argento für sein "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe" auf den gleichen Profikiller zurückgriff, wie Hitchcock in "Der Mann, der zuviel wusste": Reggie Nalder
Nicht umsonst hat
Dario Argento den von mir sehr gliebten
Do You Like Hitchcock? inszeniert.
Er muss einfach ein riesen Fan von Hitchcock sein was sowohl im Fall von
Alida Valli als nun auch bei
Reggie Nalder nochmal ganz klar hervorgeht.
Alida Valli war natürlich deutlich bekannter, aber eben auch kein Weltstar aber
Reggie Nalder ist nun wirklich kein Weltstar und gefragter Darsteller gewesen, als das es auf der Hand war das man ihn für einen Film castet. Somit muss also einem
Dario Argento letzgenannter in diesem Film von Hitchcock aufgefallen sein um ihn dann 14 Jahre später für seinen Erstling zu besetzen. Ein genialer Fakt! Natürlich war mir dies bei meiner Erstsichtung nicht aufgefallen, aber als ich Nalder das erste mal heute sah bekam ich sofort ein fettes Grinsen ins Gesicht. Ich musste sofort an ihn in der gelben Jacke denken.
Als Fazit muss ich sagen das ich beide Filme sehr mag, aber das Orginal liebe und er es auch in meine persönliche Hitchcock Top 10 geschafft hat. Aber dennoch hat das Remake absolut seine Berechtigung, was definitiv sehr selten der Fall ist.