zur abwechslung mal eine TV-serie, hoffentlich geht dieses unterforum dafür in ordnung...
Nummer 6 (TV-Serie)
„nummer 6“ (im original
„the prisoner“ betitelt) ist eine TV-serie, die in england bereits 1967 produziert und ausgestrahlt wurde, 1969 erstmals nach deutschland kam… und die heute kaum jemand kennt, obwohl sie in fankreisen absoluten kultstatus genießt und es wohl kaum eine andere serie gibt, an der so viel gedeutelt und analysiert wurde.
die geschichte ist schnell erzählt: ein (namenloser) agent hat die schnauze voll von seinem job und will gerade die koffer packen, um sich dauerhaft abzusetzen, als er in seiner wohnung überfallen und mit gas betäubt wird. als er wieder zu sich kommt, findet er sich auf einer abgeschiedenen insel in einer kleinen, seltsamen ortschaft, „the village“ genannt, wieder, in der menschen keine namen, sondern nur nummern haben. er selbst ist fortan „nummer 6“ und hat in jeder folge gegen die obrigkeit, angeführt von „nummer 2“ (zu beginn fast jeder episode wird „nummer 2“ ausgetauscht und durch eine andere person ersetzt), anzukämpfen, die unter allen umständen versuchen, seinen willen zu brechen und an die informationen heranzukommen, die sich in seinem kopf befinden: was weiß er, wieso hat er seinen job aufgegeben. jedes kleine detail in „the village“ wird überwacht und kontrolliert, und „nummer 6“ ist stets bemüht, von der insel zu kommen und sich von „nummer 2“ nicht brechen zu lassen.
nach seiner erfolgreichen TV-serie
„danger man“ legte hauptdarsteller Patrick McGoohan höchstpersönlich das konzept für
„the prisoner“ vor und wollte eine auf 7 episoden beschränkte mini-serie produzieren. aber diese idee war damals neu, und so wurden aus den ursprünglich 7 rasch 17 episoden, die in produktion gingen und in den folgenden jahrzehnten zumindest in fankreisen für heftige debatten sorgen sollten. als autor, zeitweiliger produzent und gelegenheitsregisseur trug McGoohan maßgeblich zum unverwechselbaren stil der serie bei, der als eine seltsame mischung aus (60er jahre) science fiction, agentengeschichte und thriller anmutet, was man heutzutage vermutlich unter dem oberbegriff „mystery“ zusammenfassen würde. aber dieses genre war damals noch nicht erfunden, und so lässt sich
„the prisoner“ all jenen formaten zuordnen – und passt doch vollends in keines davon.
fast alle episoden zeigen die versuche von „nummer 2“, den willen von „nummer 6“ zu brechen: hypnose, drogen, manipulation, gehirnwäsche, täuschung. jedes mittel scheint ihm recht, hinter die geheimnisse des aussteigers zu kommen. und so wie alle diese versuche letzten endes scheitern, wird auch „nummer 6“ mit seinen erfolgen gegen den druck nicht glücklich, denn nicht nur „nummer 2“ ist ein scheiterer, sondern auch er selbst, da es ihm niemals dauerhaft gelingt, „the village“ zu verlassen. werden seine frühen fluchtversuche zunächst von „rover“, einem riesigen weißen ballon, vereitelt, setzt „nummer 2“ „nummer 6’“ fluchtgedanken manchmal sogar gegen ihn ein, um ihn in falscher sicherheit zu wiegen.
dabei ist
„the prisoner“ viel mehr, als eine simple agentengeschichte. McGoohan hinterfragt das recht auf freiheit, auf menschlichkeit und privatsphäre. fast schon prophetisch, ist „the village“ komplett videoüberwacht, „nummer 6“ und jener mysteriöse „nummer 1“, die hinter allem steht, bleiben keine details aus dem privatleben der bewohner des ortes verborgen; es ist kein platz für den freien willen und individualität. jede schwäche und vermeintliche stärke von „nummer 6“ wird zur zielscheibe, um seinen willen dem des „village“ und „nummer 2“ bzw. „nummer 1“ untertan zu machen, und so agiert „nummer 6" mehr als einmal am rand der totalen verzweiflung, wenn sich die ersehnte freiheit als hirngespinst oder geschickte manipulation von „nummer 2“ erweist.
„the prisoner“ erpuppt sich als optisch eindrucksvolle, kafkaeske, manchmal fast surreal anmutende serie, die zu nichts passt, was seinerzeit im TV zu sehen war. auch inhaltlich werden radikal neue wege beschritten, was sich vor allem im serienfinale zeigt, welches seinerzeit für einen so großen skandal sorgte, dass McGoohan angeblich zeitweise das land verlassen musste, um dem zorn der zuschauer zu entgehen. dass er die inseln damals tatsächlich verließ, steht übrigens außer frage, doch inwieweit seine „flucht“ seiner serie geschuldet ist, kann heute wohl niemand mehr mit gewißheit sagen.
optische schmankerl wie der eigenwillige überwachungsraum von „nummer 2“ (auf einer riesigen roten, sich ständig bewegenden wippe sitzen zwei mitarbeiter, die auf monitoren die ereignisse im village überwachen), jenem mysteriösen weißen ballon „rover“, der flüchtige dorfbewohner wieder kascht oder sogar tötet und nicht zuletzt dem dorf selbst, welches im übrigen tatsächlich in dieser form im walisischen Portmeirion existiert, eine hotelanlage ist und noch heute zum wallfahrtsort von fans zählt (immerhin kann man in der wohnung von „nummer 6“ nächtigen) machen
„the prisoner“ zu einer TV-einmaligkeit, die ihrer zeit im jahrzehnte voraus war und, obwohl bei der breiten masse doch eher unbekannt, auch aktuellen filmschaffenden als inspirationsquelle dient. so gibt beispielsweise Ronald D. Moore an, dass seine cylonin „number six“ ihren namen eindeutig dem McGoohan-charakter zu verdanken hat. selbst
„lost“ wäre ohne
„the prisoner“ sicher nicht denkbar gewesen.
wer sich gern mit einer serie auseinandersetzen mag, die bereits über 40 jahre auf dem buckel hat, aber dennoch erstaunlich aktuell wirkt, dem sei
„the prisoner“ dringend ans herz gelegt. wer gern hinter die fassaden einer „einfachen“ serie schaut und sich gedanken über entmenschlichung, totale überwachung, den verlust von freiheit und individualität machen will, der ist mit
„the prisoner“ allerbestens bedient und wird 17 folgen lang (nicht jede ist ein meisterwerk, versteht sich) seinen kopf anstrengen können.
kurz zur deutschen DVD-VÖ: von den vorhandenen 17 episoden wurden 4 niemals synchronisiert und finden sich auf der sehr gelungenen box von koch media im o-ton mit deutschen untertiteln, wobei eine dieser episoden ein eigentümliches easter egg zu bieten hat. bild und ton sind etwa vergleichbar mit dem der DVD-VÖ der klassischen
„star trek“-serie, geben also keinerlei grund zur klage. wer auf deutschen ton nicht angewiesen ist, dem sei die britische VÖ auf blu-ray empfohlen, die bildtechnisch der absolute oberhammer ist, wie man auf screenshots bei
http://www.dvdbeaver.com/film2/DVDReviews47/the_prisoner_blu-ray.htm erkennen kann. es ist unglaublich, wie genial die doch gut betagte serie in blau daherkommt. und für’n zwanni macht man da eigentlich nichts verkehrt.
trotz einiger schwächerer episoden, die einzig dem umstand geschuldet sein dürften, dass McGoohan sein konzept auf senderwunsch strecken musste, bleibt eine beeindruckende, verstörende, zum nachdenken anregende serie, die man mal gesehen haben sollte.
klare empfehlung von mir!
"be seeing you"
und hier nochmal "rover":