Blue Velvet

Willy Wonka

Locationscout
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
22.037
Ort
Twin Peaks
Filmkritiken
126
AW: Blue Velvet

In den vorherigen Beiträgen wurden fast sämtliche diskussionsfreudige Details des Films angesprochen und daher fällt es mir schwer irgendwelche Aspekte des Films zu analysieren ohne stumpf viele Dinge ein weiteres Mal zu wiederholen.

So möchte ich mich jetzt kurz zur Wirkung des Films äußern.

In der Dokumentation „Mysteries of Love" wird immer wieder die Wirkung und Atmosphäre des Films aufgegriffen und wie aufwühlend diese bizarre Welt zum damaligen Zeitpunkt für die Zuschauer war. Ich habe den Film viel später kennen gelernt und bei der ersten Sichtung fand ich ihn auch verstörend, weil es mein erster David-Lynch-Film war. Doch mittlerweile habe ich diverse Lynch-Filme gesehen sowie diverse andere skandalträchtige Filme, sodass ich ein wenig abgestumpft bin. „Blue Velvet" ist im Vergleich zu den anderen Lynch-Filmen geradliniger und nicht so fragmentarisch gehalten, aber das konterkariert nicht die Wirkung des Films, sondern durch das Wissen der anderen Filme wurden für mich neue Möglichkeiten der Analyse offenbart, aber selbst das wurde in diesem Thema schon erwähnt. Ich will diesen Film lieber mit anderen Filmen vergleichen und einzelne Szenen hervorheben. So übt die Vergewaltigung von Dorothy (eine Antithese zur Dorothy in „Der Zauberer von Oz“?) kein Schauer oder Entsetzen bei mir aus, weil Lynchs Atmosphäre sowieso vollkommen irreal und bizarr wirkt d.h. eine reale Darstellung von Brutalität in Film wirkt für mich bedrohlicher (Verweis auf die Filme von Michael Haneke). Im Vergleich zur detaillierten Vergewaltigung in „Irreversibel" ist „Blue Velvet" harmlos, obwohl „Irreversibel" auch stark mit Verfremdungseffekten ausgestattet ist und auch sonst gibt es heutzutage genug Filme mit komischen und zwielichtigen Persönlichkeiten, sodass „Blue Velvet" heute nicht mehr so kontroverse Kritiken bekäme wie einst, da die heutigen Menschen einfach schon genug Abscheulichkeiten gesehen haben.

Die Qualitäten des Films liegen für mich in der grandiosen Inszenierung und den Zusammenspiel von Musik und Soundeffekten, den großartigen Leistungen aller Schauspieler und einen der besten Filmanfängen der Filmgeschichte.
Doch die Wirkung des Films hat sich im Laufe der Jahre in meinen Augen verändert.

Eine inhaltliche Kritik bzw. Missverständnis an den Film habe ich aber auch noch, denn für mich ist schleierhaft wieso Frank so viele Komplizen hat und diese ihm loyal zur Seite stehen. Im Film verkommen sie nur zu skurrilen Nebenfiguren, denn Frank wird ganz klar als Hauptperson porträtiert und er behandelt seine Leute, wie es ihm gefällt. Für mich ist keine Motivation erkennbar, wieso diese Leute für ihn arbeiten. Der Film fokussiert sich zu sehr Frank und seine Leute besitzen für die Handlung kaum Relevanz.
 

TheBjoern

Filmstar
Registriert
1 Apr. 2009
Beiträge
1.833
Ort
irgendwo im schönen Münsterland
Filmkritiken
13
AW: Blue Velvet

Eine inhaltliche Kritik bzw. Missverständnis an den Film habe ich aber auch noch, denn für mich ist schleierhaft wieso Frank so viele Komplizen hat und diese ihm loyal zur Seite stehen. Im Film verkommen sie nur zu skurrilen Nebenfiguren, denn Frank wird ganz klar als Hauptperson porträtiert und er behandelt seine Leute, wie es ihm gefällt. Für mich ist keine Motivation erkennbar, wieso diese Leute für ihn arbeiten. Der Film fokussiert sich zu sehr Frank und seine Leute besitzen für die Handlung kaum Relevanz.

Ein interessanter Ansatz. Es wirkt tatsächlich suspekt, wie Franks Gefolgschaft ihm blind hinterher läuft und sein gesammtes Spektrum an merkwürdigen Verhaltensmuster tolleriert.
Ein erklärender Ansatz könnte in Lynchs bekannter Hollywood-Kritk liegen. So oft müsste man sich wundern, warum die Untertanen des Bösen die loyalsten sind, obwohl manches mal der "Boss" aus Wut, oder anderen Motiven, einen von ihnen nieder schießt, sticht oder sonstwie erledigt, nur um zu zeigen, wie böse er ist.

An dieser Stelle hat Lynch mit Frank eine Figur geschaffen, die diesen Irrsinn wunderbar karikiert, wo doch Frank definitiv einen an der Klatsche hat und voller Komlexe ist.
Noch viel mehr hat mich allerdings die Tatsache irritiert, dass zu seiner Gefolgschaft u.a. Hausfrauen (so sahen sie zumindest aus) gehören, die sogar als Wächter des entführten Kindes dienen.
 

deadlyfriend

Casting
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
18.405
Ort
Garma
Filmkritiken
185
AW: Blue Velvet

Eine inhaltliche Kritik bzw. Missverständnis an den Film habe ich aber auch noch, denn für mich ist schleierhaft wieso Frank so viele Komplizen hat und diese ihm loyal zur Seite stehen. Im Film verkommen sie nur zu skurrilen Nebenfiguren, denn Frank wird ganz klar als Hauptperson porträtiert und er behandelt seine Leute, wie es ihm gefällt. Für mich ist keine Motivation erkennbar, wieso diese Leute für ihn arbeiten. Der Film fokussiert sich zu sehr Frank und seine Leute besitzen für die Handlung kaum Relevanz.

Ein interessanter Ansatz. Es wirkt tatsächlich suspekt, wie Franks Gefolgschaft ihm blind hinterher läuft und sein gesammtes Spektrum an merkwürdigen Verhaltensmuster tolleriert.
Ein erklärender Ansatz könnte in Lynchs bekannter Hollywood-Kritk liegen. So oft müsste man sich wundern, warum die Untertanen des Bösen die loyalsten sind, obwohl manches mal der "Boss" aus Wut, oder anderen Motiven, einen von ihnen nieder schießt, sticht oder sonstwie erledigt, nur um zu zeigen, wie böse er ist.

An dieser Stelle hat Lynch mit Frank eine Figur geschaffen, die diesen Irrsinn wunderbar karikiert, wo doch Frank definitiv einen an der Klatsche hat und voller Komlexe ist.
Noch viel mehr hat mich allerdings die Tatsache irritiert, dass zu seiner Gefolgschaft u.a. Hausfrauen (so sahen sie zumindest aus) gehören, die sogar als Wächter des entführten Kindes dienen.


Ihr beide habt wahrscheinlich noch nicht so viel Großstadtdreck gesehen, was aber auch nicht wirklich wichtig ist. ;)
Solche Leute und Konstellationen gibt es aber, weshalb ich das jetzt nie kritisch gesehen habe. Bei uns hieß Dennis Hopper einfach Murat. Ein Schläger vor dem Herrn, mit vielen Connections, Sportwagen und Kohle inklusive Kokain etc.. Der hat gerne in seinem "Freundeskreis" auch eigene Leute vermöbelt, wenn sie was gesagt haben, was ihm nicht passte. Auch Mädels, das war dem egal. Hingen aber trotzdem jedes Wochenende wieder mit ihm rum, weil es unglaublich "cool" war mit dem König abzuhängen. Das gab nämlich wiederum Respekt für sie selbst bei Anderen. "Oh Vorsicht, der gehört zur Gang". Also nicht wirklich was Besonderes.

Im Film selbst erscheint Frank dadurch eben noch mächtiger. Wenn er keine willenlose Gefolgschaft hätte, hätte ihm möglicherweise ein wenig von der Aura gefehlt.
 

Willy Wonka

Locationscout
Teammitglied
Registriert
19 Juni 2008
Beiträge
22.037
Ort
Twin Peaks
Filmkritiken
126
AW: Blue Velvet

Ihr beide habt wahrscheinlich noch nicht so viel Großstadtdreck gesehen, was aber auch nicht wirklich wichtig ist. ;)

Das kann auch gut sein. ;)

Solche Leute und Konstellationen gibt es aber, weshalb ich das jetzt nie kritisch gesehen habe.

Ich sehe es auch nicht als Kritikpunkt am Film. Dennoch ist mit dieser Aspekt bei der Zweitsichtung aufgefallen. Denn es gibt auch in anderen Filmen genug Beispiele, dass der Chef nicht dauerhaft das Sagen hat und sich die „Untergebenen" wehren wie z.B. in „Uhrwerk Orange".

Im Film selbst erscheint Frank dadurch eben noch mächtiger. Wenn er keine willenlose Gefolgschaft hätte, hätte ihm möglicherweise ein wenig von der Aura gefehlt.

Das glaube ich auch.


Und die dicken Frauen wirken in diesem ganzen Setting sehr bizarr. Auch Dean Stockwell hat einen sehr denkwürdigen Auftritt abgeliefert und wer wirkt auch nicht wie ein gewöhnlicher Mitläufer, sondern er wie ein Boss von einer anderen Clique.
 
Oben