Das Geheimnis der grünen Stecknadel
Am Themse-Ufer wird ein junges Mädchen verfolgt und auf widerwärtige Weise getötet. Der Weg des ermittelnden Inspektors (Joachim Fuchsberger) führt in ein Mädcheninternat, in dem das Mädchen zuletzt untergebracht war. Es dauert auch nicht lange, bis es weitere Opfer zu beklagen gibt, und am Ende offenbart sich ein Geheimnis, welches Auslöser für die Aktivitäten des Serienmörders ist….
Der Film entstand im Jahre 1972 nach einem Roman von Edgar Wallace. Auch wenn im Vorspann noch der typische Auftakt mit Einschüssen auf der Leinwand, begleitet von der Begrüßung „Hallo - hier spricht Edgar Wallace“ zu sehen und zu hören ist, handelt es sich nicht um einen typischen Vertreter der Serie, die ja in den 60ern große Erfolge feierte.
Vielmehr reitet der Film etwas auf der Welle der Sexfilme, die in den 70ern auf dem Vormarsch waren. So hat man schon in den ersten Minuten das Gefühl, einen „Schulmädchen-Report“ zu sehen. So wirkte jedenfalls die Anfangsszene auf mich, insbesondere wegen des Dialoges des Liebespärchens, das in einem Ruderboot unterwegs ist. Da musste ich zum ersten Mal schmunzeln….
Die Synchronisation wirkt dabei hölzern und steril - typisch für deutsche Filme aus den 70ern. Auch ansonsten ist die Vertonung nicht mit heutigen Techniken vergleichbar. Man hat stets den (auffälligen) Eindruck, dass der Ton im Studio nachproduziert wurde, so z.B. die Schritte/Laufgeräusche der Darsteller….
Es werden viele Gelegenheiten genutzt, um die Schülerinnen barbusig oder komplett naggisch* zu zeigen. So sind die Damen u.a. sehr reinlich, da man sie immer mal wieder beim Duschen in der Gruppe beobachten darf. Und sie helfen sich gerne gegenseitig beim Rückenschrubben….
Aber, damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht. Es ist schon noch ein Krimi, und zwar einer, der schon auf der Welle der Gialli schwimmt, zumal es sich um eine deutsch-italienische Produktion handelt. Versierte Kenner dieses Genres (was ich nicht bin) werden einige Merkmale erkennen: Schwarze Handschuhe, Stichwerkzeuge/Messer, der bereits erwähnte Sex-Anteil….
Die Musik steuerte Ennio Morricone bei. Diese klingt teilweise ebenfalls typisch für italienische Produktionen dieser Zeit, teilweise aber auch untypisch „modern“ für Morricone.
Das Agieren der Darsteller - auch von Fuchsberger - ist für heutige Sehgewohnheiten etwas befremdlich. Auch wie der Inspektor z.B. mit den Eltern des ersten Opfers umgeht und wie er dem Vater deutlich macht, wie das Mädchen zu Tode kam, ist etwas ungewöhnlich (und höchst unsensibel). Damit wollte man auch wohl mehr dem Zuschauer erklären, wie der Täter vorging. Erahnen konnte man das aber auch schon bei der Ausführung der Tat. Ebenso ist schon spätestens 10 Minuten vor der Auflösung jedem Zuschauer klar, wer der Täter ist, während noch ein großes Geheimnis darum gemacht wird, als wäre das noch eine Überraschung.
Junge Leute können einem solchen Film wahrscheinlich nicht viel abgewinnen. Für die Älteren dürfte vor allem der Nostalgie-Faktor und die Beschäftigung mit der Historie des deutschen Kinos interessant sein. Letzteres wird übrigens in einer sehr schönen 1-stündigen Doku zu Edgar-Wallace-Filmen mit dem Titel „German Grusel“ im Zusatzmaterial thematisiert. Dabei wird der Bogen bis in die späteren Siebziger und bis ins italienische Kino mit „Suspiria“ gespannt.
Das Mediabook verfügt auch über ein interessantes Booklet und beinhaltet den Film in der deutschen Kinofassung und in der etwa 10 Min. längeren internationalen Fassung, die ich noch nicht angesehen habe.
Mir hat die Beschäftigung mit dem Film und mit dem Thema jedenfalls Spaß gemacht.
7/10 + Zusatzpunkt für die Darbietung im Mediabook
*Saarländisch für ‚nackt‘