Boulevard der Dämmerung

Travis

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Gesamtübersicht aller Kritiken zu Boulevard der Dämmerung:

#02 02.12.08 Vince
#03 06.07.09 deadlyfriend
#20 22.08.12 Sam Spade
 
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Travis

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AW: Boulevard der Dämmerung

Kritik von Vince

BOULEVARD DER DÄMMERUNG

In seinem Entstehungskontext zu Anfang der 50er Jahre überaus gewagtes Portrait des moralischen Sündenpfuhls Hollywood, das mit Oscarnominierungen überschüttet wurde - mutmaßlich ein Ablenkungsmanöver der Academy gegen einen in Wirklichkeit in Ungnade gefallenen Regisseur Billy Wilder, der sich skrupellos gegen jene wandte, die ihn fütterten - diese Aussage jedenfalls ist von Louis B. Mayer überliefert, dem Gründer der MGM. Denn Wilder nimmt wahrlich kein Blatt vor den Mund, insbesondere im Angesicht des entlarvenden Neorealismus, in dessen Folge Studios beim Namen genannt, Filmklassiker ("Vom Winde verweht") hinterfragt und berühmte Schauspieler (Charlie Chaplin) parodiert werden. Im Grunde ist gar Gloria Swansons Hauptrolle eine Parodie auf sie selbst.
Die Traumfabrik wird von einer Seite gezeigt, die das Teilwort Fabrik betont - eine rücksichts- und skrupellose Industrie, der es um Gewinnanhäufung geht. Der Traum bleibt dabei eine Illusion, hervorragend vermittelt durch die von der Swanson theatralisch gespielte Ex-Stummfilmkönigin Norma Desmond, die in ihrer eigenen abgeriegelten Welt lebt, substitutiv für die grausame Wirklichkeit, der sie sich nicht mehr stellen möchte. Am Ende vermischen sich Realität und Fiktion, ein desillusionierendes Bild im Angesicht des Idealbildes davon, was der Hollywood-Film in seiner Urintention bezweckt.
Der Einfluss dieses Meisterwerkes des Film Noir lässt sich heute insbesondere in David Lynchs Arbeiten wiedererkennen.
10/10
 

deadlyfriend

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Boulevard der Dämmerung


Joe Gillis ist ein eher zweitklassiger Drehbuchautor. Er kann kaum seine Miete bezahlen und die Gerichtsvollzieher möchten zwingend sein Auto konfiszieren, da er auch hier die Rate nicht mehr zahlen kann. Eher windig aber geschickt schafft er es sich immer wieder aus der Verantwortung zu ziehen und landet durch eine Reifenpanne auf einem scheinbar verlassenen Anwesen um sein Auto erstmal vor den Blicken der staatlichen Jäger zu schützen. Allerdings ist das Anwesen nicht verlassen. Obwohl es äußerlich nicht danach aussieht wohnt der ehemalige Stummfilmstar Norma Desmond nebst ihrem Butler Max im Innern der Prachtvilla. Der einstige Superstar hat den Abgesang der Stummfilm-Ära nicht verkraftet und arbeitet an ihrem Comeback, für das sie sich selbst das Drehbuch schreibt. Sie sichert sich die Dienste von Gillis und vereinnahmt ihn völlig, ohne zu merken das ihr Ruhm nur noch in der Erinnerung existiert. Eine fatale Zweckgemeinschaft nimmt ihren Lauf.

Was Billy Wilder im Jahre 1950 auf die Leinwand zauberte ist nicht nur spektakulär, sondern eine gnadenlose Abrechnung mit Hollywood. Von den Kollegen als Nestbeschmutzer beschimpft, präsentierte er im Stil des "Film Noir" einen der ganz großen Klassiker der Filmgeschichte. Schon die Eröffnungssequenz ist grandios und wurde unzählig oft zitiert. Wilder hatte bei diesem Projekt die absolute Freiheit und täuschte sein eigenes Studio, in dem er angab einen Roman zu adaptieren und lieferte immer nur unscheinbare Sequenzen ab, um die Bosse nicht zu beunruhigen. Wenn die gewußt hätten was er da dreht, hätte er ihn niemals durchbekommen. David Lynch gab ihn mal als seinen Lieblingsfilm an. Wen wundert das, produziert er doch gerne selbst mal einige schwarze Schatten auf die Glitzerwelt der Traumfabrik. Auch die Namensgebung "Mulholland Drive" zeigt recht deutlich eine Verneigung vor "Sunset Boulevard".
Der absolute Clou des Films ist aber die Realitätsnähe und die Wahl der Darsteller. Die Figur von Norma Desmond wird von Gloria Swanson verkörpert, ein Stummfilmstar der nach der Entdeckung des Tonfilms unterging. Sie spielt somit quasi ihre eigene Geschichte. Aber nicht nur das. Ihr Butler Max gibt sich im Film als gescheiterter Regisseur aus und wird von Erich von Stroheim dargestellt. Dieser ist ein fast gescheiterter Regisseur der ebenfalls mit Gloria Swanson in der Stummfilmzeit drehte. Diesen Film präsentiert er dann widerum ausschnittsweise innerhalb von "Boulevard der Dämmerung". Für mich ist das geradezu bahnbrechend in der Perfektion des Skripts. Zu dem lädt die Dame des Hauses gerne mal Gäste zum Karten spielen ein. Ältere Herrschaften die Gillis verächtlich als "Wachsfiguren" bezeichnet. Diese Gäste sind ehemalige Schauspiel-Kollegen von Norma Desmond. Tatsächlich sitzen aber wirklich ehemalige Kollegen von ihr auf der Couch, wodurch man beispielsweise Buster Keaton wiedersieht. Von solchen Dingen sieht und hört man noch jede Menge. Selbstverständlich wurde an Original-Schauplätzen gedreht und viele Locations gab es bzw. gibt es noch immer.

Dieses einmalige Sujet ist auch heute noch ein Meilenstein der Filmgeschichte. Mit soviel Liebe zum Detail verwirklicht, kann man "Boulevard der Dämmerung" nur als einen der wichtigsten Beiträge für jeden ernstzunehmenden Cineasten nennen. Ein Dokument einer Zeit als Hollywood in strahlendem Glanz präsentiert wurde und man hinter der Fassade kaum einen gefühlskalten Abgrund vermuten konnte.
Ganz kurz zusammengefaßt: Ein Meisterwerk
 

deadlyfriend

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AW: Boulevard der Dämmerung

Noch ein Nachtrag:

5 Rezensionen bei der ofdb = 5 x 10 von 10 (der eine 8ter ist innerhalb der Rezension eine 10:confused:)

21 Bewertungen bei Amazon = 17 x 5 Sterne und 4 x 4 Sterne

Da scheinen sich mal alle relativ einig zu sein.
 

kelte

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AW: Boulevard der Dämmerung

mir sagt der film noch nichts.
wird aber demnächst geändert
 

Die wilde 13

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AW: Boulevard der Dämmerung

Was ich heute zu sehen bekommen habe, kommt fast schon einer Offenbarung gleich. :hoch:
Wie deadly schon in seiner ausführlichen KK schrieb, ist das geniale Skript von Wilder und Brackett so nah an der schmerzhaften Realität, das es kein Wunder war, das Billy Wilder von Louis B. Mayer als "Bastard" beschimpft wurde...

Gloria Swanson liefert eine Perfomance ab, die ihresgleichen sucht. Ihre Augen, ihre Mimik und Gesten sind so prägnant und durchdringend aber niemals overacted.
Wenn man sich dann noch vor Augen führt, das sie quasi sich selbst spielt bzw. das Schicksal, was sie selbst und viele ihrer Kolleginnen durchgemacht haben, ist diese Leistung einfach fantastisch.
Jetzt weiß ich auch, an wen Glenn Close ihre "Cruela de Vil" oder die "Madam Medusa" aus Bernard und Bianca angelehnt sind. ;)

William Holden spielt den Opportunisten Gillis auch mit Bravour. Einerseits vom schlechten Gewissen geplagt, andererseits aber dem relativ leicht verdienten Mammon verfallen. Dabei kommt er stets recht sympathisch rüber auch wenn man ihm manchmal zurufen möchte: "Mach es nicht!!"

Es gibt so viele wunderbare Szenen ( Die Leiche im Pool, die Filmvorführung, die Offenbarung von Butler Max (Erich von Stroheim ist auch grandios!),die Chaplin-Persiflage/Hommage, das Polizeiverhör, der Abgang von Mrs. Desmond...), die man kaum alle beschreiben kann. Sehen muss man sie!
Ich bin mir mittlerweile auch so gut wie sicher, das ich Boulevard der Dämmerung entgegen meiner Vermutung doch noch nie gesehen habe. Denn trotz meiner damaligen Unbedarftheit hätte sich die ein oder andere geniale Szene tief in mein Gedächtnis einbrennen müssen, da bin ich mir sicher. Sowas kann man nicht vergessen.

Aber schön, das man solche Schätze noch entdecken darf. Ich freue mich schon auf den nächsten von mir noch ungesehenen Wilder-Film. :)
 

deadlyfriend

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AW: Boulevard der Dämmerung

Erstmal freue ich mich sehr, das dieser Thread nach oben gespült wurde, da ich es schon ein wenig Schade fand, das so ein gigantischer Film hier so ein trauriges Dasein fristet.
Noch mehr freue ich mich aber, das er dir so gut gefällt.:hoch: Ich finde ihn ja ebenfalls wahnsinnig brillant und er gehört mit Sicherheit zu den Meilensteinen des Kinos.
So einen Film muß man erstmal abliefern und die Dramaturgie innerhalb der Dramaturgie, sucht immer noch einen ebenbürtigen Gegner.
 

Die wilde 13

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AW: Boulevard der Dämmerung

Erstmal freue ich mich sehr, das dieser Thread nach oben gespült wurde, da ich es schon ein wenig Schade fand, das so ein gigantischer Film hier so ein trauriges Dasein fristet.
Ich hab den Thread erst gar nicht gefunden, weil ich unter "S" gesucht habe... :rolleyes:
Noch mehr freue ich mich aber, das er dir so gut gefällt.:hoch: Ich finde ihn ja ebenfalls wahnsinnig brillant und er gehört mit Sicherheit zu den Meilensteinen des Kinos.
So einen Film muß man erstmal abliefern und die Dramaturgie innerhalb der Dramaturgie, sucht immer noch einen ebenbürtigen Gegner.
Nach dem Film habe ich mir auch die Doku auf der DVD angeschaut. Sehr informativ. Wenn ich es schaffe, schaue ich mir den Film die Tage auch noch mit dem Audiokommentar an. Mein Interesse an noch mehr Hintergrundinformationen zu diesem Geniestreich ist auf jeden Fall geweckt. :)
 

deadlyfriend

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Gloria Swanson liefert eine Perfomance ab, die ihresgleichen sucht. Ihre Augen, ihre Mimik und Gesten sind so prägnant und durchdringend aber niemals overacted.

Es ist zumindest überliefert das sie sich die gesamten Dreharbeiten dermaßen in ihre Rolle reingesteigert hat, das sie nach dem letzten Take in einem Heulkrampf zusammengebrochen ist.
 

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AW: Boulevard der Dämmerung

Endlich habe ich diesen Meilenstein des Film-Noirs gesehen. Ich bin ganz hin und weg. Einfach perfekt in jeder Hinsicht. Lustig, das ihr mehrfach Lynch und Mulholland Drive erwähnt. Genau daran habe ich nämlich auch die ganze Zeit über denken müssen. Ständig dachte ich mir: "Lynch muss derartig stark von diesem Film inspiriert gewesen sein als er Mulholland Drive drehte." Und siehe da: Sunset Blvd. ist anscheinend sein Lieblingsfilm. Einfach genial wie sich Realität und Fiktion mit zunehmender Laufzeit immer mehr vermischen - genau wie bei Lynch. Am liebsten würde ich noch 10 Seiten über dieses Meisterwerk schreiben, aber ich bin immer noch total geplättet und finde einfach nicht die richtigen Worte. Aber es gibt ja schon geniale Reviews von euch! Ein Wort fällt mir aber schon ein: Meisterwerk! :D

10/10
 

deadlyfriend

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Ich freue mich sehr, das dir der Film genauso gut gefällt wie uns:) Der ist aber auch wirklich sagenhaft. Spätestens nach dem Konsum dieses Meisterwerks weiß man auch warum David Lynch, direkt nachdem er das Straßenschild vom Mulholland Drive mit der Kamera einfängt, als nächstes das Schild vom Sunset Boulevard zeigt.;)
 

BladeRunner2007

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AW: Boulevard der Dämmerung

Musste auch umgehend den Film auf DVD bestellen als der Abspann zu Ende war :D

Habe jetzt auch irgendwie total Lust auf Mulholland Drive bekommen. Zumal ich den jetzt auch mit ganz anderen Augen sehen werde. Schon als die Kamera in der Eröffnungssequenz den Sunset Blvd. hinabfährt im gleichnahmigen Film, schoss mir sofort Mulholland Drive in den Sinn! Verrückt :D

Es wird ja auch oft behauptet, dass MD auch sehr gut als Horrorfilm funktioniert. Dem stimme ich zu. Das gleiche kann imo auch über SB gesagt werden.
 

BladeRunner2007

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Oh Mann, wenn der dir so extrem gut gefällt, muss ich den auch noch sehen... :uff:
Gibt's noch keine Blu-ray von dem Teil?

Bisher noch nicht. Aber die DVD hat ein wirklich gutes Bild. Ton ist auch super (hab ihn im O-Ton gesehen). Und wenn die Blu-ray dann irgendwann doch noch kommt, mache ich halt ein update :hoch:
 

BladeRunner2007

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Dann werde ich ganz sicher im November updaten. Bei Paramount dürfte eine dt. VÖ tatsächlich relativ zeitgleich erscheinen. :hoch:
 

Sam Spade

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Sunset Boulevard


Phu, was könnte man über diesen Film noch sagen, was nicht schon längst gesagt wurde?
Vermutlich nichts neues. Trotzdem möchte ich in einigen wenigen Sätzen auch noch meine offizielle Kritik hier kundtun, denn der Film hat mehr verdient als einen Satz im "Zuletzt gesehen" Thread :)

Ein Abrechnung mit Hollywood. Könnte man das sagen? Vielleicht zu dick aufgetragen, aber zumindest zeigt der Film auf geniale Weise wie es in diesem Showgeschäft läuft und damals zum Ende hin des Stummfilms auch lief. Die dunkle Seite Hollywoods wird hier eiskalt gezeigt und man kann sich schon vorstellen das es damals, 1950, einen aufschrei in eben dieser Szene gab, als der Film rauskam. Hier hat Billy Wilder wirklich mut bewiesen. Er hat schon gewusst warum er das Drehbuch immer nur sehr Lückenhaft den Pramount Studios vorlegte, andernfalls hätten diese ihm womöglich zu sehr in die Sache reingeredet und der Film wäre in der Form ggf. nie entstanden.

Die Darstellung der Charaktere ist natürlich genial. Egal ob William Holden, Gloria Swanson, Erich von Stroheim oder Nancy Olsen...sie alle spielen perfekt. Vorzuheben natürlich ganz klar Gloria Swanson. Wie authentisch sie hier spielt ist wirklich beängstigend und löst in einem ein mulmiges Gefühl aus. Dieses Anwesen, dieser Buttler und diese Frau...man kann sich wirklich vorstellen, nein, es mitfühlen, wie Joe Gillis (William Holden) sich darin gefühlt haben muss.
Swanson spielt nicht Norma Desmond, sie ist Norma Desmond. Kein Wunder, hat sie ja schließlich fast das selbe miterlebt wie Desmond.

Was den Film neben obiger Tatsache in meinen Augen dann zum Meisterwerk werden lässt, die Realitätsnähe. deadlyfriend hat dies ja in seiner Kritik hier schon an Beispielen erklärt, und genauso ist es. Die prominenten Gäste beim Kartenspielen, die Verwendung echter Namen von damaligen Hollywoodgrößen, von Filmstudios etc.pp. , das alles verleiht der Sache noch so viel mehr an Intensität, es ist genial.

Gut, viel neues geschrieben hab ich nun nicht, wollte es so aber dennoch loswerden und kann ansonsten meinen Vorrednern bzw. deren Kritiken uneingeschränkt zustimmen.

Ein must-see, für jeden.

10/10
 
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