Nackt unter Kannibalen
Oje, wo fange ich an? Am besten mit der Handlung:
In grauer Vorzeit, als „Frauen“ und „Rasierer“ noch Begriffe waren, die man nicht im selben Satz verwendete, wollte Journalistin Emanuelle (mit nur einem ‚M‘) eigentlich nur ihre neue Puppenkamera im Gagatorium ausprobieren, als sie prompt Zeugin wurde, wie eine blonde Patientin einer Krankenschwester mit unerwiderten lesbischen Neigungen die halbe Brust abgebissen hat. Selber schuld. Rasch findet man heraus, daß die kleine Beißerin Kontakt mit einem seit fünfzig Jahren (?) ausgerotteten Kannibalenstamm gehabt haben muß (mal ernsthaft: wenn es den Stamm seit einem halben Jahrhundert nicht mehr gibt, wieso weiß im Film jeder Dödel davon?). Schon stellt Emanuelle mit dem Wissenschaftler Lester, nachdem sie mit ihm mal kurz durch die Laken gewälzt ist, eine Expedition zum Amazonas zusammen, wo die Nachfahren jenes Stammes noch immer ihr Unwesen treiben sollen. Gemeinsam mit dem impotenten Jäger Donald, dessen lüsterner, aber massiv unterbefriedigten Ehefrau Maggie und etwas Kanonenfutter machen sich Emanuelle & Co. auf den Weg, die letzten Kannibalen aufzuspüren.
Joe D’Amatos berühmtberüchtigter Schocker „Nackt unter Kannibalen“ vereint zwei unvereinbar scheinende Genres: den Kannibalenfilm und den in den 70ern noch immer auf Hochtouren laufenden (harmlosen) Softsexfilm. Letzterem widmet der Regisseur die erste halbe Stunde des Films, ersterem den Rest. Beide Hälften passen leider rein gar nicht zusammen, und so bleibt eine ziemlich krude Mischung, die höhepunktlos vor sich hindümpelt und deren abenteuerliche Expedition in die Tiefen des Amazonasgebietes eher etwas von einem Wochenendausflug nebst Picknick hat.
Beleuchten wir beide Teile des Films mal näher; zunächst den Softsexteil:
Ist „Nackt unter Kannibalen“ erotisch? Hm, nein. Joe D’Amato hat mit Laura Gemser eine bewährte und recht zeigefreudige Hauptdarstellerin am Start, die zunächst bei jeder passenden (und unpassenden) Gelegenheit blankzieht und ihren Traumkörper der Kamera präsentiert. Leider ist olle Joe nicht in der Lage, aus Fr. Gemsers Attraktivität mehr als etwas Matratzensport herauszuholen, eine peinliche Freiluftnummer am Ufer des Hudsons inklusive. Das ist so öde und prüde und leider völlig unerotisch in Szene gesetzt, daß man sich schon fragen mag, was D’Amato eigentlich hinter der Kamera getrieben hat, während die Gemser davor aktiv wurde. Ausgeklügelte Aufnahmen hat er sicher nicht ausgetüftelt. Die restlichen Darstellerinnen (drei an der Zahl) trifft es nicht besser, und am Ende des Films kommt der Zuschauer zu zwei Erkenntnissen: Frauen wollen immer, und Frauen sind latent bisexuell und jederzeit bereit, auch ans eigene Geschlecht Hand anzulegen. Ach ja: Erkenntnis Nr. 2 ½: Frauen masturbieren ständig.
So hangelt sich der Film einfallslos von einer Nackedei-Szene zur nächsten, ehe dann die Kannibalen auf der Bildfläche erscheinen.
Der Kannibalenteil:
Ist „Nackt unter Kannibalen“ ein guter Kannibalenfilm? Da ich außer dem höchst unterhaltsamen
„Zombies unter Kannibalen“ diesbezüglich eher unerfahren bin, kann ich die Frage nur schlecht beantworten. Das Genre liegt mir nicht. Jedenfalls ist die Effektarbeit ziemlich billig und albern geraten. Horrorspannung, wie man sie vielleicht erwarten würde, kommt überhaupt nicht auf. Stattdessen läßt D’Amato seine Darstellerinnen nach halbstündiger Durststrecke erneut blankziehen und kombiniert nun nackte Haut mit Blut und Gekröse, was stets eine unangenehme und auch bedenkliche Mischung ist. Auch hier funktioniert sie nicht und läßt den Film noch kruder und konfuser erscheinen, als er tatsächlich ist.
Ist „Nackt unter Kannibalen“ ein doofer Film? Unbedingt.
Leider nicht so doof, daß er spaßig wird, wie z.B. bei o.g. „Zombies unter Kannibalen“ der Fall, der so dämlich ist, daß er schon wieder Gaudi macht.
Darstellerisch kann „Nackt…“ lediglich mit Laura Gemser, die mal wieder die vollen Körpereinsatz bringende Journalistin Emanuelle spielt, und dem stets fiesen Donald O’Brien als Jäger punkten. Gabriele Tinti, der in vermutlich allen Filmen dieser Art aufgetreten ist, bleibt ebenso farblos wie die gesichtlosen Wilden, die die zweite Hälfte des Filmes bevölkern, von seinen „richtigen“ Darstellerkollegen ganz zu schweigen. Wacker schlägt sich der Score von Nico Fidenco, der einige der „Black Emanuelle“-Filme vertonte und auch diesmal eine hübsche Stimmung zu erzeugen vermag.
So bleibt ein fades Stück Film, dem man vor allem vorwerfen kann und muß, daß er keinerlei Spaß macht. Er ist blöde, aber nicht auf die unterhaltsame Art, sondern eher auf die zähe, die nicht vergehen will, so daß man stets einen Blick aufs Zählwerk des DVD-Players hat, wann das Elend endlich ein Ende haben möge. Der Anblick der nackten Laura Gemser entschädigt für so einiges, aber eben nicht für alles.
Lieber nochmal „Zombies unter Kannibalen“ einlegen und mächtig abfeiern.