AW: Dark City
Dark City
ein mann erwacht in einem schäbigen hotelzimmer. er liegt in einer wanne, hat keine erinnerungen an sich oder sonst etwas. im zimmer findet er eine frauenleiche, deren mörder er offenbar selbst ist. verwirrt und ziellos flieht der mann in die nacht hinein; hinein in eine stadt, in der es keinen tag gibt. langsam findet er details über sich heraus, langsam tastet er sich in etwas hinein, das sein altes leben sein kann und stellt fest, dass in der stadt etwas nicht stimmt. dass etwas ganz gehörig nicht stimmt.
nach dem achtungserfolg „the crow“, der durch die tragik seiner entstehung für weltweites interesse sorgte, legte regisseur Alex Proyas in sein nächstes projekt viel herzblut und schuf mit „dark city“ einen interessanten filmhybriden zwischen kafkaeskem alptraum, thriller, science fiction und film noir. garniert mit glänzenden darstellern, gepackt in megadüsteres setting, und eine interessante/spannende geschichte oben als kirsche auf den genrekuchen gesteckt, kam ein düsteres meisterwerk heraus, das im kino leider nicht die verdiente anerkennung fand, während der thematisch recht ähnlich gelagerte „matrix“ rund ein jahr später das umsetzen konnte (zumindest in finanzieller hinsicht), was „dark city“ leider nicht vergönnt gewesen war.
der zuschauer begleitet den zunächst namenlosen mann, der bald herausfindet, dass er John Murdoch (perfekt besetzt mit dem charismatischen Rufus Sewell) heißt, auf einer odyssee durch die seltsame stadt, in der stete finsternis herrscht und die der zeit völlig entrückt zu sein scheint. optisch, technisch und modisch ist die welt in der stadt irgendwo in den 50ern oder 60ern stehengeblieben, Murdochs welt hat sich „nicht weitergedreht“, wie man in einer von mir heißgeliebten, monumentalen romanserie sagen würde. alles auf stillstand, alles auf warteschleife. seltsame fremde bevölkern die stadt und führen finsteres im schilde, wie wir bald herausfinden werden: auf der suche nach der menschlichen seele, nach der essenz dessen, was es bedeutet, menschlich zu sein, gestalten sie die stadt jede nacht um, erschaffen neue gebäude, neuen raum und versehen die einwohner mit immer neuen erinnerungen, um ihre reaktionen zu beobachten. auch John Murdoch ist oft ein opfer der fremden gewesen, bei einem verpatzten versuch, ihm eine neue identität aufzuprägen, ist er jedoch aufgewacht und hat sein gedächtnis verloren. an ihm wollten die fremden beobachten, ob ein mensch, der die erinnerungen eines mörders hat (die tote im hotelzimmer) auch selbst zum mörder wird, oder ob eine person mehr ist als die summe ihrer erinnerungen.
inhaltlich lassen sich deutliche parallelen zu Ridley Scott „blade runner“ ziehen, in dem man auch den philosophischen gedanken nachging, was einen menschen zum menschen macht. in „dark city“ bekommt das kind denn gleich auch einen namen: die fremden suchen nicht weniger als die seele, denn mit diesem konzept sind sie nicht vertraut, und sie pervertieren ihre suche, indem sie die ganze stadt zu einem riesigen gefängnis gemacht haben, in dem jedermann schon so viele falsche erinnerungen bekommen hat, dass niemand mehr sagen kann, wer er wirklich ist.
dies erkennt John Murdoch langsam, dies haben andere schon vor ihm erkannt, denn manchmal wacht jemand auf und erlangt erkenntnisse, die nicht gesund für ihn sind, denn man erkennt nicht nur den verrat, den die fremden an der menschlichen identität begehen, sondern sieht sich auch mit der ohnmacht konfrontiert, nichts dagegen unternehmen zu können. so bleibt der ausweg aus dem wissen, dass man keinen freien willen hat, nur der tod. bei John jedoch ist es anders. er hat nicht nur wissen, er hat auch bemerkenswerte fähigkeiten, die denen der fremden zunächst ähneln, ihnen aber bald überlegen sind: er kann tunen, kann jenen vorgang ausführen, mit dem die fremden die stadt kontrollieren und wieder und wieder umgestalten.
die darsteller sind hervorragend besetzt: neben dem im laufe der jahre ziemlich untergegangenen Rufus Sewell wissen die bildschöne Jennifer Connelly (damals noch auf kampfgewicht) als seine ehefrau Emma und der etwas melancholisch wirkende William Hurt als polizist zu überzeugen, die beide ihre rolle hervorragend ausfüllen und eigentlich nur noch von Kiefer Sutherland als verschrobenem Dr. Schreber übertroffen werden, der als helfershelfer der fremden fungiert und unter ihrer aufsicht die falschen erinnerungen zusammenstellt, die den opfern mit einer spritze direkt ins hirn injiziert werden.
die optik ist beeindruckend, hat starke expressionistische züge, und auch die effekte wissen größtenteils zu überzeugen. auf der leinwand zu erleben, wie die fremden die stadt gestalten, das hat was. da kann man den einen oder anderen schwächeren effekt verzeihen.
ebenso sollte die musik von Trevor Jones erwähnt werden, die fast immer zu hören ist und den film permanent in bewegung hält, auch wenn einmal nicht besonders viel los ist und man sich an der visuellen kraft ergötzen kann, die der film zu jeder zeit aufweist.
„dark city“ ist dunkel, düster und pessimistisch. das vermeintliche happy end ist eigentlich keines. unzählige details und anspielungen, hintersinnige gedanken und symboliken (im DC kommt vor allem das motiv der spirale deutlicher heraus, das in der kinofassung nur eine untergeordnete rolle spielt; die abwärtsspirale, aus der es keinen ausweg gibt) lassen den film bei jeder sichtung etwas anders erscheinen, da man immer wieder auf kleinigkeiten stößt, die einem bislang vielleicht entgangen sind. der name ist programm. „dark city“ ist dark, einer der vielleicht dunkelsten filme überhaupt und sicher nicht jedermanns sache. doch wer einmal in die stadt gefunden hat, der wird sie gar nicht mehr verlassen wollen... oder
können?