Burn After Reading - Wer verbrennt sich hier die Finger?

crizzero

Filmvisionaer
Registriert
4 Juni 2008
Beiträge
16.656
Ort
North Carolina
Filmkritiken
59

Burn After Reading - Wer verbrennt sich hier die Finger?


Die Brüder Ethan und Joel Coen lassen es diesmal mit einem zum Ende hin immer amüsanteren Krimi-Tragödien-Slapstick-Puzzle krachen, welches forderndes Kopfzerbrechen mit schrägem Humor und einem bombastischen Finale belohnt. Und wie man an meiner nach dem zutreffenden Genre suchenden Formulierung erkennen kann, wollten sich die Herren Regisseure mit diesem Film offensichtlich überhaupt nicht festlegen.

Gleich zu Beginn wird man in ein heilloses Durcheinander aus verschiedensten Perspektiven geworfen. Wer mit wem, warum und wieso? Und worum geht's hier überhaupt? An diesen Fragen kommt man anfangs eigentlich nicht vorbei. Kurz geschnittene Szenen setzen dabei aber insgeheim schon das Fundament, auf welchem später das imposante Gesamtkonstrukt stehen wird, welches dann einen finalen Lacher an den nächsten reiht. Was wirklich konfus und fast etwas bizarr anfängt, endet somit geradezu brillant und urkomisch. Am Ende bleibt zwar eigentlich ein wahres Desaster oder "ein riesen Haufen Scheiße", wenn man es denn mit einem Originalton ausdrücken möchte, aber dennoch ist irgendwie nichts passiert. Und das wiederum fasziniert und bleibt hängen. Ebenso wie die in ihrer Konstellation bemerkenswert überzogenen, lächerlichen, brutalen und erschreckend komischen Szenen. Dass man manchmal gar nicht weiß, wie man auf das Gesehene reagieren soll, ist dabei das eigentlich Irritierende. So müht man sich redlich, die Zusammenhänge zu begreifen, alles als Ganzes zu verstehen und hinter allem einen Nutzen für die Geschichte zu erkennen und dann fahren die Gebrüder Coen eine einfach geniale Schlussszene mit kurzen, fäkalwortbehafteten Sätzen auf, die uns suggeriert, dass man hier gar nicht erst nach einer Moral zu suchen braucht. Es gibt sie nämlich nicht.

"Burn After Reading" ist anspruchsvolles, scharfzüngiges Unterhaltungskino vom Allerfeinsten und das auf eine ziemlich berauschende Art und Weise, weil alles irgendwie Sinn oder Unsinn ergibt. Zudem bietet der Film eine namhafte und herrlich spielfreudige Darstellerriege, die man eigentlich durchweg bewundern muss. Chapeau!

8/10
 
Zuletzt bearbeitet:

Travis

Regie
Teammitglied
Registriert
2 Juni 2008
Beiträge
3.407
Filmkritiken
28
AW: Burn After Reading - Wer verbrennt sich hier die Finger?

Sehr schön. Danke dir für deine aussagekräftige Kritik, die mein positives Vorurteil bestätigt. Kann den DVD-Start des Films, wie eigentlich bei jedem Coen-Werk, kaum mehr erwarten. Wird natürlich in bestmöglicher Fassung in die Sammlung wandern und nach der Ansicht auch meinen Kommentar in diesem Thread zur Folge haben.
 

crizzero

Filmvisionaer
Registriert
4 Juni 2008
Beiträge
16.656
Ort
North Carolina
Filmkritiken
59
Wird natürlich in bestmöglicher Fassung in die Sammlung wandern und nach der Ansicht auch meinen Kommentar in diesem Thread zur Folge haben.

Auf deine Meinung zu dem Streifen freue ich mich auch schon. Da du den vor Sarkasmus triefenden, tiefschwarzen Humor deiner geschätzten Coens mit Sicherheit lieben wirst, erwarte ich hier mal mindestens die gleiche Wertung. :)

Übrigens fallen die Worte "Scheiß" und "Fuck" so häufig, dass sie auf ihre jeweiligen Figuren bezogen erstklassige Running Gags liefern. Dahingehend genial sind die beiden CIA-Agenten, die die Vorgänge intern analysieren. Gespielt werden sie von David Rasche ("Sledge Hammer") und J.K. Simmons (Daily-Bugle-Chef aus "Spider-Man"), die bei mir beide längst absoluten Kultstatus genießen. Diesbezüglich muss man sich den letzten Wortwechsel des Films zwischen den beiden mal auf der Zunge zergehen lassen:

"Hmm... und was lernen wir daraus?"
- "Keine Ahnung, Sir."
"Scheiße, ich auch nicht. Was für eine Scheiße! Leck mich am Arsch!"

Als diese beiden Sätze - untermalt von der stoischen Mimik beider Darsteller - fielen, ging bei mir gar nichts mehr... :lol:
 

Travis

Regie
Teammitglied
Registriert
2 Juni 2008
Beiträge
3.407
Filmkritiken
28
AW: Burn After Reading - Wer verbrennt sich hier die Finger?

Da du den vor Sarkasmus triefenden, tiefschwarzen Humor deiner geschätzten Coens mit Sicherheit lieben wirst, erwarte ich hier mal mindestens die gleiche Wertung. :)
Davon gehe ich auch mal ganz schwer aus. Besonders jetzt, nach deiner wirklich plastischen Beschreibung des Films. Kann es jetzt wirklich nicht mehr erwarten, bis die bekackte DVD erscheint. Scheiße, sollte mir langsam angewöhnen nicht in Threads reinzulesen, bei denen ich auf die Begutachtung der Filme im Bedarfsfall noch lange warten muß.Ich lerns wohl nie. Fuck! ;)
 

Farman

Kleindarsteller
Registriert
23 Juni 2008
Beiträge
140
Ort
Köln
Filmkritiken
2
AW: Burn After Reading - Wer verbrennt sich hier die Finger?

Auf jeden Fall seeehr viel sehenswerter als Durchschnittsware und höchst unterhaltsam und, naja, wieder ein Coen-Film, in vielerlei Hinsicht.
Aber imo dennoch recht enttäuschend.
 

Willy Wonka

Locationscout
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
22.039
Ort
Twin Peaks
Filmkritiken
126
AW: Burn After Reading - Wer verbrennt sich hier die Finger?

Auch bei der zweiten Sichtung gefällt mir der Film noch unglaublich gut und wenn man den Film mit anderen Werken vergleicht wie z.B. den letzten Film von den Coen-Brüdern (A Serious Man) ist dieser Film auch deutlich zugänglicher, was aber keineswegs schlecht ist.

Verrückte Ideen und skurrile Charaktere sind sowieso automatisch bei ihren Filme vorhanden, aber dieses Mal zeigt der Film auch die Idiotie einer Gesellschaft, welche von Paranoia durchzogen ist und dieses sehr unterhaltsam. Leider hat der Film ein wenig von seiner Wirkung abgebaut, da mir noch alle „Kuriositäten“ der Handlung bekannt waren, aber einen schönen Esprit versprüht der Film weiterhin.
 

TheBjoern

Filmstar
Registriert
1 Apr. 2009
Beiträge
1.833
Ort
irgendwo im schönen Münsterland
Filmkritiken
13
AW: Burn After Reading - Wer verbrennt sich hier die Finger?

Auch bei der zweiten Sichtung gefällt mir der Film noch unglaublich gut und wenn man den Film mit anderen Werken vergleicht wie z.B. den letzten Film von den Coen-Brüdern (A Serious Man) ist dieser Film auch deutlich zugänglicher, was aber keineswegs schlecht ist.
Verrückte Ideen und skurrile Charaktere sind sowieso automatisch bei ihren Filme vorhanden, aber dieses Mal zeigt der Film auch die Idiotie einer Gesellschaft, welche von Paranoia durchzogen ist und dieses sehr unterhaltsam. Leider hat der Film ein wenig von seiner Wirkung abgebaut, da mir noch alle „Kuriositäten“ der Handlung bekannt waren, aber einen schönen Esprit versprüht der Film weiterhin.

Dem ist von meiner Seite nichts mehr hinzuzufügen, es erging mir genauso.

Doch sollte ich im Anschluss eines gesehenen Films eine positve Kritik in diesem Forum lesen (so wie im diesem Fall), so wertete diese meine Film-Einschätzung bisher noch mal erneut auf. :hoch:
 

JaredKimberlain

Hauptdarsteller
Registriert
30 Juli 2008
Beiträge
819
Ort
Hamburg
Filmkritiken
2
AW: Burn After Reading - Wer verbrennt sich hier die Finger?

War von dem Film im Kino noch etwas enttäuscht, hatte da eigentlich eine stärkere Vorstellung sowohl vom Inhalt, als auch von den Schauspielern erwaretet.
Mittlerweile habe ich die BD in der Sammlung und bin nach zwei weiteren Sichtungen zumindest mit den Schauspielern zum größten Teil einverstanden.
Machart natürlich Coens, scharfzüngig auf jeden Fall, der Anspruch war mit aber etwas zu offensichtlich serviert und insgesamt auch nicht nachwirkend inszeniert. Und das ist für die Coens ein Rückschritt.

Gruß,
J.K.
 

Despair

Filmvisionaer
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
12.550
Ort
Somewhere in Hessen
Filmkritiken
61
AW: Burn After Reading - Wer verbrennt sich hier die Finger?

Ich kann mich den positiven Stimmen hier im Thread nur anschließen. :hoch:

Ich verstehe nicht, warum der Film bei vielen Leuten so schlecht wegkommt. Haben die tatsächlich nur eine spaßige Agentenkomödie von den Coens erwartet? Die mehr als offensichtliche Gesellschaftskritik einfach übersehen? Die quasi nicht vorhandene Geschichte (die ja die Pointe des ganzen Films ist) in den falschen Hals gekriegt? Oder war vielleicht das gewollte Overacting einiger Darsteller nichts für sie? Brad Pitt hampelt herrlich albern herum, George Clooney auf seine Art ebenfalls, Tilda Swinton ist mehr Ice Queen und Hexe als in jeder Narnia-Grütze, und Frances McDormand lässt in fünf Minuten mehr geniale Gesichtsausdrücke vom Stapel als so manche teilgebotoxte Kollegin in einem ganzen Film. Die beiden saukomischen CIA-Typen wurden von crizzero ja schon entsprechend gewürdigt. Herrlich. Warum hab' ich den Film nur so lange übersehen..?

9/10 Punkte
 

Sam Spade

Filmarchitekt
Teammitglied
Registriert
13 Juli 2012
Beiträge
6.020
Ort
10086 Sunset Boulevard
Filmkritiken
57
Und wieder ein Coen Film, dank Netflix, gesehen. Langsam aber sicher erschließt sich mir ihre Filmografie und auch dieses Werk konnte mich begeistern. Mit 90 Minuten die perfekte Spieldauer, findet man hier wieder alle Zutaten die man so von den Brüdern erwartet. Skurrile Charaktere, schwarzer Humor und großartige Dialoge. Habe mich köstlich amüsiert. Pitt, Clooney, Malkovich, McDormand, Swinton, Simmons usw., sie alle trumpfen auf und haben sichtlich Spaß an der Sache. Vor allem Pitt ist hier mein heimlicher Star. Allein wenn ich jetzt nur am einige Szenen denke, muss ich lachen. Klasse.

Die Bluray muss in die Sammlung und ich freu mich schon auf den nächsten Coen, den ich mir rauspicke.
 
Oben