Vertraue keinem Fremden

deadlyfriend

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Vertraue keinem Fremden

Die 9-jährige Jean kommt eines Abends nach Hause und erzählt ihren Eltern fröhlich, dass sie und ihre Freundin heute Süßigkeiten von einem älteren Mann bekommen hätten und dafür lediglich nackt tanzen sollten. Natürlich sind die neu in die Stadt gezogenen Eltern sofort hellhörig und versuchen gegen Mr. Olderberry Senior vorzugehen. Was zunächst als völlig logisch und klar erscheint, wird nur äußerst schwierig, denn Mr. Olderberry Senior ist sozusagen der Patriarch der Stadt. Jeder steht irgendwie in seiner Schuld und man verspürt im Ort wenig Interesse daran, sich mit der alteingesessenen und angesehenen Familie anzulegen. Zusätzlich versucht die Gegenseite parallel das Mädchen zu diskreditieren.

Ausgerechnet nach den riesigen Erfolgen um „Frankenstein“ und „Dracula“ betraten „Hammer films“ dieses ungewohnte Terrain eines ernsthaften Dramas, mit großen Anleihen des Thrillers. Finanziell war dies 1960 keine gute Idee, denn der Film lief auch aufgrund seines gewagten Themas in nur wenigen Kinos und wurde kontrovers aufgenommen. In UK bekam er sogar ein X-Rating, was natürlich ein wenig überzogen erscheint. Der Film geht nämlich äußerst feinfühlig zu Werke, weshalb ich ihn auch klar zu „M“ und „Es geschah am helllichten Tag“ hinzuaddiere. Er geht das Thema zwar völlig anders an, aber die Intensität und auch die Gefahr ist hier ebenfalls deutlich zu spüren. Hinzu kommt, dass mit Freddie Francis natürlich ein überragender Kameramann am Werk war, der die eindringlichen Bilder liefert. Tatsächlich bezieht der Film seine Spannung aber gleich aus mehreren Blickwinkeln, da man auch als Zuschauer überlegt, ob der zu zahlende Preis für eine Strafverfolgung wirklich lohnenswert ist und er dabei eine äußerst angespannte Debatte entfacht. Allerdings liefert er die Antwort auf diese Fragen letztlich auf kongeniale Art und Weise selbst. Interessant ist im Zusammenhang, dass der Film in der DDR als amerikanische Produktion im Vorspann tituliert wurde und zeitgleich auch der Hinweis fehlt, dass dies überall auf der Welt passieren könnte. Damit implizierte man natürlich unterschwellig, dass dies nur in den USA passiert. Genauso interessant ist aber, dass die Handlung der Originalversion in Canada angesiedelt wurde und somit außerhalb Großbritanniens spielt. Das Thema wollte man anscheinend ebenfalls nicht vor der Haustür haben. Gedreht wurde selbstverständlich in den Bray Studios und im angrenzenden Black Park, nahe Windsor. Natürlich in schwarz-weiß, da fast alle Thriller von Hammer, die in der damals gegenwärtigen Zeitebene spielen, ohne Farbe sind, während der Gothic-Horror aus dem Jahrhundert zuvor, fast immer in Farbe war.

Von mir gibt es für den Film eine klare Empfehlung, wenn man sich für das Thema interessiert bzw. den Filmen Ende der 50er und Anfang 60er aufgeschlossen gegenübersteht, aber auch heute noch ist die Warnung genauso aktuell wie damals: Never take sweets from a stranger!
 
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