Bronson

Despair

Filmvisionaer
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AW: Bronson

Bisher wusste ich nichts über den Film (ich dachte, es ginge um den realen Charles Bronson :D), aber jetzt bin ich schlauer. Zum Glück, denn "Bronson" ist echt schräg, aber gelungen. Michael Peterson alias Charlie Bronson ist ein wirklich derbes Arschloch. Er erinnert durch die überzogene Darstellung nicht selten an einen Bösewicht aus dem Batman-Universum - besonders im imaginären Theater. Ein Held (des Bösen), der er im realen Leben nur zu gerne wäre. Doch ist er da nur ein irrer Knastie, der die ganz selten kurz aufblitzenden sympathischen Züge durch den huntertprozentig folgenden Gewaltexzess sofort wieder zunichte macht. Dementsprechend bleibt er den ganzen Film über ein Unsympath, den man nicht in Freiheit sehen möchte.

8,5/10 Punkte

Meine Ansicht zur Diskussion zwischen kelte und Eclipsed: ich kann keltes Meinung absolut nachvollziehen, dass solchen Menschen kein Podium gegeben werden sollte, aber Refns Film ist von einer Glorifizierung weit entfernt. Sehr weit sogar. Wobei im Film eigentlich niemand wirklich gut wegkommt, sei es der Gefängnisdirektor oder Bronsons Eltern. Mich stört es nicht, wenn sich ein Film real existierender Personen bedient. Nur sollten sie dann nicht allzu einseitig dargestellt werden, weder im positiven als auch im negativen Sinne. Was Refn hier sogar bei einem extremen Charakter wie Bronson gelungen ist. Fiktive 08/15-Abziehbild-Charaktere können mich definitiv genauso auf die Palme bringen wie unrealistisch dargestellte reale Personen.
 

Vince

Filmstar
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AW: Bronson

Gleichermaßen eine Gewalt- wie Charakterstudie: Refn kombiniert das Portrait einer realen Einzelperson mit gesellschaftlichem Kommentar und packt alles in bitterschwarze Satire, deren Bildsprache, zynischer Humor und gesamter Gestus unerwarteterweise viele Ählichkeiten mit Rob Zombies "House Of 1000 Corpses" teilte: Ein Bühnenbild als beherrschende mise-en-scène, die Maskierung unterdrückter Angst und Gewalt und - man kennt es von Refn - Worte ohne direkte Bedeutung, begleitet von Bildern, die jegliche Semantik in sich aufzusaugen scheinen. Die thaterbühnenähnliche Inszenierung suggeriert ein Gefühl der Beengtheit und drangsaliert den Zuschauer nahezu mit Gitterstäben, Wahnsinn, Grimassen und unerwarteten Gewalteruptionen, so dass es sich geradezu aufdrängt, dabei an "Clockwork Orange" zu denken. Refn macht aus diesen Ansätzen aber in erster Linie ein psychologisches Portrait und gibt seinem Hauptdarsteller Tom Hardy dadurch die Gelegenheit, den Film körperlich und mimisch zu beherrschen.
7/10
 

MiriQ

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AW: Bronson

Der Film stand schon länger auf meiner Liste. Gestern hab ich ihn bei Lovefilm angeschaut und heute diesen Thread dazu durchgelesen. Eine sehr interessante Diskussion zwischen Eclipsed und kelte, die sich da entsponnen hat.
Ich hatte allerdings zu keinem Zeitpunkkt den Eindruck, hier würde ein Gewalttäter eine Bühne bekommen (obwohl er die ja eigentlich hatte und das war sehr gut gemacht) oder eine Glorifizierung erfahren. Für mich war der Typ eingentlich immer eine arme Sau (man verzeihe mir die Wortwahl) und kam geradezu grotesk rüber. Ein absoluter Soziopath, unfähig eine wie auch immer geartete Beziehung zu anderen Menschen aufzubauen. Jedes noch so kleine Aufkeimen menschlicher Regungen wird sofort von dem folgenden Gewaltausbruch erstickt. Jetzt frag ich mich, wie wird jemand so? War der schon immer so? Ja, in Grundzügen. Und was machen 26 Jahre Einzelhaft mit einem Menschen? Am Ende hatte ich immer das Gefühl, dass er durch die Geiselnahmen und die Provokation der Wärter nur eines erreichen wollte: Aufmerksamkeit - wenigstens für ein paar Minuten. Denn er hatte keine Forderungen, nicht mal als er die Gelegenheit hatte, am Telefon zu sagen, was er verlangt. Er wusste einfach nicht, was er eigentlich wollte. Das stell ich mir total schrecklich vor. Nicht zu wissen, warum man so wütend ist, nicht zu wissen was man will und demzufolge auch nie Zufriedenheit zu spüren. Allein zu sein - in der Zelle, in der Welt, im eigenen Kopf. Arme Sau. Nix mit "boah is der Typ cool!" Und es hat noch nicht mal jemanden interessiert, warum er das macht - noch frustrierender. Stell dir vor, du musst erst jemanden umbringen, damit man dich zur Kenntnis nimmt...
Also @kelte in dieser Hinsicht kann ich Dich beruhigen. Das ist kein Film, in dem ein Gewaltverbrecher die Gelegenheit bekommt, auf coole Art zu zeigen was er kann und allen anderen kräftig in den Arsch zu treten.
Troztdem treibt mich nach Eurer Diskussion eine Frage um. Wieso eigentlich der Unterschied zwischen erfundenen und realen Mördern? Mord ist Mord. Warum würde man in dem einen Fall zuschauen und in dem anderen Fall unter keinen Umständen? Und dann komm ich gleich zur nächsten Frage. Wieso sind wir (und damit meine ich ganz pauschal die Menschen ansich) so fasziniert von Gewalt und Tod und Brutalität? Ich meine, wir schauen uns an wie Menschen getötet, gequält, vergewaltigt und auf alle nur denkbaren Arten zu Tode gebracht werden, wie sie Kriege führen und sich gegenseitig fressen. Wir schaffen es, dass ein Herr Hitler und Konsorten immer und immer wieder aus ihren Gräbern aufsteigen. Der Typ wird ewig leben und mit ihm der Krieg, die Konzentrationslager, die schwarzen Uniformen und die Fahnen. Wieso machen wir das? Wieso gibt es so viele Fans von Saw 1 bis unendlich? Wieso sehen wir Herrn Willis so gerne zu, wie er sich durch seine Filme schießt und Leute von Hochhäusern schmeißt?
Wer auch immer das liest: denk mal drüber nach.

Ach ja, fast vergessen: Tom Hardy - großartige Vorstellung. Ich hab mich auch immer gefragt, was an dem Typen dran ist. Crizzero hat es auf den Punkt gebracht - seh ich genauso.
 

Louis Cyphre

Filmgott
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AW: Bronson

Auch grade gesehen und frage mich, was das soll ? Was ist die Aussage dieses seltsamen Films. Ich fand ihn langweilig und öde.
Nur Tom Hardy war überragend, der Rest :zzzz:
Ein typischer Refn, kenne keinen Film von ihm, der mir gefällt.

3/10 für Hardys Schauspielerei
 

Willy Wonka

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AW: Bronson

Eine sehr schöne Kritik zu einem Film, welchen ich noch nicht bewusst auf dem Schirm hatte.
Nach gut zwölf Jahren melde ich mich nun auch endlich mal zu Wort. Mir war gar nicht mehr bewusst, dass ich mich damals in diesem Thema zu dem Film geäußert habe. :ugly:

Auch interessant ist die Diskussion zwischen euch, kelte und Eclipsed. War spannend zu lesen...! :hoch:
Auch nach so vielen Jahren ist es interessant die Diskussion nachzulesen, wo ich beide Sichtweisen nachvollziehen kann.

Tom Hardy spielt Bronson grandios. Besser kann man so einen kaputten Menschen wohl kaum darstellen. Zudem ist seine Aura der Kraft einfach nur bombastisch. Denn so überzeugend sein Schauspieltalent auch ist, das eigentlich Faszinierende an ihm ist, dass man ihm auch ohne überzogene Muskelberge à la Schwarzenegger in den 80ern die Energie und Power eines extrem brutalen Menschen komplett abnimmt. Er ist eine authentische Kampfmaschine und das wirkt stellenweise beängstigend.
Großartig beschrieben. :hoch:

Obwohl Refns Regie wieder formidabel und seine elektronische Musikuntermalung ein Genuss ist, so driftet mir der Film vor allem gegen Ende zu sehr in künstlerische Gefilde ab. Die Nacktszenen mitsamt der Körperbemalung und die vielen skurrilen Personen, auf die er trifft, hätten nicht sein müssen und waren mir insgesamt etwas zu viel des Guten. Die Bühnen- und Erzählszenen waren hingegen klasse. Insgesamt ein sehenswerter Ausflug in die Psyche eines exzentrischen Straftäters.
Die „künstlerischen Gefilde“ haben mich überhaupt nicht gestört, sondern waren eher der Grund noch am Ball zu bleiben. Dennoch war es für mich einfach auf Dauer ermüdend die immer gleichen Verhaltensweisen zu sehen, sodass die künstlerische Perspektive zumindest zum Teil ein wenig die inhaltliche Redundanz gebrochen hat.

Meine Ansicht zur Diskussion zwischen kelte und Eclipsed: ich kann keltes Meinung absolut nachvollziehen, dass solchen Menschen kein Podium gegeben werden sollte, aber Refns Film ist von einer Glorifizierung weit entfernt. Sehr weit sogar. Wobei im Film eigentlich niemand wirklich gut wegkommt, sei es der Gefängnisdirektor oder Bronsons Eltern. Mich stört es nicht, wenn sich ein Film real existierender Personen bedient. Nur sollten sie dann nicht allzu einseitig dargestellt werden, weder im positiven als auch im negativen Sinne. Was Refn hier sogar bei einem extremen Charakter wie Bronson gelungen ist. Fiktive 08/15-Abziehbild-Charaktere können mich definitiv genauso auf die Palme bringen wie unrealistisch dargestellte reale Personen.
Der Film ist zwar weit von einer Glorifizierung entfernt, aber dennoch gibt der Film diesem Menschen eine Bühne und Aufmerksamkeit. Ich kannte diese Person vor dem Film beispielsweise nicht. Und leider wird es genug Menschen geben, die diesen Film und die dargestellte Gewalt einfach "abfeiern" und den Film nicht verstehen bzw. verstehen wollen. Die Frage ist in dieser Hinsicht natürlich, ob ein Regisseur beim Inszenieren eines Films auch darauf achten muss oder kann, ob ein Film später anders wahrgenommen bzw. geschaut wird als man es ursprünglich intendierte. Auch Kubrick war bei „Uhrwerk Orange“ genau von diesem Punkt betroffen.

Troztdem treibt mich nach Eurer Diskussion eine Frage um. Wieso eigentlich der Unterschied zwischen erfundenen und realen Mördern? Mord ist Mord. Warum würde man in dem einen Fall zuschauen und in dem anderen Fall unter keinen Umständen? Und dann komm ich gleich zur nächsten Frage. Wieso sind wir (und damit meine ich ganz pauschal die Menschen ansich) so fasziniert von Gewalt und Tod und Brutalität? Ich meine, wir schauen uns an wie Menschen getötet, gequält, vergewaltigt und auf alle nur denkbaren Arten zu Tode gebracht werden, wie sie Kriege führen und sich gegenseitig fressen. Wir schaffen es, dass ein Herr Hitler und Konsorten immer und immer wieder aus ihren Gräbern aufsteigen. Der Typ wird ewig leben und mit ihm der Krieg, die Konzentrationslager, die schwarzen Uniformen und die Fahnen. Wieso machen wir das? Wieso gibt es so viele Fans von Saw 1 bis unendlich? Wieso sehen wir Herrn Willis so gerne zu, wie er sich durch seine Filme schießt und Leute von Hochhäusern schmeißt?
Wer auch immer das liest: denk mal drüber nach.
Sehr guter Punkt! Ich glaube dennoch, dass es bei realen Tätern eine andere Dimension hat. Schließlich gibt es bei realen Tätern auch reale Opfer und reale Angehörige, die evtl. bis heute ein Trauma von einem Gewaltverbrechen davontragen. Für die muss es umso schlimmer sein, wenn der Täter in Form von Büchern, Filmen, Serien, Dokus, Reportagen oder auch Podcasts Aufmerksamkeit für ihre Tat bekommen und dadurch die Opfer wieder eine Öffentlichkeit erfahren, die sie vielleicht gar nicht wollen. In dieser Hinsicht finde ich vor allem den Trend der True-Crime-Formate, den es mittlerweile schon seit einigen Jahren gibt, sehr bedenkenswert.
 
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