AW: The Tall Man
So hab ihn dann heute auch endlich sehen können nachdem Amazon wie immer pünkltich geliefert hat
Der Schöpfer von Martyrs hat wieder zugeschlagen und kreierte einen Film, der erst wie ein simpler Mysterie-Horrorstreifen daherkommt und plötzlich eine völlig andere und absolut unerwartete Richtung einschlägt.
Hier kann ich Dir absolut zustimmen. Ich hatte, dank dem dezenten Hinweis von deadly, mir nichts über den Film durchgelesen und habe auch keinen Trailer oder ähnliches mir angesehen. Als man dann den Anfang sah und die zunächst eingeschlagene Richtung habe ich einen Horror Film erwartet. Entweder mit normalen Einschlägen oder aber mit Mystery Einschlägen. Fast bis zum Schluss, also bis es durch die "Entführung" von Jenny dann erklärt wurde, hatte ich eventuell noch mit einem Mystery Element gerechnet. Von daher war es sehr spannend!
Ich bin gespannt ob man bei der 2. Sichtung mehr erahnen und puzzeln kann als es einem auf den ersten Blick erscheint.
Ich befürchte das es einer dieser Filme ist der bei einer zweiten Sichtung etwas an Reitz verliert da man die Auflösung kennt. Die Inszenierung hat mir zwar auch sehr gut gefallen, tolle Kamera Arbeit und tolle Bilder, aber im Grunde lebt der Film von der Ungewissheit was passiert ist bzw. später dann durch die für mich vollkommen überraschende Auflösung.
Nach der Szene im Cafe, freute ich mich das die Bewohner Bescheid wussten und habe an eine Verschwörung ala King gedacht.
Genau diese Szene erinnerte mich auch total an eine King Verfilmung. Hier habe ich z.B. noch fest damit gerechnet das es ein Mystery-Element im Film gibt, irgend ein alter Fluch der auf der Stadt liegt und alle darüber bescheid wissen bis eben auf Julia und sie es jetzt irgendwie herrausfindet!
Bis dann plötzlich alles etwas anders aussah und ich mir sicher war, das die Alte in der Fabrik einen an der Waffel hat. Irritiert hat mich nur das das Kind plötzlich so merkwürdig war.
Das hat mich natürlich auch sehr verwundert, aber immer noch in dem Glauben das es ein Mystery Element geben könnte hatte ich es mir irgendwie so erklärt das hier diese verwirrte Frau es irgendwie mit einem Mittel oder Gehirnwäsche geschafft hat David davon zu überzeugen sie sei seine Mutter. Das es genau anders war und es Julia war die dies getan hat, habe ich hier noch nicht wirklich geglaubt. Hier muss man
Jessica Biel auch absolut einmal loben. Sie hat die Rolle wirklich toll gespielt. Zu Anfang eine vollkommen andere Person zu spielen, in der Mitte des Filmes merkt man plötzlich wie sehr man als Zuschauer diese Person anfängt zu hassen udn zum Ende hin kann man zumindestens die Grundidee die dahintersteckt nachvollziehen. Ob sie nun gemeinsam mit ihrem Mann gutes oder schlechtes damit bewirkt hat liegt im Auge des Betrachters, aber sie war nicht das Monster für das sie dann zum Schluß von den Gefängnissinsassen und den Bewohnern von
Cold Creek gehalten wurde. Sie war keine Mörderin. Ob das andere besser bzw. weniger schlimm ist, muss denke ich einmal jeder für sich selber entscheiden.f
Als es dann langsam zur Auflösung ging, habe ich dann die Augen aufgerissen. Was für eine geile Idee!! Auch das er ein Horror-Thema benutzt hat um diesen gesellschaftskritischen Hintergrund zu beleuchten war erste Sahne. Und ja, die Frage was richtig war, hat mich auch heute beschäftigt. Das kann man nämlich aus mehreren Blickwinkeln betrachten. Ich bin von dem Film wirklich äußerst angetan.
Die Auflösung war einfach nur der Wahnsinn. Ich bin absolut angetan von der Inszenierung dieses Themas. Also so ein Thema mal in einem anderen Genre verfilmt zu sehen, das hatte was. Daher....
Kindesentführung? Bin ich schon so weggenickt bei dem film? Für mich sahen die kinder glücklich aus als sie zu der neuen familie gebracht wurden und aus ihren unerträglichen verhältnissen rausgerissen wurden
.....war es genau dieser Aspekt, welcher den Film für mich sehr real und beängstigend hat werden lassen! Wenn es ein verrückter Entführer gewesen wäre der Kinder aus wohl behüteten Familien gerissen hätte, wäre der Film nur halb so gut gewesen, eben weil sowas schon häufig Thema war. Aber hier geht es um eine sehr sozialkritische Frage. Wer definiert die Regeln wann ein Kind wohlbehütet und von seinen Eltern gut versorgt und geliebt wird und wann es in einer anderen Familie besser aufgehoben wäre. Jeder Mensch hat das Recht Kinder in die Welt zu setzen und solange ihm nicht nachgewiesen wird das er diese Mißhandelt und/oder extrem vernachlässigt bleiben die Kinder logischerweise bei Ihren Eltern. Aber wo ist die Grenze? Im Film sieht man einen heruntergekommen Ort in dem es wahrlich nicht schön für Kinder ist aufzuwachsen und es sieht auch nicht so aus, als ob die Eltern über die finanziellen Mittel verfügen Ihren Kindern eine gesicherte Zukunft zu bieten. Aber man merkte, zumindestens wurde es dem Zuschauer an Hand der Mutter von David suggeriert, das sie ihre Kinder lieben. Und das sie, auch wenn sie ihnen nicht viel bieten können, ihre Kinder nicht komplett vernachlässigen. Natürlich war Jennys Mutter keine Vorzeige Mum und hatte einen alkoholabhängigen Freund der ihre Töchter mißbrauchte. Das war absolut nicht richtig und in diesem Fall kann man nachvollziehen warum Jenny freiwillig diesen Weg gewählt hat. Bei David kennt man die Hintergründe jedoch nicht.
Und hier ist halt die spannende ethische Frage des Films. Ab wann ist es legitim ein Kind seinen leiblichen Eltern zu nehmen und es einer anderen Familie zu übergeben? Wenn es mißhandelt wird.... auf jeden Fall! Wenn man sieht das es von seinen Eltern nicht genügend gefördert wird? Wenn man sieht das die Eltern ihrem Kind nichts bieten können? Wenn das Kind quasi der nächste jugendliche Sozialhilfe-Empfänger wird? Sollte man dann so ein "Problem-Kind" seinen leiblichen Eltern weg nehmen und es einer finanziell starken Familie in Dauerpflege, oder wie hier im Film, sogar komplett überlassen und somit dem Kind seine Identität stehlen? Und vorallem wer definiert die Grenzen? Aus sicht einer Familie die monatlich sogar noch Geld übrig hat zum sparen bzw. sich generell über Geld keine Gedanken machen muss sind alle Leute darunter sozial schwächer. Aber wieviele Familien gibt es die es so gerade eben mal schaffen am Ende des Monats mit einer schwarzen null auf dem Konto dazustehen. Einige schaffen dies nicht und rutschen sogar hin und wieder bzw. regelmäßig in den Dispo bzw. verschulden sich komplett. Das in solchen Familien Kinder, zumindestens finanziell, nicht so gefördert werden können wie in Familien wo Geld keine Rolle spielt, dürfte auch klar sein. Aber gibt das jemanden, egal wem, das Recht diese Kinder in die Obhut einer finanzstarken Familie zu geben?
Genau dieses Ende fand ich bärenstark im Film. Julia und ihr Mann waren sehr engagiert bei diesem Thema, merkten aber das Ihre Bemühungen mit offiziellen Mitteln nicht zu dem Erfolg führten den sie sich erhofft haben. Also haben sie ein eigenes Selbstjustiz System entwickelt und haben Kindern, welche nach ihren Kriterien vernachlässigt und mißhandelt wurden, entführt sie sozusagen erst etwas resozialisiert mit Hilfe von Julia und Christine und sie dann, gegen Geld natürlich, zahlungskräftigen Leuten übergeben, ihnen einen neue Identität verschafft. Das es ihnen aus finanzieller Sicht bei diesen Eltern besser geht gar keine Frage, aber sie wurden dadurch ihrer Persönlichkeit geraubt. Und das finde ich mindestens genauso schlimm als wenn ein Kind mißhandelt wird. Es ist in meinen Augen eine Mißhandlung, nur eben eine andere Form davon.
Was mir halt gefallen hat ist, das die Thematik Kindesentführung nicht als zum Brechreiz anregendes, rührseliges Drama verfilmt wurde, bei dem sich am Ende wieder alle lieb haben, da es ja in Amerika spielt. Mit Tränen der Wiedervereinigung und jubelnden Nachbarn
Und dieses Thema nicht als Drama zu verfilmen sondern in einen Thriller reinzupacken der kein Happy End hat, sondern wirklcih ein Ende was, mich zumindest, mit einem sehr unwohlen und schokierenden Gefühl zurückließ, ist ganz großes Kino! Ein Happy End wäre einfach unpassend gewesen. In gewisser Weise war es natürlich auch ein kleines Happy End für Jenny da sie nun ein unbeschwertes Leben führen kann, allerdings zu welchem Preis. Sie muss ihr Leben lang mit der Gewissheit leben das ihre Mutter sie für tot hält. Und alle anderen Eltern aus
Cold Creek denken auch Julia hätte ihre Kinder ermordet. Und von denen wusste man garnichts aus Zuschauersicht. Wie bereits erwähnt mit Jennys Mutter kann man eigentlich wenig Mitleid haben. Sie ist mit einem Säufer zusammen und nimmt es hin, mal still mal mit Protest, das er nicht nur die ältere Tochter geschwängert hat und sie offenbar ja auch häufig geschlagen hat, sondern auch Jenny mißbraucht hat und sie hat das ganze offensichtlich nicht so gut "weggesteckt" wie ihre Mutter und ihre Schwester und hatte dadurch ernsthafte Probleme. Aus Jennys Sicht war der Ausweg den Julia und ihr Mann ihr geboten haben eine super Sache, aber wie es z.B. mit David war weiß man nicht und mit den anderen Kindern noch weniger. Daher ist dies nur bedingt ein Happy End und eher ein sehr tiefer Schlag in die Magengegend.