Breaking The Waves
Die kindlich-naive Bess kommt nur schwer damit zurecht, dass sie von ihrem frisch angetrauten Ehemann Jan, der auf einer Bohrinsel arbeitet, wochenlang getrennt leben muss. Also bittet sie in der Kirche Gott bei einer ihrer Zwiesprachen mit ihm (sie antwortet sich selbst mit verstellter Stimme), er möge ihren Mann heimschicken. Ihr Wunsch erfüllt sich und Jan kehrt heim – nach einem Arbeitsunfall allerdings querschnittsgelähmt und mit wenig Aussicht auf Heilung. Bewegungsunfähig ans Bett gefesselt, fordert Jan seine psychisch labile Frau auf, mit anderen Männern Sex zu haben und ihm dann davon zu berichten. Die mit Schuldgefühlen beladene Bess kommt seiner Aufforderung schließlich nach, was in ihrem streng religiösem Heimatnest nicht ohne Folgen bleibt...
Juliette Lewis hat mal sinngemäß über Lars von Trier gesagt: „Er nimmt sich ein kleines Bambi und macht es kaputt, indem er alles erdenklich Schlechte über es hereinbrechen lässt. Ich hasse ihn dafür“. In diesem Fall ist das Bambi nicht Björk oder Charlotte Gainsbourg, sondern Emily Watson, die eine oscarreife Vorstellung abliefert. Sie verkörpert Bess absolut glaubhaft und geht einem mit ihrem ständigen Geheule und ihrer fast einfältig wirkenden Art zeitweise gewaltig auf den Senkel. Dann wiederum hat man Mitleid mit dieser hilflos-überforderten Frau, die ihren Mann bis zur Selbstaufgabe liebt und alles für ihn tun möchte. Auch alle anderen Darsteller liefern eine sehr gute Leistung ab, stehen aber klar im Schatten von Emily Watson.
Schwere Kost also, die von Trier natürlich auch optisch entsprechend unterstreicht: die blassen, per Handkamera aufgezeichneten Bilder lassen eine ungeheuer triste Stimmung entstehen, die nicht jedermanns Sache sein dürfte, aber hervorragend zur Geschichte passt. Kurze Ausflüge in bunte Traumwelten wie in „Dancer In The Dark“ gibt es nicht, wenn man von den meist mit Rockklängen unterlegten Übergängen zwischen den Kapiteln absieht. Bei einer Filmlänge von zweieinhalb Stunden kann das alles gewaltig an den Nerven zerren, aber genau dafür lieben wir Lars von Trier ja – oder hassen ihn.
Fazit: wer das volle Drama-Brett haben möchte, kommt um „Breaking The Waves“ nicht herum. Alle Anderen dürfen schreiend Reißaus nehmen.
9,5/10 Punkte