Friedhof der toten Seelen
Eine junge Frau, lernt bei einer Hochzeitsfeier einen jungen Mann kennen, mit dem sie sich zu einer Radtour am nächsten Sonntag verabredet. Bei diesem schönen Tag machen sie halt an einem alten Friedhof. Sie steigen dort in eine Krypta und tauchen erst wieder auf, als die Sonne bereits untergegangen ist. Nun suchen sie den Ausgang des Friedhofs, da sie sich in der Dunkelheit verlaufen haben. Dieser ist aber einfach nicht zu finden und die freudige Stimmung schlägt langsam in Panik um.
Zombies, Geister und Gruselspuk kommen einem an dieser Stelle als Erstes in den Sinn, doch Jean Rollin hat dies als seinen seltsamsten Film bezeichnet und das will was heißen. Deshalb bekommt man hier nichts von den Vermutungen serviert. Gar nichts. Die Sätze oben sind nämlich tatsächlich der gesamte Inhalt des Films. Mehr passiert hier nicht. Wir begleiten die beiden namenlosen Protagonisten einfach nur auf diesem Friedhof, ohne das von außen irgendetwas passiert. Hier steigt niemand aus den Gräbern und auch ansonsten gibt es kein Spannungsmoment. Wer so etwas sehen will, ist bei dem Film absolut falsch. „Die eiserne Rose“ folgt zu keinem Zeitpunkt irgendeiner Regel der Filmgeschichte oder verfolgt eine strukturierte Narrative. Während er in „Die Folterkammer des Vampirs“ die Sprache auf ein Minimum reduzierte, zieht er hier den Inhalt zusammen. Der einzige Fokus liegt nämlich auf der Atmosphäre. Die Wirkung des Friedhofs auf das Pärchen und auch die Wirkung auf den Zuschauer, ist hier im Vordergrund. Ob das allerdings für einen kompletten Spielfilm ausreicht, ist nur subjektiv zu beantworten. Ich sage ganz klar „Ja“, während wahrscheinlich 95% „Nein“ brüllen werden. Es ist Rollin und der bekommt das immer irgendwie hin. Zumindest funktioniert es bei mir. Ich schaue auf die Leinwand und tauche ab. Zeit und Raum steht still. Als ob ich im Louvre in einem Gemälde versinken würde. Der Friedhof ist nämlich atemberaubend und was er wieder an Kameraperspektiven und Licht aufbietet ist einfach nur wunderschön. Aber eben auch nicht einfach. Während unsere Protagonisten den Ausgang des Friedhofs nicht finden, werden viele Zuschauer entgegengesetzt nicht hineinfinden. Mein volles Verständnis dafür. Das ist auch nicht so einfach. Mit Francoise Pascal hatte er aber auch eine reizende Hauptdarstellerin, die man wirklich gerne begleitet. Allerdings sollte man auch ihre Handlungen nicht hinterfragen und eine Sinnsuche lostreten. Es ist Rollin, das interessiert ihn einfach nicht. Es ist eine andere Welt, die nicht so funktionieret, wie wir das gewohnt sind. Vielleicht hat er auch deshalb wieder einen seltsamen Clown eingebaut, ein wiederkehrendes Element in seinen Filmen, um daraufhin zu weisen, dass dies keine „normale“ Erzählstruktur ist.
Damit hatten aber wohl einige erzürnte Festivalbesucher so ihre Probleme. Jean Rollin war im Kino zu Gast und hat vor dem Film zum Publikum gesprochen und wollte vermitteln, wie man in den Film reinkommt. Dies war dann selbst für den oft gescholtenen und unverstandenen Regisseur eine schwarze Stunde. Tumultartige Szenen müssen sich abgespielt haben und er wurde mit Schimpf und Schande davongejagt.
Ich bin so unglaublich froh, dass seine Filme im heutigen Zeitalter wiederentdeckt und auch neu bewertet werden und freue mich wirklich darüber, dass er hiervon zu seinen Lebzeiten noch etwas mitbekommen hat. Im Gegensatz zum Kollegen Lucio Fulci, der seinen heutigen Stellenwert nicht mehr erlebte.
Letztlich möchte ich aber auch noch auf die wundervolle und ebenfalls experimentelle Musik hinweisen, die einen riesigen Anteil an der seltsamen Atmosphäre des Films besitzt. Manchmal nur surreale Klänge und menschliche Stimmen, die aber völlig verfremdet in tolle Melodien gepackt werden. Auch dies ist im Jahr 1973 wirklich abgefahren. Wie immer folgt der Hinweis: Ich kann diesen Film niemanden empfehlen. Es gibt auch keinen Einsteiger-Rollin. Er ist und bleibt für mich auch eine Übungssache. Man braucht einfach ein wenig, um Verständnis zu erlangen. Diesen Genuss muss man sich tatsächlich erarbeiten. Wenn man aber einmal drin ist, offenbart sich auch der Rest.