RoboCop
Detroit in naher Zukunft: die Stadt versinkt in Verbrechen und Korruption. Da kommt es dem Großkonzern OCP, der kürzlich die Polizei übernommen hat, gerade recht, dass der Cop Alex Murphy in seine Einzelteile zerschossen wird. Immerhin hat man nun das dringend benötigte Spenderhirn für die ultimative Waffe gegen die überall um sich greifende Kriminalität: RoboCop, halb Mensch, halb Maschine tritt seinen Dienst an und plättet alles, was nicht niet- und nagelfest ist.
1987 war ein gutes Jahr. Es war ein Jahr, in dem Actionfilme noch für Erwachsene gemacht wurden. Es war das Jahr, in dem Arnold Schwarzenegger im Dschungel auf blutige Alien-Jagd ging. Es war das Jahr, in dem Mel Gibson und Danny Glover erstmals gemeinsam ermittelten. Es war auch das Jahr, in dem James Cameron ganze Heerscharen von schleimigen Aliens in Kanonenfutter verwandelte und Stanley Kubrick und Oliver Stone nach Vietnam zogen – hm, oder war das schon 1986? Ach, egal.
Und es gab eben RoboCop, Paul Verhoevens Antwort darauf, wie man mit Kriminalität umzugehen hatte: nämlich immer voll auf die Fresse. Auch wenn sein US-Debüt „Fleisch & Blut“ 1985 nicht gerade wie eine Bombe einschlug (und ihn auf ewig mit Rutger Hauer verkrachte), konnte er dennoch den Regieposten für einen kleinen SF-/Actionfilm ergattern, der Startschuss für ein merkwürdiges Franchise geben sollte.
Verhoeven selbst fand den Titel „RoboCop“ nach eigenem Bekunden stets trashig und albern, drückte dem Film jedoch dennoch mit großer Freude (und, wie man diversen Kommentaren entnehmen kann, radebrechendem Englisch – ich sag nur „Bitches leave“, mit denen er die weiblichen Darsteller während des Drehs ‚neckte’) seinen Stempel auf, was in dem Falle bedeutet: Blut, Blut und nochmals Blut. Wo die Fischbüchse mit dem emotionalen Knacks hinhaut, da wächst kein Gestrüpp mehr. Da springen die Biber aus dem Wasser, da schießen die Melonen ins Kraut. Zwar mit bekannten Gesichtern besetzt, aber durch das wohltuende Nichtvorhandensein irgendwelcher zugkräftiger Namen ausgestattet, dürfen sich der Holländer und seine Blutpäckchenlieferanten nach Herzenslust austoben. Und diese Chance nutzen sie. „RoboCop“ ist schlicht und ergreifend ein saubrutaler Film. Da werden potentiellen Vergewaltigern auch schon mal frisch und frei die Eier weggeschossen und ein Bad Guy in die Biotonne… ähm, einen Kübel Gitfmüll gestopft, physische Entstofflichung einbegriffen. Verhoeven war noch nie besonders zimperlich. Und in seiner Blechbullen-Mär kostet er dies genüsslich aus.
„RoboCop“ als sinnbefreite Gewaltoper abzutun, ist dennoch nicht zutreffend. Was ihn von späteren Trittbrettfahrern vor allem abhebt, ist der permanente schwarze Humor, der Verhoeven schon damals ausgezeichnet hat. Und freilich die allgegenwärtige Gesellschaftskritik, die mal mehr, mal weniger deutlich durch den Schleier aus Blut und Fleischfetzen dringt.
Auch wenn von Peter Weller die meiste Zeit lediglich das Kinn zu sehen ist, füllt er seine Rolle gut aus (es ist eben NICHT egal, wer da letzten Endes im Metalletui steckt), Ronny Cox und Miguel Ferrer geben gute, schmierige Konzernwiderlinge ab. Nancy Allen, geschiedene DePalma-Gattin, hat zwar keine großen Szenen zu meistern, geht aber als Robos Partnerin völlig in Ordnung. Sie alle aber haben das Nachsehen, wenn ein Mann die Bildfläche betritt: Kurtwood Smith als Oberfiesling und ausgemachter Drecksack Clarence Boddicker ist einfach nur grandios. Wenn er loslegt, darf sich der geneigte Fan amüsiert zurücklehnen und dem Mistkerl bei der Arbeit zuschauen. Dann ist es ganz die „Clarence Boddicker“-Show, die wohl jeder gern für’n Dollar kaufen würde (hm, oder lieber doch nicht). Smith ist mit solch Spielfreude und Vergnügen bei der Sache, dass man kaum glauben möge, dass er auch richtige nette Typen spielen kann. Seine Kumpanen Ray „Leland Palmer“ Wise und Paul „Ich steh drauf, besonders widerlich in meinen Rollen abzutreten“ McCrane sind ebenfalls mit viel Spaß dabei, aber eben nicht ganz so super drauf wie Mr. Smith.
Musikalisch schöpft Basil Poledouris aus den Vollen und untermalt die Fleisch & Stahl-Saga einmal mehr mit brachialem, gut ins Ohr gehendem Sound. Der „Conan“-Mann weiß eben, wofür die schwarzen und weißen Tasten gut sind. Ebenso hat Designer Rob Bottin sein Handwerk gelernt und präsentiert einen schicken Metallpolizisten, einen geilen ED-209 und ein paar verflucht gute Stop-Motion-Effekte, die lediglich von denen im zweiten Teil der Reihe noch übertroffen werden.
„RoboCop“ ist, wie anfangs erwähnt, ein seltsames Franchise. Mit lediglich einem wirklich erfolgreichen Beitrag und mehreren Versuchen, an diesen Erfolg anzuknüpfen, erinnert es ein wenig an „Der Exorzist“: ein Volltreffer, sonst nur Mumpitz und Budgetgräber (ok, ich mag „Der Exorzist III“). Kürzlich gab es auch ein modernisiertes Remake, mit einem durch die Gegend hüpfendem Tablet anstelle einer Hauptfigur, aber nur das Original ist das einzig wahre. Versteht sich von selbst.
Ich dürfte etwa 14 Jahre alt gewesen sein, als ich „RoboCop“ das erste Mal gesehen habe. Seinerzeit lief das so ab: Muttern und Vaddern liehen Titel X aus der Videothek (die Älteren werden sich erinnern: das ist so ähnlich wie eine Bücherei, nur mit Videokassetten… die noch Älteren werden sich sicher noch an Videokassetten erinnern), begutachteten ihn ob seiner Tauglichkeit für den Nachwuchs (meinereiner) und entschieden dann, ob selbiger ihn anschauen dürfte. Im Falle von „RoboCop“ verlief es etwas anders, da Erstsichtung in Ermangelung von Alternativen zum abendlichen Filmprogramm gemeinsam in trautem Familienkreis erfolgte. Natürlich war ich hin und weg vom Gesehenen, und der Blechbulle hatte nahezu augenblicklich Klein-Russels Herz dauerhaft erobert. Kommentar hinterher meiner Erzeuger: „Hätten wir das vorher gewusst, hättest du ihn dir nicht ansehen dürfen.“ Tja, was soll’s: es ist wichtig, die Brut frühzeitig an gute Filme heranzuführen. Am Ende schaut man sich sonst noch irgendwelchen Müll an. *schock*